TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/27 90/19/0289

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Veröffentlicht am 27.05.1991
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Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §5 Abs1;
AAV §5 Abs2;
ArbIG 1974 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 18. April 1990, Zl. 310.181/4-III-3/89, betreffend Vorschreibung einer weiteren Auflage im Interesse des Arbeitnehmerschutzes gemäß den §§ 74 Abs. 2, 77 Abs. 1 GewO 1973 (mitbeteiligte Partei: N GmbH), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die nunmehrige mitbeteiligte Partei mit dem Sitz in Eisenstadt hat mit Eingabe vom 21. April 1986 unter Vorlage der Einreichunterlagen beim Magistrat der Freistadt Eisenstadt um die gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlage zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Kaffeerestaurant" im Standort Eisenstadt, X-Straße, angesucht. Der geplante Betrieb liegt im Keller ca. 4 m unter Niveau. Im Kellergeschoß sind ein Gastlokal mit Bar und ein Gastraum mit offenem Kamin sowie eine Küche, die in offener Verbindung mit dem Gastraum steht (Sichtküche), vorgesehen. Im Erdgeschoß sind ein Lagerraum, ein Tiefkühlraum, die Garderobe für die Arbeitnehmer sowie die Heizungs- und Lüftungsanlage geplant. Die im Keller gelegenen Räume weisen keine natürliche Belichtung auf und liegen allseits tiefer als 1 m unter dem angrenzenden Gelände.

Gegen die beantragte Genehmigung wurden vom Arbeitsinspektorat für den 16. Aufsichtsbezirk Einwände vorgebracht, weil das Projekt in verschiedenen Punkten, insbesondere durch die Lage des Gasträume, nicht den Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 218/1983 (AAV), entspreche. Beantragt wurde, in einem allfälligen Genehmigungsbescheid die einschränkende Bedingung aufzunehmen, daß Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmerschutzgesetzes nicht im Betrieb beschäftigt werden dürften.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Freistadt Eisenstadt vom 16. September 1986 wurde die Betriebsanlage nach Maßgabe der Einreichunterlagen gemäß den §§ 74 Abs. 2 und 77 Abs. 1 GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes unter Einhaltung bestimmter Auflagen, jedoch ohne die vom Arbeitsinspektorat geforderte Einschränkung bewilligt.

Die dagegen vom Arbeitsinspektorat für den

16. Aufsichtsbezirk erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 15. Dezember 1986 abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (der belangten Behörde) vom 23. März 1987 wurde die gegen den genannten Bescheid des Landeshauptmannes gerichtete Berufung des Arbeitsinspektorates für den

16. Aufsichtsbezirk als unzulässig zurückgewiesen.

Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0032, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. April 1990 die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 16. Aufsichtsbezirk gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und bestätigte den zweitinstanzlichen Bescheid.

In der Begründung wird auf den Bescheid des Landeshauptmannes verwiesen, in dem die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet wird, daß die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß den §§ 5 Abs. 2 bzw. 8 Abs. 1 AAV vorlägen, insbesondere sei nach der Zweckbestimmung der Räume (Kellerlokal) eine natürliche Belichtung nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, BGBl. Nr. 143, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat keine Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der beschwerdeführende Bundesminister hält den angefochtenen Bescheid zunächst deshalb für inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde bei Erteilung der Betriebsbewilligung entgegen § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes die Belange des Arbeitnehmerschutzes nicht berücksichtigt habe, indem sie davon ausgegangen sei, daß in den gegenständlichen Kellerräumen ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden dürften, obwohl die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 5 Abs. 2 AAV nicht gegeben seien. Gemäß § 5 Abs. 2 AAV habe die Behörde auf Antrag die Errichtung von ständigen Arbeitsplätzen auch in Räumen (wie den streitgegenständlichen) zuzulassen, deren Fußboden allseits tiefer als 1 m unter dem angrenzenden Gelände liege, wenn eine solche Lage der Arbeitsräume aus produktionstechnischen oder konstruktiven Gründen erforderlich sei. Produktionstechnische Gründe kämen im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da naturgemäß Gasträume sowie Küchen auch über Niveau liegen könnten. Konstruktive Gründe wären etwa anzunehmen bei Zubauten an bestehende Gebäude, bei der Fundierung besonders schwerer oder großer Maschinen sowie bei Belüftungs-, Heizungs- und Kühlanlagen. Für die geplanten Gasträume sowie die Küche lägen derartige konstruktive Gründe nicht vor, sodaß eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Abs. 2 AAV nicht in Betracht komme.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Gemäß § 5 Abs. 1 AAV dürfen ständige Arbeitsplätze nur in Räumen eingerichtet sein, deren Fußboden nicht allseits tiefer als 1 m unter dem angrenzenden Gelände liegt, und wenn das Eindringen von Bodenfeuchtigkeit in die Räume verhindert ist. Abweichend vom Abs. 1 hat die Behörde zufolge § 5 Abs. 2 AAV auf Antrag die Einrichtung von ständigen Arbeitsplätzen auch in Räumen zuzulassen, deren Fußboden allseits tiefer als 1 m unter dem angrenzenden Gelände liegt, wenn eine solche Lage der Arbeitsräume aus produktionstechnischen oder konstruktiven Gründen erforderlich ist, das Eindringen von Grundwasser und Bodenfeuchtigkeit in die Räume verhindert und eine dem § 13 entsprechende Lüftung vorhanden ist.

Die belangte Behörde, von der gemäß § 27 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen waren, hat ausgehend von dem unbestrittenen Sachverhalt - es handelt sich bei der gegenständlichen Betriebsstätte um ein Kellerlokal, das ca. 4 m unter dem angrenzenden Gelände liegt - mit der Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung der Betriebsanlage die Errichtung von ständigen Arbeitsplätzen in diesen Räumen mit der Begründung zugelassen, die Einrichtung von ständigen Arbeitsplätzen in Kellerräumen sei nach der Zweckbestimmung aus produktionstechnischen Gründen erforderlich und gemäß § 5 Abs. 2 AAV zulässig. Die mitbeteiligte Partei beabsichtige die Errichtung eines Kellerlokales, um den Gästen die besondere Atmosphäre eines solchen Gastgewerbebetriebes zu bieten.

Diese Ansicht vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Sie würde nämlich zu der weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 2 AAV entsprechenden Folge führen, daß jede entgegen der zwingenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 leg. cit. in Kellerräumen gelegene Betriebsanlage und die Einrichtung von Arbeitsplätzen in diesen Räumen durch die Behörde unabhängig davon zuzulassen wäre, ob überhaupt die Einrichtung der Betriebsanlage in einer derartigen Lage aus produktionstechnischen oder konstruktiven Gründen erforderlich ist. Nicht die Tatsache an sich, daß die Betriebsanlage im Keller gelegen ist, rechtfertigt die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 5 Abs. 2 AAV, es müssen vielmehr Gründe der genannten Art vorliegen, die die Einrichtung der Betriebsanlage in dieser Lokalität erfordern. Insofern wurde von der belangten Behörde die Rechtslage verkannt.

"Produktionstechnische Gründe" im Sinne des § 5 Abs. 2 AAV, die eine solche Lage der Arbeitsräume (deren Fußboden allseits tiefer als 1 m unter dem angrenzenden Gelände liegt) erfordern, sind nur in jenen Fällen gegeben, in welchen die in diesen Räumen zu verrichtenden Arbeiten schon ihrer Art nach derart situierte Räume erfordern. Mit anderen Worten, es müssen in diesen Räumen Arbeitsleistungen erbracht werden, die an der Bestimmung des § 5 Abs. 1 AAV entsprechenden Arbeitsplätzen aus technischen Gründen nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen würden. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein, da - wie der beschwerdeführende Bundesminister zutreffend ausführt - sämtliche in einem Gastgewerbebetrieb zu verrichtenden Arbeiten nicht Arbeitsplätze, die unterhalb des Erdniveaus gelegen sind, erfordern. Es mag zutreffen, daß ein zur Gänze in einem Kellerlokal gelegener Gastgewerbebetrieb eine besondere Attraktion für die Gäste darstellen würde, doch kann in diesem Umstand kein Grund im Sinne des § 5 Abs. 2 AAV erblickt werden, der eine Ausnahme von der zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmung des § 5 Abs. 1 leg. cit. rechtfertigen könnte.

Dürfen aber wie im konkreten Fall Arbeitsplätze in einem Kellerlokal nicht eingerichtet werden, so stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Arbeitsplätze eine natürliche Belichtung aufweisen müssen. Eine Auseinandersetzung mit den weiteren Beschwerdeausführungen zu diesem Punkt kann daher unterbleiben.

Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990190289.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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