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44 ZivildienstNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
ZDG; keine Glaubhaftmachung der Gewissensgründe; keine Verletzung im durch §2 Abs1 gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht, insbesondere nicht durch Verfahrensfehler gravierender Natur; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDK), Senat 1, vom 11. Dezember 1987 wurde der von M S - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz 1986, BGBl. 679 (ZDG) - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht gemäß §2 Abs1 iVm §6 Abs1 ZDG abgewiesen.
b) Der dagegen vom Antragsteller erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK), Senat 2, vom 25. März 1988 - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.
2. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde des M S an den VfGH; der Bf. behauptet, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Befreiung von der Wehrpflicht (§2 Abs1 ZDG), auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein; er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides als verfassungswidrig.
3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor; sie verzichtete zwar auf die Erstattung einer förmlichen Gegenschrift, äußerte sich aber doch inhaltlich zur Beschwerde, der sie entgegentritt.
II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
1.a) Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige im Sinn des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag (und zwar nach Maßgabe des §5 Abs1 und 3 ZDG, der das Antragsrecht - in hier allerdings unerheblicher Weise - beschränkt) von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten ständigen Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (vgl. auch VfSlg. 9391/1982, 9785/1983, 9839/1983, 9840/1983, 9842/1983, 9971/1984, 9985/1984, 10021/1984).
b) Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dadurch verletzt, daß die Behörde die im § 2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; eine solche Verletzung ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Vorliegen der materiellen (Befreiungs-)Bedingungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9549/1982, 9842/1983, 9985/1984; VfGH 26.9.1986 B243/86).
Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978, 9785/1983, 9985/1984), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.
2.a) Der Bf. behauptet, daß das Verfahren in erster Instanz derart grob mangelhaft geführt worden sei, daß de facto die ZDOK als erste Instanz agiert habe. Er habe nämlich am 30. November 1987 die ZDK (Senat 1) ersucht, die für den 11. Dezember 1987 in Klagenfurt anberaumte mündliche Verhandlung abzusetzen und sie in Graz (wo er wohne) durchzuführen. Die ZDK habe auf dieses Ansuchen nicht geantwortet, sondern die Verhandlung in seiner Abwesenheit abgehalten und sein Fernbleiben für seine Glaubwürdigkeit negativ gewertet.
b) Der Bf. macht der Sache nach geltend, er sei im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) dadurch verletzt worden, daß in erster Instanz nicht der "zuständige" Senat der ZDK entschieden habe. Mit dieser Behauptung ist der Bf. schon vom Ansatz her nicht im Recht: Sowohl in erster als auch in zweiter (und letzter) Instanz entschieden - was zweifelsfrei feststeht - die hiezu berufenen Behörden, nämlich die ZDK und die ZDOK. In der (internen) Geschäftseinteilung (Geschäftsverteilung) einer Verwaltungsbehörde liegt keine den "gesetzlichen Richter" iS des Art83 Abs2 B-VG festlegende Norm (vgl. zB VfSlg. 7941/1976, 9409/1982, 10024/1984). Dies gilt auch für kollegiale Verwaltungsbehörden nach Art133 Z4 B-VG (vgl. zB VfSlg. 9387/1982, VfGH 7.3.1987 B626/85).
Auch wenn der Umstand, daß die ZDK dem Vertagungsantrag des Bf. nicht stattgab, die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchführte und sein Fernbleiben negativ bewertete, als Verletzung des Parteiengehörs oder als sonstiger schwerer Verfahrensfehler zu qualifizieren sein sollte, wären diese Mängel durch das von der ZDOK als Berufungsbehörde durchgeführte Verfahren, insbesondere durch die von ihr in Anwesenheit des Bf. abgehaltene mündliche Verhandlung, saniert worden (vgl. zB VwGH 25.1.1979, 2189/77; VwGH 28.4.1983, 83/06/0002; VfSlg. 9366/1982).
3.a) Der Bf. macht auch geltend, daß die ZDOK die Frage, ob er die behaupteten Gewissensgründe glaubhaft gemacht habe, zu Unrecht verneint habe.
b) aa) Die bel. Beh. geht richtig davon aus, daß der Antragsteller im Administrativverfahren den Standpunkt einnahm, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müsse.
Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982; VfGH 26.9.1986 B243/86).
bb) Die ZDOK legte dem Sinn nach dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.
Entgegen der in der Beschwerdeschrift verfochtenen Auffassung unterliefen der bel. Beh. dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen; insbesondere trifft es nicht zu, daß die ZDOK das Vorliegen eines "inneren Zwanges" als Voraussetzung für die Anerkennung als Zivildiener gefordert hätte.
Der ZDOK sind auch keine in die Verfassungssphäre reichende Fehler im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials anzulasten: Der Bf. bekämpft nämlich nach der unverkennbaren Zielsetzung des Beschwerdevorbringens in Wahrheit bloß die - nicht zu seinen Gunsten ausgefallene behördliche Beweiswürdigung, indem er die tatsächlichen Schlußfolgerungen der ZDOK in der Glaubhaftmachungsfrage als unrichtig und verfehlt hinstellt. Er vermag damit den Umständen nach allerdings keineswegs aufzuzeigen, daß die beweiswürdigenden Überlegungen der Berufungsbehörde der allgemeinen Lebenserfahrung oder den Gesetzen des logischen Denkens widersprechen: Nur in diesem Fall aber könnte im gegebenen Zusammenhang - nach gefestigter Rechtsprechung des VfGH - von einem verfassungsrechtlich relevanten, groben Verstoß verfahrensrechtlicher Art die Rede sein, der nach §2 ZDG aufzugreifen wäre (zB VfSlg. 9732/1983, 9985/1984).
cc) Der VfGH kann der ZDOK also nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Wägung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie auf Grund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs 2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Vorjudikatur, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die auf Grund unmittelbaren persönlichen Eindrucks gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen: zB VfSlg. 9573/1982, 9785/1983, 10529/1985; VfGH 26.9.1986 B 243/86).
dd) Abschließend folgt daraus, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung (§2 Abs1 ZDG) nicht verletzt wurde.
4.a) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesbestimmungen unter dem Aspekt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebots wurden nicht geltend gemacht und kamen - aus der Sicht dieses Beschwerdefalls - auch sonst nicht hervor. Bei dieser Betrachtung schied im übrigen die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, von vornherein aus.
b) Da es auch an jeglichen Anhaltspunkten dafür fehlt, daß die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das - vom Bf. relevierte - Gleichheitsrecht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7466/1974, 8238/1978, 9233/1981) nur dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre.
Es finden sich jedoch keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die bel. Beh. bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Bf. gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.
c) Daher ergibt sich, daß der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt wurde.
5. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.
6. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des VfGH bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Zivildienst, Verwaltungsverfahren, ErmittlungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:B1323.1988Dokumentnummer
JFT_10118996_88B01323_00