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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Dr. Weiss als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, in der Beschwerdesache der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1990, Zl. MA 63-S 11/89, betreffend Ansuchen um Nachsicht vom Befähigungsnachweis, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk - vom 7. November 1988 wurde in Anwendung des § 346 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 das am 22. August 1988 eingebrachte Ansuchen der Beschwerdeführerin um Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis für das Gewerbe "Zimmer- und Gebäudereinigung gemäß § 103 Abs. 1 lit. c Z. 27 GewO 1973" im Standort Wien, A-Gasse 26, gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 abgewiesen.
Auf Grund einer seitens der Beschwerdeführerin dagegen eingebrachten Berufung erkannte der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 20. Februar 1990 dahin, daß der erstbehördliche Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 mit der Maßgabe bestätigt werde, daß die Nachsicht für das Gewerbe "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger (§ 94 Z. 9a GewO 1973 i. d.F. der Gewerberechtsnovelle 1988), eingeschränkt auf Zimmer- und Gebäudereiniger" verweigert werde, und daß die Standortangabe im Spruch des Bescheides zu entfallen habe. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Erteilung einer Nachsicht stelle einen konstitutiven Verwaltungsakt dar, sodaß einem diesbezüglichen Bescheid die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zugrunde zu legen sei. Zufolge der Gewerberechtsnovelle 1988 sei mit 1. Jänner 1989 das zuvor gebundene Gewerbe "Zimmer- und Gebäudereiniger (§ 103 Abs. 1 lit. c Z. 27 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988)" unter die Handwerke als "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger (§ 94 Z. 9a GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1988)" eingereiht worden. Gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1973 sei die Befähigung für ein Handwerk durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung nachzuweisen. Bei der Meisterprüfung habe der Prüfling die Fähigkeiten und Kenntnisse, die erforderlich seien, um die dem Gewerbe eigentümlichen Arbeiten meisterlich auszuführen, und die zur selbständigen Ausübung des Gewerbes notwendigen kaufmännischen und rechtlichen Kenntnisse nachzuweisen (§ 18 Abs. 2 leg. cit.). Die Erbringung des (formellen) Befähigungsnachweises für das genannte Gewerbe sei gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1973 nachzusehen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden könne, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze, und 1) lit. a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten sei, oder lit. b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprächen und
2) keine Ausschließungsgründe gemäß § 13 GewO 1973 vorlägen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung und unter Bedachtnahme auf § 16 Abs. 2 GewO 1973, wonach unter Befähigungsnachweis der Nachweis zu verstehen sei, daß eine Person die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können, müsse vom Nachsichtswerber die volle Befähigung für das angestrebte Gewerbe gefordert werden. Ein Nachsichtswerber habe somit nach der anzuwendenden Vorschrift des § 28 Abs. 1 GewO 1973 zum Nachweis seiner Befähigung Beweise anzubieten, die erkennen ließen, daß er jenen Grad der Befähigung besitze, der von einer Person, die den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erbringe, erwartet werden müsse, wobei die den Befähigungsnachweis festlegenden Vorschriften den Maßstab dafür bildeten, ob die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 vorlägen, nämlich, daß nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden könne, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Die Beschwerdeführerin habe den der nunmehrigen Gesetzeslage entsprechenden Nachweis aus den im angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen nicht erbracht. Schließlich stehe der Erteilung der beantragten Nachsicht auch noch das Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 13 Abs. 5 GewO 1973 entgegen. Die Beschwerdeführerin sei nämlich nach dieser Gesetzesstelle von der Gewerbeausübung auszuschließen, da ihr als handelsrechtlicher Geschäftsführerin ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der im angefochtenen Bescheid bezeichneten Gesellschaft zugestanden sei und noch zustehe und mit dem Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25. Jänner 1990, 5 S nn/90-1, über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet worden sei. Der erstbehördliche Bescheid bestehe daher im Ergebnis zu Recht, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen gewesen sei. Der Spruch des erstbehördlichen Bescheides sei nur zur zutreffenden Zitierung der ab 1. Jänner 1989 geltenden Einordnung und Benennung des antragsgegenständlichen Gewerbes zu ändern gewesen. Die Standortangabe habe zu entfallen, weil das Ansuchen um Erteilung der Nachsicht nicht auf eine solche Einschränkung laute. Zu diesen Änderungen sei die Berufungsbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 berechtigt gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin wie folgt in Rechten verletzt (Beschwerdepunkte):
"Durch den angefochtenen Bescheid wird die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften, auf Erlangung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, Erteilung der Gewerbeberechtigung und Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der N-Ges.m.b.H. verletzt."
Hiezu wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. ausgeführt, am 22. August 1988 habe die Beschwerdeführerin beim zuständigen Magistratischen Bezirksamt ein Gesuch um Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der angeführten Gesellschaft, bzw. um Nachsicht vom erforderlichen Befähigungsnachweis für das Gewerbe "Zimmer- und Gebäudereinigung gemäß § 103 Abs. 1 lit. c Z. 27 GewO 1973" im Standort Wien, A-Gasse 26, eingebracht. Ohne Durchführung eines Beweisverfahrens, mit Ausnahme der Einholung eines Gutachtens der Landesinnung Wien der "Zimmer- und Gebäudereiniger", habe die Erstbehörde mit Bescheid vom 7. November 1988 das Ansuchen um Erteilung der Nachsicht abgewiesen. Gegen diesen Bescheid habe sich ihre Berufung vom 21. Dezember 1988 gerichtet, die die belangte Behörde - ebenfalls ohne Durchführung eines Beweisverfahrens - abgewiesen habe, wobei allerdings der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wesentlich abgeändert worden sei, da nunmehr die Nachsicht für das Gewerbe "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger (§ 94 Z. 9a GewO 1973 in der Fasung der Gewerberechtsnovelle 1988) eingeschränkt auf Zimmer- und Gebäudereiniger" verweigert worden und gleichzeitig ausgesprochen worden sei, daß die Standortangabe im Spruch des erstbehördlichen Bescheides zu entfallen habe. In weiterer Folge wird in der Beschwerde gerügt, daß die Feststellungen der belangten Behörde über ihre in Betracht kommenden einschlägigen Tätigkeiten unvollständig geblieben seien bzw. daß die belangte Behörde von ihr in diesem Zusammenhang angebote Zeugenbeweise nicht durchgeführt, sondern ihre Feststellungen auf Grund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung getroffen habe. Abgesehen davon wäre sie bei einem entsprechenden Vorhalt auch in der Lage gewesen, die von der belangten Behörde als fehlend bezeichneten Beweismittel vorzulegen. Der angefochtene Bescheid sei aber auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Die belangte Behörde vermeine, daß der Befähigungsnachweis für das Gewerbe "Zimmer- und Gebäudereiniger" nunmehr durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung nachzuweisen sei, demzufolge sie nicht nur kaufmännische, unternehmensleitende und Überwachungstätigkeiten unter Beweis zu stellen gehabt hätte, sondern auch den Nachweis über eigene manuelle Tätigkeit im Bereich der Zimmer- und Gebäudereinigung hätte erbringen müssen. Abgesehen davon, daß wohl davon auszugehen sei, daß sie diese eigenen manuellen Tätigkeiten im Bereich der Zimmer- und Gebäudereinigung bereits erbracht habe, sei es auch schwer zu sehen, welche besonderen Fähigkeiten zur manuellen Ausführung dieser Tätigkeiten erforderlich seien. Die besondere erforderliche Qualifikation zur Gewerbeausübung könne wohl in diesem Zusammenhang nicht mit den Erfordernissen eines Handwerks verglichen werden, die gewerbliche Qualifikation könne wohl nur in den Anordnungs- und Überwachungstätigkeiten bestehen. Die Behörde habe nicht über ihren Antrag entschieden, sondern diesen Antrag - ebenfalls ohne sie vor Schluß des Beweisverfahrens zu informieren - eigenmächtig von Amts wegen abgeändert bzw. über einen von ihr gar nicht gestellten Antrag abgesprochen.
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.
Ausgehend vom dargestellten Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz unter "Beschwerdepunkte" im Zusammenhalt mit dem dargestellten Beschwerdevorbringen ist davon auszugehen, daß sich die Beschwerdeführerin - in Ansehung der bei der verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeprüfung in Betracht zu ziehenden bescheidmäßigen Absprüche im vorliegenden verwaltungsbehördlichen Verfahren - inhaltlich grundlegend dadurch als beschwert erachtet, daß die belangte Behörde nicht über den von ihr gestellten Antrag, sondern - in diesbezüglicher eigenmächtiger Abänderung - über einen von ihr gar nicht gestellten Antrag abgesprochen habe, zumal aus den dargelegten Gründen der Bereich der Zimmer- und Gebäudereinigung nicht in vollem Umfang mit den Erfordernissen eines Handwerks verglichen werden könne.
Hiezu ergeben sich folgende Überlegungen:
Bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, in Ansehung der hier in Betracht zu ziehenden Bestimmungen mit 1. Jänner 1989 (Art. VI Abs. 1) handelte es sich bei dem auch nach ausdrücklichem Vorbringen der Beschwerdeführerin von ihrem Nachsichtsantrag erfaßten Gewerbe "Zimmer- und Gebäudereinigung gemäß § 103 Abs. 1 lit. c Z. 27 GewO 1973" um ein gebundenes Gewerbe (§ 6 Z. 2), dessen Ausübung an den Nachweis der Befähigung durch ein Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit gebunden war. Mit dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1988 erfolgte demgegenüber die Einreihung dieses Gewerbes unter gleichzeitigem Entfall der Bestimmung des § 103 Abs. 1 lit. c Z. 27 (Art. I Z. 134) gemäß § 94 Z. 9a GewO 1973 unter die Handwerke (§ 6 Z. 1) mit einer dem nunmehrigen Berechtigungsumfang entsprechenden Bezeichnung "Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger" (vgl. hiezu auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage in 341. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII. GP), für das der Befähigungsnachweis gemäß § 18 Abs. 1 GewO 1973 durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung zu erbringen ist.
Sofern sich daher die Beschwerdeführerin dadurch als beschwert erachtet, daß mit dem angefochtenen Bescheid nicht über den von ihr gestellten Antrag, sondern über ein "Aliud" entschieden worden sei, kann eine Rechtsverletzungsmöglichkeit im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nicht erkannt werden, da auch im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides ein meritorischer Abspruch über den von ihr gestellten, im Sinne ihrer diesbezüglich zutreffenden Annahme als "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 anzusehenden Antrag im Hinblick auf die dargestellte geänderte Gesetzeslage nicht erfolgen könnte.
Weiters fehlt aber eine Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch in Ansehung der unter den Beschwerdepunkten bezeichneten Rechte auf "Erteilung der Gewerbeberechtigung und Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der N-Ges.m.b.H.", da über derartige Anträge weder im erstbehördlichen noch auch im zweitbehördlichen Bescheid abgesprochen wurde.
Da somit die im Rahmen der dargestellten Beschwerdepunkte vorzunehmende Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ergab (§ 41 Abs. 1 VwGG), daß die Beschwerdeführerin im Sinne der obigen Darlegungen durch den Abspruch des angefochtenen Bescheides in subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt worden sein konnte, war die Beschwerde mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040028.X00Im RIS seit
28.05.1991