TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/28 91/04/0110

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Veröffentlicht am 28.05.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

ABGB §6;
AVG §45 Abs2;
GewO 1973 §28 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des MN, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Februar 1991, Zl. 313.467/1-III/5/91, betreffend Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. Februar 1991 wurde dem Beschwerdeführer die (unbefristete) Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des Immobilienmaklergewerbes im Standort A gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 verweigert. Zur Begründung wurde - nach Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges - ausgeführt, der Erteilung der vom Beschwerdeführer beantragten Nachsicht stehe im vorliegenden Fall der Mangel des Vorliegens von Ausnahmegründen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 entgegen. Als ein nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 zu qualifizierender Ausnahmefall könne nämlich das Alter des im

52. Lebensjahr stehenden Nachsichtswerbers allein nicht angesehen werden. Auch die vom Beschwerdeführer geltend gemachte, durch die Führung eines Gastgewerbe- und eines Immobilienmaklergewerbebetriebes sowie den Betrieb einer Landwirtschaft hervorgerufene berufliche Belastung sei hiefür nicht geeignet, weil grundsätzlich im Berufsleben stehenden Personen, die der Altersgruppe des Beschwerdeführers angehören, die Aufwendung der für die Vorbereitung und Ablegung einer Prüfung erforderlichen Zeit und die damit verbundene kurzfristige Belastung - der Nachsichtswerber müsse bei der Prüfung ja nur jene Kenntnisse nachweisen, in deren Besitz zu sein er ja schon auf Grund seines Begehrens behauptet habe - noch zuzumuten sei. Abgesehen davon, sei es dem Nachsichtswerber zuzumuten, zwecks Erlangung des für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes vorgeschriebenen Befähigungsnachweises seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten einzuschränken und habe er auch nicht etwa in entsprechend konkretisierter Form dargelegt, inwiefern er durch seine beruflichen Verhältnisse an der Ablegung der Konzessionsprüfung gehindert sei.

Auch der vom Nachsichtswerber in Anspruch genommene alternative Ausnahmegrund nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit.b GewO 1973 liege im vorliegenden Fall nicht vor. Nach der Äußerung der Innung der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Sektion Gewerbe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol vom 19. November 1990 seien im politischen Bezirk Kufstein - neben dem mit der gegenständlichen Nachsicht zur Fortführung beabsichtigten - 12 und im angrenzenden politischen Bezirk Kitzbühel 22 das Immobilienmaklergewerbe befugt ausführende Gewerbebetriebe etabliert. Im Hinblick auf die relativ große Zahl der in den nach der örtlichen Lage des gewählten Standortes hier in Betracht zu ziehenden politischen Bezirke Kufstein und Kitzbühel bereits bestehenden gleichartigen Betriebe könne in Ansehung der Art der mit dem gegenständlichen Gewerbe verbundenen Leistungen nicht angenommen werden, daß im Bereich des gewählten Standortes eine außergewöhnliche Bedarfssituation gegeben sei. An dieser Beurteilung vermöge weder der Umstand, daß mit der beantragten Nachsicht ein bestehender Betrieb fortgeführt werden solle, noch das Vorbringen des Nachsichtswerbers, daß das gesamte "Sölland" mit den Gemeinden Ellmau, Scheffau, Söll sowie den angrenzenden Gemeinden Going, Schwoich und Itter ohne Makler seien, etwas zu ändern, zumal nicht in jeder Gemeinde in Österreich ein eigener derartiger Gewerbebetrieb anzutreffen sei. Die Annahme eines auf Grund des Vorliegens besonderer örtlicher Verhältnisse vorhandenen öffentlichen Interesses an der Nachsichtserteilung sei daher nicht begründet. Da somit kein Ausnahmegrund (§ 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973), der die Erteilung der Nachsicht zu rechtfertigen vermöge, vorliege, bedürfe es keines Eingehens auf die weitere Nachsichtsvoraussetzung der vollen tatsächlichen Befähigung des Nachsichtswerbers zur Ausübung des angestrebten Gewerbes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Seinem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich der Beschwerdeführer in dem auf § 28 GewO 1973 gegründeten Recht auf Nachsichtserteilung als verletzt.

Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde stütze sich bei ihrer Entscheidung im wesentlichen auf den angeblichen Mangel des Vorliegens von Ausnahmegründen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973. Es könne allein das Alter des im 52. Lebensjahr stehenden Nachsichtswerbers nicht als ein nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 zu qualifizierender Ausnahmefall angesehen werden. Bei dem im § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 normierten Ausnahme- bzw. Nachsichtstatbestand "Alter" handle es sich um einen sogenannten unbestimmten Gesetzesbegriff, der mit dem Ermessen eines gemein habe, daß auch er dem Vollzugsorgan einen gewissen Spielraum gebe. Sei der Gesetzesbegriff unbestimmt, ohne, daß dies bereits zur Verfassungswidrigkeit des betreffenden Gesetzes führe, seien mehrere verschiedene Akte des Vollzugsorganes möglich, die rechtmäßig seien. Gerade in diesem Punkte sei der Beschwerdeführer der Auffassung, daß die belangte Behörde eine Auslegung des Begriffes "Alter" vorgenommen habe, die im unbestimmten Gesetzesbegriff ihre Deckung nicht finde. Gehe man davon aus, daß ein im

52. Lebensjahr stehender Nachsichtswerber ca. 3/4 der möglichen aktiven Berufszeit zurückgelegt habe, stelle sich bei der vorliegenden Auslegung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffes die Frage, wann der im Gesetz normierte Ausnahmetatbestand dann noch sinnvollerweise zu greifen habe. Im übrigen sei auf die bereits im Verfahren vorgebrachte rechtliche Auffassung zu verweisen, daß gegen die Bestimmung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a und b GewO 1973 keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestünden. Die Merkmale des § 28 Abs. 1 GewO 1973 legten das Verhalten der Behörde in einer Weise fest, durch die die Annahme eines freien Ermessens im Sinne des "§ 31 Abs. 2 B-VG" (gemeint wohl: Art. 130 Abs. 2 B-VG) ausgeschlossen werde.

Der angefochtene Bescheid leide an erheblichen Begründungsmängeln, zumal er sich auf lediglich einer Viertelseite damit auseinandersetze, warum der als Ausnahmefall gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 beantragte Nachsichtsgrund bei einem im 52. Lebensjahr stehenden Nachsichtswerber nicht gegeben sei. Die Feststellung, daß die Ablegung einer Konzessionsprüfung und damit verbunden die Aufwendung der für die Vorbereitung und Ablegung dieser Prüfung erforderlichen Zeit für einen im Berufsleben Stehenden zuzumuten sei, sei keine hinreichende Begründung, warum im gegenständlichen Fall bei einem im 52. Lebensjahr stehenden Antragsteller der Nachsichtsgrund "Alter" nicht gegeben sei. In keiner Weise werde über den Umstand, "daß der Antragsteller bereits über 10 Jahre handelsrechtlicher Geschäftsführer der MN-Ges.m.b.H ist und demzufolge sowohl die kaufmännisch - als auch die berufsfachlichen Voraussetzungen für das Immobilienmaklergewerbe klaglos erbringt", eine Feststellung getroffen.

§ 28 Abs. 1 GewO 1973 lautet:

"(1) Sofern eine Verordnung gemäß § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis - ausgenommen vom Erfordernis der Zusatzprüfung gemäß § 99 oder § 102 - zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und

1.a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen und

2. keine Ausschließungsgründe gemäß § 13 vorliegen."

Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist lediglich in Streit, ob die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a vorliegen.

Vorweg ist zu bemerken, daß § 28 Abs. 1 GewO 1973 die Behörde nicht zur Ermessensübung ermächtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1980, Slg. N. F. Nr. 10.151/A). Der Beschwerdeführer ist daher insoweit im Recht, daß die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Merkmale des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 das Verhalten der Behörde in einer Weise festlegen, durch die die Annahme eines freien Ermessens im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG ausgeschlossen wird. Die Auslegung eines derartigen unbestimmten Gesetzesbegriffes unterliegt im Unterschied zur Handhabung des behördlichen Ermessens der vollen Prüfung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis vom 25. Jänner 1978, Slg. N. F. Nr. 9481/A).

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde diesen Begriff in rechtswidriger Weise ausgelegt habe:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis u.a. das Vorliegen der vollen (nicht etwa nur einer "hinreichenden") Befähigung. In diesem Sinn umfaßt die Nachsicht nicht die Befähigung (die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen), sondern allein den - normativ - geforderten Nachweis dieser Befähigung (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 30. Jänner 1990, Zl. 88/18/0361).

Ausgehend davon kann der Verwaltungsgerichtshof keine rechtswidrige Gesetzesanwendung darin erblicken, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Nachsichtsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 nicht als gegeben erachtete. Abgesehen davon, daß in der Beschwerde lediglich allgemein auf das Alter des Beschwerdeführers hingewiesen wird, kann nämlich auch unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung das Alter des nach den Beschwerdeausführungen im 52. Lebensjahr stehenden Beschwerdeführers weder für sich allein gesehen noch auch im Zusammenhang mit der im Verwaltungsverfahren geltend gemachten beruflichen Belastung als Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines Ausnahmegrundes nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 angesehen werden, zumal insbesondere auch die zeitliche Inanspruchnahme ausschließlich durch die im Zusammenhang mit der Ablegung einer Prüfung über ein vom Beschwerdeführer offensichtlich von ihm als vertraut und beherrscht angesehenes Wissensgebiet in Betracht zu ziehenden Umstände bestimmt wird (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. September 1982, Zl. 82/04/0001, in dem der Gerichtshof eine entsprechend vergleichbare Annahme der dort belangten Behörde bei einem geltend gemachten Alter des Beschwerdeführers von 53 Jahren als nicht rechtswidrig ansah). Daß aber etwa die Beurteilung der beruflichen Situation des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde im Beschwerdefall unzutreffend erfolgt sei, wird in der Beschwerde nicht einmal behauptet.

Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof auch keinen entscheidungsrelevanten Verfahrensmangel zu erkennen, wenn in der Beschwerde als "erheblicher" Begründungsmangel - lediglich - geltend gemacht wird, die belangte Behörde habe sich im angefochtenen Bescheid auf nur einer Viertelseite damit auseinandergesetzt, warum der als Ausnahmefall gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973 beantragte Nachsichtsgrund bei einem im 52. Lebensjahr stehenden Nachsichtswerber nicht gegeben sei.

Wenn dabei als Verfahrensrüge in der Beschwerde geltend gemacht wird, es seien keine Feststellungen getroffen worden, daß der Antragsteller bereits über 10 Jahre handelsrechtlicher Geschäftsführer der MN-Ges.m.b.H. sei und demzufolge sowohl die kaufmännischen als auch die berufsfachlichen Voraussetzungen für das Immoblienmaklergewerbe klaglos erbringe, so vermag auch damit kein der belangten Behörde unterlaufener entscheidungsrelevanter Verfahrensmangel aufgezeigt zu werden. Ist doch u.a. das Vorliegen der vollen Befähigung VORAUSSETZUNG für die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis und - für sich allein - kein besonderer persönlicher Nachsichtsgrund nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a GewO 1973. Da die belangte Behörde ihre Entscheidung gar nicht auf den Mangel der Voraussetzungen der vollen Befähigung gegründet hat, sondern ihren abweislichen Abspruch über das Ansuchen des Beschwerdeführers (schon) auf den Mangel eines Nachsichtsgrundes nach § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 gründete, war die belangte Behörde gar nicht gezwungen, in ihren Begründungsdarlegungen auf den in der Beschwerde aufgezeigten Umstand einzugehen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH ErmessensentscheidungenBeweiswürdigung ErmessenBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Unbestimmte Begriffe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040110.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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