TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/28 90/04/0330

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Veröffentlicht am 28.05.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §63 Abs3;
GewO 1973 §323e;
GewO 1973 §323f;
GewO 1973 §376 Z9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des E.T. gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Oktober 1990, Zl. 313.655/1-III/5/90, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Juli 1990 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs. 2 GewO 1973 die Konzession für das Gewerbe der Lebens- und Sozialberater (§ 323 e GewO 1973) im Standort Wien 14., verweigert. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, gemäß § 25 Abs. 2 GewO 1973 sei die Konzession zu verweigern, wenn eine der im § 25 Abs. 1 GewO 1973 angeführten Voraussetzungen nicht vorliege. Eine der (besonderen) Voraussetzungen zur Erteilung der Konzession sei zufolge § 323 f GewO 1973 die Erbringung des Befähigungsnachweises, für den derzeit die Bestimmung des § 376 Z. 9 GewO 1973 maßgebend sei. Gemäß dieser Gesetzesstelle sei bis zur Erlassung der im § 22 vorgesehenen Verordnung betreffend den Befähigungsnachweis für Gewerbe, die durch § 130 neu unter die konzessionierten Gewerbe eingereiht worden seien, sofern nicht schon durch § 375 Abs. 1 GewO 1973 für Bestimmungen über den Nachweis der Befähigung Vorsorge getroffen worden sei, die Befähigung nachzuweisen durch Belege, die außer Zweifel stellten, daß wegen der Kenntnisse und Fähigkeiten des Konzessionswerbers auf dem Gebiet der in Aussicht genommenen gewerblichen Tätigkeit eine fachlich einwandfreie Ausübung dieses Gewerbes zu erwarten sei. Zu den vorgelegten Belegen habe sich die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien, allgemeine Fachgruppe des Gewerbes, die zur Abgabe eines Gutachtens aufgefordert worden sei, dahin geäußert, daß der Beschwerdeführer keinerlei einschlägige Ausbildung nachweise. Angesichts dieses Sachverhaltes könne nicht berechtigt davon ausgegangen werden, daß einschlägige Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für eine Tätigkeit im Bereich der Lebens- und Sozialberatung vorhanden seien, weshalb eine fachlich einwandfreie Ausübung dieses Gewerbes auch nicht begründet werden könne. Dem Beschwerdeführer sei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden, worauf er vorgebracht habe, er sei im Sozialbereich seit 1972 zuerst als Unselbständiger und dann seit 1986 in Wien und Niederösterreich als Selbständiger tätig gewesen. Der Eingabe sei eine nicht beglaubigte Kopie einer Bestätigung des Alten-Wohnheimes A vom 1. Mai 1976 angeschlossen worden. Danach sei der Beschwerdeführer in der Zeit vom 3. Jänner 1972 bis zum 30. Juni 1976 als psychologischer Berater sowie als Lebensberater tätig gewesen. Da der Beschwerdeführer keinerlei einschlägige Ausbildung nachgewiesen habe, könne auch nach Auffassung der Behörde ungeachtet der praktischen Betätigungen des Beschwerdeführers im Hinblick auf den im § 323 e GewO 1973 geregelten Berechtigungsumfang des angestrebten Gewerbes eine fachlich einwandfreie Ausübung nicht erwartet werden, weshalb dem Ansuchen keine Folge habe gegeben werden könne.

Eine dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Bescheid vom 1. Oktober 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 63 Abs. 3 AVG 1950 als unzulässig zurück. Dieser Ausspruch wurde damit begründet, der erstbehördliche Bescheid, der eine dem Gesetz entsprechende Rechtsmittelbelehrung enthalte, sei laut Rückschein am 31. August 1990 dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt worden. Am 4. September 1990 habe der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid telegraphisch Berufung mit folgenden Wortlaut eingebracht: "Ich erhebe zeitgerecht gegen Bescheid St 78/89 Einspruch. Begründungen folgen demnächst durch den Rechtsanwalt." In einer am 12. September 1990 zur Post gegebenen, an das Amt der Wiener Landesregierung gerichteten Eingabe habe der Beschwerdeführer folgendes ausgeführt: "Ich ersuche hiermit wie bereits im Telegramm vom 5.9. um die Erteilung der Konzession (siehe Gewerbeschein 2293/F/13/14) und beantrage daher den bekämpften Bescheid vom 26.7. aufzuheben und mir die Konzession zu erteilen." Gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 habe die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Im vorliegenden Fall enthalte die vom Beschwerdeführer telegraphisch eingebrachte Berufung keine Begründung. Auch der vom Beschwerdeführer innerhalb der Berufungsfrist nachgereichte schriftliche Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Erteilung der angestrebten Konzession lasse nicht erkennen, womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaube. Der Berufung fehle daher das unabdingbare Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages. Hieran vermöge das Vorbringen des Beschwerdeführers in der telegraphischen Berufung, daß die Begründungen demnächst durch den Rechtsanwalt erfolgen würden, nichts zu ändern, weil eine fehlende Begründung zur Berufung nur innerhalb der von der Behörde nicht erstreckbaren Berufungsfrist nachgetragen werden könne, ein solcher Nachtrag jedoch nicht erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Entscheidung über seine Berufung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund verletzt. Er bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, richtig sei, daß die telegraphisch eingebrachte Berufung noch keine Begründung enthalte, sondern diese nur angekündigt habe. Jedoch sei noch innerhalb der Berufungsfrist eine Eingabe eingebracht worden, welche dem Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages gerecht werde. Aus dieser Eingabe sei nämlich zunächst klar das Begehren ersichtlich, nämlich die Aufhebung des bekämpften Bescheides und die Erteilung der Konzession. Darüber hinaus enthalte sie aber auch eine Begründung für dieses Begehren, nämlich den Verweis auf den Gewerbeschein, aus dem hervorgehe, daß er bereits im Jahre 1986 das Gewerbe der psychologischen Beratung angemeldet habe, welches er seither selbständig tätig ausübe. Er habe auf den Gewerbeschein verwiesen, da die erstinstanzliche Behörde sein Vorbringen, daß er im Sozialbereich seit 1972 zuerst als Unselbständiger und seit 1986 in Wien und Niederösterreich als Selbständiger tätig gewesen sei, nur insoweit berücksichtigt habe, als sie als erwiesen angenommen habe, daß er in der Zeit vom 3. Jänner 1972 bis zum 30. Juni 1976 als psychologischer Berater sowie Lebensberater tätig gewesen sei, wogegen sie jedoch auf seine behauptete Tätigkeit als Selbständiger seit 1986 überhaupt nicht weiter eingegangen sei. Offensichtlich seien Feststellungen darüber deshalb unterblieben, da die Behörde jedenfalls davon ausgegangen sei, daß auch eine derartige Tätigkeit keine "einschlägige Ausbildung" darstellen würde. Dabei habe die Behörde jedoch übersehen, daß die Feststellung einer selbständigen psychologischen Beratungstätigkeit seit dem Jahre 1986 nicht nur für die Frage der Ausbildung, sondern auch in anderer Hinsicht für die Konzessionsvergabe von Bedeutung sei; denn seien Gewerbe bereits jahrelang in Entsprechung der einschlägigen Rechtsvorschriften ausgeübt worden, so stelle die plötzliche Untersagung dieser Tätigkeit einen Entzug der Erwerbsmöglichkeit dar und sei im Hinblick auf den Grundsatz der Erwerbsfreiheit verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Darüber hinaus sei seines Erachtens nach die jahrelange Ausübung einer selbständigen psychologischen Beratungstätigkeit sehr wohl bei der Beurteilung, ob einschlägige Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vorliegen, zu berücksichtigen. Er verkenne nicht, daß Ausführungen in dieser Deutlichkeit in der Berufung nicht enthalten seien, es wäre jedoch der belangten Behörde sehr wohl möglich gewesen, bei Berücksichtigung des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides seine Argumentation insofern zu erkennen, als er auf das Vorliegen einer schon vorher bestandenen Gewerbeberechtigung hingewiesen habe, die in der Erstentscheidung nicht berücksichtigt worden sei. Dies sei ausreichend, um dem Erfordernis einer Begründung des Berufungsantrages Genüge zu tun.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Zur Annahme eines begründeten Berufungsantrages genügt, wenn die Berufung erkennen läßt, was die Partei anstrebt, und aus welchen - wenn auch vielleicht nicht stichhältigen - Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird. Die Berufungsbehörde soll aus der Eingabe, mit der ein Rechtsmittel erhoben wird, entnehmen können, was mit dem Verfahrensschritt nach Ansicht der Partei bezweckt wird (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361).

Im Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 30. März 1989 um die Erteilung der Konzession "als Lebens- und Sozialberater (Psych. Beratung)" angesucht und hiezu vorgebracht, daß er am Stichtag 31. Dezember 1988 das Gewerbe uneingeschränkt ausgeübt habe. Ferner wurde u.a. angeführt, daß Unterlagen für den Befähigungsnachweis als Kopie beilägen. Nach der Aktenlage handelt es sich hiebei u.a. um den Gewerbeschein des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 13./14. Bezirk vom 12. Februar 1987, Reg.Z. 2293/f/13/14, über die erfolgte Anmeldung des Gewerbes "psychologische Beratung" durch den Beschwerdeführer. Gegenstand der Ermittlungen der belangten Behörde waren nach der Aktenlage u. a. auch Umstände im Zusammenhang mit der vorangeführten Gewerbeberechtigung. Unabhängig davon, daß im erstbehördlichen Bescheid Feststellungen im Zusammenhalt mit der im vorangeführten Gewerbeschein bezeichneten Gewerbeberechtigung nicht getroffen wurden bzw. keine Erörterungen in diesem Zusammenhang erfolgten, war aber auf Grund der auch nach Annahme der belangten Behörde innerhalb der Berufungsfrist erstatteten vordargestellten schriftlichen Eingabe erkennbar, daß er inhaltlich diesen Umstand als Begründung für seinen Berufungsantrag ins Treffen führte.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040330.X00

Im RIS seit

28.05.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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