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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag Kobzina sowie die Hofräte Dr Hnatek und Dr Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr Cerne, über den Antrag des N auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der zu den hg Zlen 91/14/0021, AW 91/14/0003, protokollierten Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1991, Zlen 91/14/0021, AW 91/14/0003-5, ist das Verfahren hinsichtlich der vom Antragsteller erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz) vom 3. Dezember 1990, Zl 979/3-2/P-1989, betreffend Abgabenhinterziehung und Finanzordnungswidrigkeit eingestellt worden, weil der Antragsteller dem an ihn ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht nachgekommen war, als er zwar innerhalb der gesetzten Frist den von ihm ua in dreifacher Ausfertigung verlangten ergänzenden Schriftsatz nur auf der letzten Seite EINER der drei zurückgestellten Beschwerdeausfertigungen erstattete.
Im innerhalb der im § 46 Abs 3 VwGG normierten Frist eingebrachten Schriftsatz begehrt der Antragsteller unter Nachholung der versäumten Handlung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei er zur Begründung ausführt, sein Rechtsanwalt habe veranlaßt, daß der geforderte ergänzende Schriftsatz von einer Kanzleiangestellten auf der Rückseite einer Beschwerdeausfertigung angebracht werde. In weiterer Folge habe sein Rechtsanwalt diesen ergänzenden Schriftsatz kontrolliert und unterfertigt. Sodann habe er der Kanzleiangestellten den Auftrag erteilt, den ergänzenden Schriftsatz ebenso auf den weiteren Beschwerdeausfertigungen anzubringen und sodann alle Beschwerdeausfertigungen samt den zurückgestellten Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof zu übersenden. Die Kanzleiangestellte habe es offensichtlich verabsäumt, den ergänzenden Schriftsatz auf den weiteren Beschwerdeausfertigungen anzubringen, wobei dieser Mangel bei der Abfertigung der Post nicht mehr bemerkt worden sei. Die Frist zur Mängelbehebung sei daher durch ein unvorhergesehenes Ereignis versäumt worden, wobei von einem grob fahrlässigen Verhalten seines Rechtsanwaltes nicht gesprochen werden könne.
In einer dem Antrag beigeschlossenen eidesstättigen Erklärung gibt die Kanzleiangestellte folgendes bekannt:
"Ich ... arbeite seit einem Jahr in der Kanzlei .... . Mir ist
in Erinnerung, daß ich in der Rechtssache .... einen
ergänzenden Schriftsatz, der mir vom Rechtsanwaltsanwärter
Mag X diktiert wurde, schrieb und diesen meinem
Vorgesetzten zur Kontrolle vorlegte. Es wurde mir der Auftrag
erteilt, diesen Schriftsatz ebenfalls auf den beiden
weiteren Beschwerdeausfertigungen anzubringen sowie eine Kopie
des bekämpften Bescheides herzustellen und diese den
Beschwerdeausfertigungen anzuschließen. Bei der Anfertigung
dieser Bescheidkopie ist mir offensichtlich der Fehler
unterlaufen, den ergänzenden Schriftsatz nicht auf den beiden
Beschwerdeausfertigungen anzubringen. Ich habe im Anschluß an
diese Arbeiten den gesamten Akt meinem Vorgesetzten wiederum
vorgelegt und habe ich schließlich den gesamten Akt wiederum
an den Verwaltungsgerichtshof abgesandt."
Auch der Rechtsanwalt legte dem Antrag eine eidesstättige Erklärung bei, in der er folgendes ausführt:
"Ich .... habe die Verfügung vom 29. Jänner 1991 im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren Zl 91/14/0021 erhalten und meinem Rechtsanwaltsanwärter Mag X zur Bearbeitung übergeben. Dieser diktierte einen entsprechenden Schriftsatz und übergab ihn der Kanzleiangestellten zur Übertragung. Entsprechend der gerichtlichen Praxis wurde dieser Schriftsatz auf der Rückseite einer Ausfertigung der Beschwerde angebracht. In weiterer Folge hat die Kanzleiangestellte mir diesen Schriftsatz vorgelegt, ich habe diesen inhaltlich überprüft und schließlich unterschrieben. Ich habe meiner Kanzleikraft mitgeteilt, daß dieser ergänzende Schriftsatz auch auf den beiden weiteren Bescheidausfertigungen (gemeint wohl: Beschwerdeausfertigungen) anzubringen ist und schließlich unter Anschluß einer Kopie des bekämpften Bescheides wiederum an den Verwaltungsgerichtshof zu senden ist. Ich habe zwar am Bearbeitungstag die Post abgefertigt, jedoch wurde nicht bemerkt, daß die Kanzleiangestellte es unterlassen hat, diesen ergänzenden Schriftsatz auch auf den beiden weiteren Beschwerdeausfertigungen anzubringen. Meine Kanzleiangestellte .... arbeitet bereits seit einem Jahr in meiner Kanzlei. Ich habe ihre Arbeit regelmäßig kontrolliert und
ist es in meiner Kanzlei üblich, daß ich die gesamte Post vor Aufgabe durchsehe und der Aufgabe zustimme. Ich kann bestätigen, daß die Kanzleiangestellte meinen Aufforderungen bisher immer sehr sorgfältig nachgekommen ist. Es hat bis dato keinen Grund zu Beschwerden bzw zu einer besonderen Aufmerksamkeit bei ihrer Arbeit gegeben."
Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S 656 f). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmungen des § 46 Abs 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.
Der der Mängelbehebung dienende Schriftsatz wurde auf der letzten bis dahin unbeschriebenen Seite einer Beschwerdeausfertigung angebracht und vom Rechtsanwalt unterfertigt. Der Rechtsanwalt hat nach Unterfertigung seine Kanzleiangestellte angewiesen, den Schriftsatz auf den beiden weiteren Beschwerdeausfertigungen anzubringen.
Es mag dahingestellt bleiben, ob unter "Anbringen" eine Abschrift des geforderten ergänzenden Schriftsatzes oder eine Fotokopie des bereits auf einer Ausfertigung der Beschwerde verfaßten Schriftsatzes zu verstehen ist. Denn nur bei Übertragung des bereits verfaßten und vom Rechtsanwalt unterschriebenen Schriftsatzes auf die beiden weiteren Beschwerdeausfertigungen im Weg von Fotokopien wäre dem Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde nachgekommen worden, während bei einer Abschrift die Schriftsätze noch vom Rechtsanwalt unterfertigt hätten werden müssen. Bemerkt wird, daß im vorliegenden Antrag zwischen "Anbringen" und "Herstellung einer Kopie" unterschieden wird.
Die Kanzleiangestellte arbeitet nach ihrer eidesstättigen Erklärung erst ein Jahr in der Kanzlei des Rechtsanwaltes. Nach ihrer Darstellung habe sie vom Rechtsanwalt im Anschluß an die ihr aufgegebenen Arbeiten die Weisung erhalten, den gesamten Akt wieder dem Vorgesetzten vorzulegen. Der Rechtsanwalt selbst hat ausgeführt, daß es in seiner Kanzlei üblich sei, daß von ihm die gesamte Post vor Aufgabe durchgesehen werde. Mit dieser Regelung entspricht der Rechtsanwalt seiner Pflicht, die Arbeit in seiner Kanzlei so zu organisieren, daß eine entsprechende Kontrolle der Tätigkeit der erst ein Jahr bei ihm beschäftigten Kanzleiangestellten, die im vorliegenden Fall tätig wurde, sichergestellt wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Zweifel, daß im Hinblick auf die geschilderten Umständen die Kontrollanordnung auch notwendig war. War diese aber notwendig, und hat der Rechtsanwalt deshalb die Kontrolle der abzufertigenden Post persönlich übernommen, so muß er auch für die sorgfältige Durchführung dieser Kontrolltätigkeit einstehen. Eine Begründung dafür, daß diese Kontrolle durch den Rechtsanwalt im konkreten Fall lediglich auf Grund eines Versehens minderen Grades nicht wirksam wurde, hat der Antragsteller nicht gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher auch nicht davon ausgehen, daß das dem Rechtsanwalt unterlaufene Verschulden nur einen minderen Grad des Versehens darstellt. Dem Antrag konnte deshalb nicht stattgegeben werden.
Da der Antragsteller für das Verschulden seines Vertreters, das keinen minderen Grad des Versehens darstellt, einzustehen hat, kann es dahingestellt bleiben, ob die Abfertigung der Post durch den Rechtsanwalt persönlich - wie dieser behauptet - oder ob die Absendung derselben durch die Kanzleiangestellte - wie diese behauptet - vorgenommen wurde. Von einem bloßen Abfertigungsversehen (vgl den hg Beschluß vom 7. September 1990, Zl 90/14/0147) kann nämlich nach dem oben Dargelegten, aus den vom Antragsteller vorgelegten eidesstättigen Erklärungen ersichtlichen Sachverhalt nicht gesprochen werden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991140067.X00Im RIS seit
28.05.1991