TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/28 90/08/0096

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Veröffentlicht am 28.05.1991
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35 Abs1;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Beachte

Besprechung in: ZAS 1992/6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 23. März 1990, Zl. 126.691/11-7/89, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. ABP-GmbH 2. Dkfm. L, 3. Hans B,

4.

Magda E, 5. Mag. R, 6. Karl T,

7.

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien

8.

Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Hauptstelle, 1200 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist folgender Sachverhalt unbestritten:

Die erstmitbeteiligte Partei betreibt ein sogenanntes Personalbereitstellungsunternehmen; die zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien, sowie der während des Verwaltungsverfahrens am 11. November 1987 verstorbene Ehegatte der Viertmitbeteiligten (in der Folge: "K.E." genannt) waren von der Erstmitbeteiligten als Dienstnehmer zur Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG angemeldet worden, und zwar der Zweit-, die Viert-, der Sechstmitbeteiligte und K.E. ab 1. Jänner 1982, der Drittmitbeteiligte ab 1. Jänner 1984 und der Fünftmitbeteiligte ab 1. März 1982.

Diesen Anmeldungen lagen im wesentlichen gleichlautende Vereinbarungen zwischen den Mitbeteiligten zu 2. bis 6. sowie K.E. und der Erstmitbeteiligten zugrunde, die mit "Dienstvertrag" bezeichnet waren und u.a. in den Punkten I und VIII nachstehend auszugsweise wiedergegebene Bestimmungen enthalten (wobei die mitbeteiligten Parteien und K.E. als "Dienstnehmer" bezeichnet werden):

"I.

Dienstnehmer ist

1. zur Tätigkeit als Angestellter der (Erstmitbeteiligten) berufen, sein Tätigkeitsgebiet erstreckt sich dabei gemäß den jeweiligen Weisungen der Geschäftsführung auf sämtliche kaufmännische, personelle und wirtschaftliche Agenden der Gesellschaft, sowie

2. nach Maßgabe der ihm von der Gesellschaft erteilten Weisungen zur Mitarbeit in allen jenen Unternehmen, mit welchen die Gesellschaft derzeit oder in Zukunft Personalbereitstellungsverträge hinsichtlich des Dienstnehmers abgeschlossen hat bzw. abschließen wird.

Derzeit ist ein solcher Vertrag abgeschlossen mit den Firmen"

(hier folgt die Angabe jener Unternehmen, in denen der betreffende Dienstnehmer beschäftigt werden soll).

"Dienstnehmer erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden, im Unternehmen (dieser) Firmen ... die Stellung eines Geschäftsführers zu bekleiden und über seine Tätigkeit jeweils der Generalversammlung dieser Gesellschaft Rechenschaft abzulegen.

Dienstnehmer erklärt weiters sein ausdrückliches Einverständnis, auch in weiteren Gesellschaften, falls diese mit der (Erstmitbeteiligten) Personalbereitstellungsverträge hinsichtlich seiner Person abschließen, die Stellung eines Geschäftsführers zu übernehmen.

...

VIII.

Dienstnehmer ist verpflichtet, bei allen seinen Tätigkeiten sich nach den Instruktionen und Weisungen der Geschäftsführung der Gesellschaft bzw. im Falle der Tätigkeit bei einer anderen Gesellschaft auch nach den Instruktionen und Weisungen der jeweiligen Gesellschafter dieser Gesellschaft zu richten und die ihm von der Gesellschafterversammlung erteilten Anordnungen streng zu beachten und zu erfüllen. Insolange Dienstnehmer daher bei den (oben genannten) Firmen aufgrund des zwischen der Gesellschaft und diesen Unternehmen abgeschlossenen Personalbereitstellungsverträgen tätig ist, hat er sich nach den Anordnungen und Weisungen der Gesellschafterversammlung der jeweiligen obgenannten Firmen zu richten."

Die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages enthalten Vereinbarungen arbeitsrechtlicher Natur über die Dauer des Dienstverhältnisses, das Entgelt und die Sonderzahlungen, die Überstunden, den Spesenersatz und die Beistellung eines Dienstkraftfahrzeuges.

Die im Punkt I. dieses "Dienstvertrages" erwähnten, von der Erstmitbeteiligten und den jeweiligen Gesellschaften (in der Folge "Entleihergesellschaften" genannt) geschlossenen Verträge sehen in den für das vorliegende Verfahren wesentlichen Belangen (ebenfalls gleichlautend) vor, daß die Erstmitbeteiligte ihren Dienstnehmer der Entleihergesellschaft als leitenden Angestellten zur Verfügung stellt, die Entleihergesellschaft berechtigt ist, den Dienstnehmer als GESCHÄFTSFÜHRER "namhaft zu machen und einzusetzen", ihn mit "sämtlichen kaufmännischen, personellen und wirtschaftlichen Agenden des Unternehmens zu betrauen", sowie ferner, ihm "jedwede Weisungen und Anordnungen zu erteilen". Die Erstmitbeteiligte verpflichtet sich darin weiters, den von ihr zur Verfügung gestellten Dienstnehmer ohne wichtigen Grund nicht von der Entleihergesellschaft abzuziehen und ihn für keine anderwärtigen Tätigkeiten, außer bei den im Vertrag genannten Gesellschaften, heranzuziehen. Gleichzeitig erklärt die erstmitbeteiligte Partei, keine Überwachungs- und Kontrollfunktionen (gemeint: während der Dauer der Zurverfügungstellung an das Entleihunternehmen) auszuüben. Die Entleihergesellschaft verpflichtet sich jeweils, der Erstmitbeteiligten die Lohn- und Lohnnebenkosten zu ersetzen und ihr ein zusätzliches Entgelt von 3 % aller Spesen und Kosten zu bezahlen.

Die Zweit- bis Sechstmitbeteiligten sowie K.E. sind an der erstmitbeteiligten Personalbereitstellungsgesellschaft nicht, wohl aber an den jeweiligen Entleihergesellschaften, bei denen sie aufgrund dieser vertraglichen Konstruktion tätig wurden, direkt oder über andere Unternehmen mit zumindest 50 % des Stammkapitals des Entleiherunternehmens beteiligt, ausgenommen die zweit- und fünftmitbeteiligten Parteien, welche im Verfahren angegeben haben, zu 38 % am Entleihunternehmen beteiligt zu sein. Die zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien waren im maßgebenden Zeitraum (und auch schon vor Beginn des Vertrages mit der erstmitbeteiligten Partei) als Geschäftsführer des jeweiligen Entleiherunternehmens im Handelsregister (nunmehr: Firmenbuch) eingetragen.

Mit gleichlautenden Bescheiden vom 3. Oktober 1985 lehnte die Beschwerdeführerin die von der erstmitbeteiligten Partei erstatteten Anmeldungen ab und stellte fest, daß die jeweilige mitbeteiligte Partei (bzw. K.E.) ab dem jeweils in der Anmeldung genannten Zeitpunkt zur erstmitbeteiligten Partei in keinem die Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG und § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Die mitbeteiligten Parteien zu

2. bis 6. und K.E. seien von der erstmitbeteiligten Partei an die jeweiligen Entleihergesellschaften, deren geschäftsführende Gesellschafter die Betreffenden seien, verliehen worden. Von einem Beschäftigungsverhältnis in persönlicher Abhängigkeit zur erstmitbeteiligten Partei könne daher keine Rede sein.

Gegen diese Bescheide erhoben die erst- bis sechstmitbeteiligten Parteien sowie K.E. Einsprüche. Darin wird im wesentlichen vorgebracht, daß ein wesentlicher Grund für die gewählte Konstruktion die "Reduzierung des Haftungsrisikos" sei, welches Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft treffe. Richtig sei, daß die mitbeteiligten Parteien zu 2. bis 6. und K.E. an Gesellschaften als Geschäftsführer verliehen würden, an denen sie beteiligt seien. Aus den Bestimmungen des Dienstvertrages ergebe sich eindeutig eine persönliche Abhängigkeit von der erstmitbeteiligten Partei. Warum die Beschwerdeführerin als bescheiderlassende Behörde zur gegenteiligen Auffassung gelange, sei der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen. Der Umstand der Verleihung ändere vielmehr nichts daran, daß die mitbeteiligten Parteien zu 2. bis 6. und K.E. "in allen Belangen" an die Weisungen der Erstmitbeteiligten gebunden seien. Dienstverschaffungsverträge seien seit längerem sowohl von der Judikatur als auch der Lehre als zulässig anerkannt; es sei weiters anerkannt, daß durch die Überlassung von Dienstnehmern an einen Dritten kein Dienstverhältnis zwischen dem Dienstnehmer und diesem Dritten begründet werde. Der Einwand, daß die ENTLEIHERGESELLSCHAFTEN Arbeitgeber seien, weshalb die persönliche Abhängigkeit zu verneinen sei, müsse deshalb ins Leere gehen. In welchem Verhältnis diese Dienstnehmer unabhängig vom Dienstverschaffungsvertrag zu dem Dritten (gemeint: dem jeweiligen Entleihunternehmen) stünden, müsse unberücksichtigt bleiben. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß die Dienstnehmer auch die Weisungen jener Gesellschafter, denen sie als Geschäftsführer zur Verfügung gestellt würden, befolgen müßten. Diese Verpflichtung ergebe sich aus § 35 GesmbH-Gesetz, wonach die Geschäftsführer, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt sei, in allen Belangen jedenfalls Weisungen der Gesellschafter befolgen müßten. Auf die Motive, aus denen ein Dienstverhältnis abgeschlossen werde, komme es nicht an. Das Dienstverhältnis habe ein von den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen unabhängiges Schicksal.

In einer weiteren, im Einspruchsverfahren erstatteten Stellungnahme legte die erstmitbeteiligte Partei unter anderem dar, daß die rechtlich wesentlichen Umstände, die die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der gewählten, nach ihrer Meinung zulässigen zivilrechtlichen Konstruktion ergeben würden, von der Behörde nicht erhoben worden seien, wie die wesentliche Besserstellung des Versicherten im ASVG gegenüber dem GSVG in der Krankenversicherung und Pensionsversicherung, die Inanspruchnahme der Haftungsregelungen des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes, der Abfertigungsanspruch als Dienstnehmer, Vorteile bei den "entgeltabhängigen Abgaben", eine Besserstellung im Krankheitsfall auch für die Entleihergesellschaft, da die erstmitbeteiligte Partei verpflichtet sei, eine Aushilfskraft beizustellen und eine Besserstellung als Dienstnehmer im Insolvenzfall nach dem IESG.

Der Landeshauptmann von Wien hob die Bescheide der Beschwerdeführerin mit (gleichlautenden) Bescheiden vom 1. April 1986 gemäß § 66 ABS. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die Beschwerdeführerin mit der Begründung zurück, daß der festgestellte Sachverhalt mangelhaft und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unumgänglich sei.

Die von der Beschwerdeführerin mit Berufung angerufene belangte Behörde hob diese Bescheide des Landeshauptmannes von Wien mit Bescheid vom 4. November 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung auf, die Voraussetzungen für die Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG seien nicht gegeben.

Mit Bescheid vom 18. August 1989 hat der Landeshauptmann von Wien als Einspruchsbehörde die Bescheide der Beschwerdeführerin gemäß § 66 ABS. 4 AVG aufgehoben. Nach Hinweisen auf die von der Behörde angewendeten Rechtsvorschriften der §§ 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie 1 Abs. 1 lit. a AlVG und der hiezu ergangenen Rechtsprechung vertrat die Einspruchsbehörde die Auffassung, daß die Mitbeteiligten zu 2. bis 6. und K.E. nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens an der erstmitbeteiligten Partei nicht beteiligt seien. In der von ihnen in einem Fragebogen der Beschwerdeführerin dargestellten Art der Tätigkeit seien die Weisungsgebundenheit, die Bindung an Arbeitsort und Arbeitszeit und die Kontrollbefugnis zum Ausdruck gekommen. Die Einspruchsbehörde habe "in den vorhandenen Sachverhaltsfeststellungen" keine Hinweise finden können, die gegen eine entgeltliche Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit sprächen. Auf diese Qualifikation der gegenständlichen Tätigkeit habe der Umstand, daß die betreffenden mitbeteiligten Parteien schon vorher - also vor dem Abschluß des Dienstvertages mit der erstmitbeteiligten Partei - in den jeweiligen Gesellschaften (ergänze: als Geschäftsführer) tätig gewesen seien, ebensowenig Einfluß wie ihre Beteiligung an diesen Gesellschaften. Das Weisungsrecht der erstmitbeteiligten Partei reduziere sich in solchen Fällen in der Regel darauf, daß der "zuweisende Dienstgeber" den Dienstnehmer jederzeit aus dem Fremdenbeschäftigungsverhältnis abziehen könne, der ja tatsächlich in den fremden Betrieb eingegliedert sei. Die Merkmale des sozialversicherungsrechtlichen Dienstnehmerbegriffes würden durch die faktische Tätigkeit beim Entleiher erfüllt. Anhaltspunkte für ein bloßes Scheinvertragsverhältnis hätten nicht festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie zum einen darauf hinwies, daß nach den Angaben des Geschäftsführers der erstmitbeteiligten Partei sämtliche Dienstverhältnisse mit 30. September 1988 beendet worden seien und K.E. bereits am 11. November 1987 verstorben sei. In rechtlicher Hinsicht vertrat die Beschwerdeführerin die Meinung, es sei denkunmöglich, daß von der erstmitbeteiligten Partei ein "Dienstnehmer", der an ein Unternehmen verliehen werde, an welchem er direkt oder indirekt beteiligt sei, aus diesem "Leiharbeitsverhältnis" abgezogen und ihm eine andere Tätigkeit zugewiesen werde. Aufgrund der von der Einspruchsbehörde festgestellten Eingliederung in den fremden Betrieb stehe fest, daß die erstmitbeteiligte Partei keinerlei Weisungsrecht habe ausüben können.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben, jedoch in Abänderung des bekämpften Einspruchsbescheides festgestellt, daß die zweit-, fünft- und sechstmitbeteiligte Partei vom 1. Jänner 1982 bis 30. September 1988, die viertmitbeteiligte Partei vom 1. März 1982 bis 30. September 1988, K.E. vom 1. Jänner 1982 bis 11. November 1987 und die drittmitbeteiligte Partei vom 1. Jänner 1984 bis 30. September 1988 aufgrund ihrer Beschäftigung bei der erstmitbeteiligten Partei der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen seien. Nach einer Wiedergabe des Verfahrensganges trat die belangte Behörde im wesentlichen der Rechtsauffassung der Einspruchsbehörde bei und begründete dies (ergänzend) wie folgt: Blieben im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses (Arbeitskräfteüberlassung) die grundlegenden Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Verliehenem aufrecht, werde in der Regel der Verleiher auch der sozialversicherungsrechtliche Dienstgeber des Leiharbeitsverhältnisses sein. Bestehe ein Vertragsverhältnis nur zwischen Arbeitnehmer und Verleiher und sei dieses so gestaltet, daß der zur persönlichen Leistung verpflichtete Arbeitnehmer seiner Zurverfügungstellung an den Entleiher ausdrücklich zustimmte, dann sei die Einordnung in den Betrieb des Dritten, die Gebundheit an die von ihm festgelegte Arbeitszeit und an seine Weisungen sowie die Unterworfenheit unter seine Kontrolle nur als Konkretisierung der gegenüber dem Verleiher weiter bestehenden persönlichen Abängigkeit anzusehen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1975, Zl. 415/75). Darüber hinaus bemerkte die belangte Behörde, daß durch das am 1. Juli 1988 in Kraft getretene Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG, BGBl. Nr. 196/1988, keine für die Entscheidung maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die siebt- und achtmitbeteiligte Partei erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie ihren schon im Verwaltungsverfahren eingenommenen Rechtsstandpunkt bekräftigt und ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Gleichzeitig legte die erstmitbeteiligte Partei einen beglaubigten Auszug aus dem Handelsregister vor, aus dem hervorgeht, daß ihre Firma während des Verwaltungsverfahrens zweimal, nämlich am 4. September 1989 und am 19. Juni 1990, geändert wurde und diese nunmehr "ABP-GmbH" lautet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens haben zutreffend erkannt, daß die zwischen der erstmitbeteiligten Partei und den Entleihergesellschaften bzw. den zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien und K.E. getroffenen Vereinbarungen einem sogenannten "Leiharbeitsverhältnis" entsprechen, dessen Besonderheit im Beschwerdefall jedoch darin liegt, daß die "Dienstnehmer" des "Verleihers" am Unternehmen des jeweiligen "Entleihers" mittelbar oder unmittelbar beteiligt sind. Die Vertragskonstruktion, Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (bzw. einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, die ihrerseits diese Gesellschaft beherrscht) beim "Verleiher" anzustellen und aufgrund einer Vereinbarung mit der Entleihergesellschaft dieser als Geschäftsführer (die die betreffenden Personen in den Beschwerdefällen im handelsrechtlichen Sinne schon vorher gewesen sind) im "arbeitsvertraglichen Sinne" zur Verfügung zu stellen, zielt nach dem eigenen Vorbringen der erstmitbeteiligten Partei im Verwaltungsverfahren unter anderem darauf ab, den betroffenen Personen die (nach ihrer Auffassung) günstigere Pflichtversicherung nach dem ASVG zu verschaffen, der sie - wovon die mitbeteiligten Parteien zu 1. bis 6. offenbar ausgehen - ohne diese Vertragskonstruktion nicht unterliegen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Versicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß eine Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn dem Geschäftsführer als Gesellschafter ein beherrschender Einfluß auf die Gestion des Unternehmens zusteht. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn der Betreffende zumindest 51 % der Stammeinlage hält, sondern auch dann, wenn er über einen solchen Anteil an den Stammeinlagen verfügt, der ihm kraft Gesetzes (im Falle von 50 %) oder Gesellschaftsvertrages (für den Fall der Vereinbarung eines für diesbezügliche Gesellschafterbeschlüsse vom Gesetz abweichenden Quorums) ermöglicht, in für die persönliche Abhängigkeit maßgebenden Belangen (Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten) die Erteilung von Weisungen durch die Generalversammlung zu verhindern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0092, mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Unter der - von den Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht näher geprüften - Annahme, daß bei den Zweit- bis Sechstmitbeteiligten und K.E. eine solche Beteiligung an der jeweiligen Entleihergesellschaft in den maßgebenden Zeiträumen vorgelegen ist, träfe deren Annahme daher zu, daß eine Versicherungspflicht nach ASVG aus den erwähnten Gründen für sie von vornherein nicht in Betracht kommen konnte. Die damit an sich aufzuwerfende Frage, ob die von den Mitbeteiligten zu

1. bis 6. und K.E. gewählte Vertragskonstruktion aus dem hier maßgebenden Blickwinkel ein Umgehungs- oder Scheingeschäft ist, kann jedoch auf sich beruhen, da bereits die Lösung der hier maßgebenden Rechtsfrage auf dem Boden dieser Vertragskonstruktion zur Verneinung der Versicherungspflicht und damit zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt:

Besteht ein Vertragsverhältnis nur zwischen Arbeitnehmer und Verleiher (als Arbeitgeber; vgl. dazu das Erkenntnis vom 27. Juni 1989, 84/08/0161 mit weiteren Judikaturhinweisen) und ist dieses so gestaltet, daß der zur persönlichen Leistung verpflichtete Arbeitnehmer - wie in den Beschwerdefällen - seiner Zurverfügungstellung an den "Entleiher" ausdrücklich zustimmte, dann ist die Einordnung in den Betrieb dieses Dritten, die Gebundheit an die von ihm zugestandene Arbeitszeit und an seine Weisungen sowie die Unterworfenheit unter seine Kontrolle nur als Konkretisierung der gegenüber dem "Verleiher" weiter bestehenden persönlichen Abhängigkeit anzusehen, wie auch die belangte Behörde zutreffend erkannt hat. Maßgebend für die Beurteilung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist in einem solchen Falle daher das jeweilige Beschäftigungsbild der mitbeteiligten Parteien zu 2. bis 6. sowie K.E. bei den Unternehmen, für welche sie jeweils tätig geworden sind (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1985, Slg. Nr. 11778/A, mit weiteren Hinweisen). Wenn also - wie auch hier - aufgrund der Vertragsgestaltung die für die Beurteilung der persönlichen Abhängigkeit maßgebenden Weisungsrechte vom Verleih- an das Entleihunternehmen delegiert sind, dort aber seitens des entliehenen "Arbeitnehmers" zufolge von dessen beherrschenden Einfluß auf dieses Unternehmen die Erteilung solcher Weisungen (zumindest) verhindert werden kann, dann besteht für die Dauer einer solchen Verleihung auch keine Versicherungspflicht zum "Verleihunternehmen": Es besteht nämlich rechtlich kein Unterschied, ob der Dienstgeber (hier: Verleiher) den Dienstnehmer unmittelbar weisungsfrei stellt oder ob er sein - an sich formell bedungenes - Weisungsrecht mit Zustimmung des Dienstnehmers an eine juristische Person delegiert, die von diesem Dienstnehmer beherrscht wird.

Da die belangte Behörde ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung die Frage des beherrschenden Einflusses der zweit- bis sechstmitbeteiligten Parteien und des K.E. auf die in den jeweiligen Zeiträumen in Betracht kommenden "Entleihunternehmen" nicht geprüft hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Handelsrecht Gesellschaftsrecht Dienstnehmer Begriff Einzelne Berufe und Tätigkeiten Diverses Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit Dienstnehmer Begriff Wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990080096.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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