TE Vfgh Erkenntnis 1988/10/4 V13/88

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Veröffentlicht am 04.10.1988
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Verordnung des Gemeinderates der Stadt Innsbruck betreffend den Bebauungsplan im Stadtteil Wilten. Geviert Müllerstraße - Andreas Hofer-Straße - Schöpfstraße und Templstraße, beschlossen am 29.02.84 mit Zl VI-4204/1983
Tir RaumOG 1972 §8 Abs2 lita, §8 Abs2 lite
Tir RaumOG 1972 §19
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung eines Bebauungsplanes - Legitimation des ASt. insoweit gegeben als die Nutzungsart sein eigenes Grundstück betrifft Tir. RaumordnungsG §§8 Abs2 lita und e, 19 Abs1; Bebauungsplan im Stadtteil Wilten, beschlossen vom Gemeinderat der Stadt Innsbruck am 29. Feber 1984, ZVI-4204/1983 nicht gesetzwidrig - es liegt im Planungsermessen des Verordnungsgebers, Gebäudehöhe und Anzahl der Vollgeschosse anders festzusetzen, als es dem gegebenen Bauzustand entspricht

Spruch

Dem Antrag wird, soweit er die Grundstücke GP 341 und 342, EZ 581, Grundbuch 81136 Wilten betrifft, keine Folge gegeben.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem auf Art139 B-VG gestützten Antrag wird begehrt, der VfGH möge erkennen, "daß die V des Gemeinderates der Stadt Innsbruck betreffend den Bebauungsplan im Stadtteil Wilten, Geviert Müllerstraße - Andreas Hofer-Straße Schöpfstraße und Templstraße, beschlossen am 29.2.1984 mit Zahl VI - 4204/1983, gesetzwidrig ist", weil der Plan eine höchste Wandhöhe von 15.00 m vorsehe und die Zahl der Vollgeschoße mit vier beschränke.

Der Antragsteller bringt vor, er sei Miteigentümer der Liegenschaft EZ 581, Grundbuch 81136 Wilten, mit den Grundstücken GP 341 und 342. Für diese Grundstücke gelte der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 29. Februar 1984 zu Zahl VI - 4204/1983 beschlossene Bebauungsplan, der die Bebauung im Geviert Müllerstraße - Andreas Hofer-Straße - Schöpfstraße und Templstraße regle. Dieser Bebauungsplan sehe eine Wandhöhe von 15.00 m und eine Zahl von vier Vollgeschoßen vor. Der Bebauungsplan stimme mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht überein. Die Häuser Templstraße 2, 4, 6 und 8 (dieses Haus stehe auf dem Grundstück des Antragstellers) seien alle vor Erlassung des gegenständlichen Bebauungsplanes errichtet worden. Bei Erstellung des Bebauungsplanes wäre also auf die tatsächlichen Gegebenheiten Bezug zu nehmen gewesen.

Der Antragsteller führt sodann im einzelnen aus, daß die Häuser Templstraße 2, 4, 6 und 8 durchwegs Wandhöhen von über 15.00 m aufwiesen und fünf Vollgeschoße hätten.

Nach Darstellung der Umstände, die nach Ansicht des Antragstellers einen unmittelbaren Eingriff der bekämpften V in seine Rechtssphäre bewirken, verweist der Antragsteller auf die besondere Bedeutung der Bestandsaufnahme und meint, diese sei hier offenbar unrichtig erfolgt und sei keine ausreichende Grundlage für die Erlassung der V gewesen. Dies ergebe sich daraus, daß die Häuser Templstraße 2 bis 8 tatsächlich bedeutend höher seien, als sie es nach dem Bebauungsplan sein dürften, obwohl sie lange vor dessen Erlassung errichtet worden seien.

Der Bebauungsplan widerspreche im Ergebnis auch dem Ziel der örtlichen Raumordnung, in den besiedelten Gebieten die bestehende Bausubstanz auszunützen, um der Zielsetzung des §8 Abs2 litb des Tiroler Raumordnungsgesetzes, nämlich der Erhaltung zusammenhängender unverbaut bleibender landwirtschaftlich nutzbarer Flächen und Erholungsräume zu entsprechen. Jedwede Siedlungstätigkeit außerhalb des bebauten Gebietes müsse zu einer Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Flächen und Erholungsräume führen, da die Errichtung von Neubauten in der Regel auf unverbautem Gebiet erfolge. Die Verhinderung des vom Antragsteller ins Auge gefaßten Ausbaus des Dachgeschoßes Templstraße 8 durch die in der V festgelegte maximale Wandhöhe von 15.00 m führe im Ergebnis zu einer "Befriedigung des Bedarfes nach Wohnraum durch Verbauung von Grünflächen", da die Summe der Bautätigkeit und des Bedarfes gleich bleibe. Auch die Angabe der Geschoßflächen im Bebauungsplan sei offenbar unrichtig.

2. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Innsbruck hat in einer Äußerung die Abweisung des Antrages begehrt und hat die im Antrag angegebenen Ausmaße der Wandhöhen nicht in Zweifel gezogen.

Der Gemeinderat weist darauf hin, daß Ergebnisse einer Bestandsaufnahme im Verordnungserlassungsverfahren nie fixierte Vorgaben für den zu erlassenden Bebauungsplan sein könnten, da eine derartige Rechtsmeinung es im umgekehrten Falle auch nicht zuließe, eine Höherzonung in einem niedrig verbauten Gebiet vorzunehmen. Der Argumentation, der Bebauungsplan widerspreche im Ergebnis dem Ziel der örtlichen Raumordnung, hält der Gemeinderat entgegen, daß die in Rede stehende V sehr wohl Ziele der örtlichen Raumordnung verfolge, zumal dadurch die optimale Gliederung des Baulandes sowie die Erhaltung und der Schutz eines erhaltenswerten Orts- und Straßenbildes sichergestellt werde. Dies gelte insbesondere deshalb, weil durch die konkret vorgenommene Fixierung der Gebäudehöhe dem Bebauungsziel "Gebäudehöhe = Straßenbreite" im Stadtteil Wilten (bei geschlossener Blockrandbebauung) entsprochen werde.

II. Der Antrag ist, soweit er die im Miteigentum des Antragstellers stehenden Grundstücke GP 341 und 342, Grundbuch 81136 Wilten betrifft, zulässig (siehe die mit dem Erkenntnis VfSlg. 9260/1981 begonnene ständige Rechtsprechung des VfGH zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer, betreffend Bebauungspläne siehe insbesondere VfSlg. 10711/1985).

Im übrigen ist der Antrag zurückzuweisen, weil die Wirkungen der angefochtenen V, von denen sich der Antragsteller unmittelbar betroffen erachtet, nur in der Festlegung der Nutzungsart seines eigenen Grundstückes bestehen. Soweit sich das Begehren des Antragstellers über die in seinem Miteigentum stehende Liegenschaft hinaus auf alle vom Bebauungsplan erfaßten Grundstücke erstreckt, ist es daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl. zu Flächenwidmungsplänen VfSlg. 8463/1978 und 9361/1982).

Dies ändert nichts daran, daß der Antrag eines Eigentümers auf Aufhebung eines Planes über seine eigenen Grundstücke hinaus als den Erfordernissen des §57 VerfGG nicht entsprechend zur Gänze zurückzuweisen ist, wenn die Bedenken hinsichtlich des unmittelbar betroffenen - planlich abgrenzbaren (VfSlg. 11592/1987) - Grundstückes nicht in ausreichendem Maß individualisiert sind (s. VfSlg. 11226/1987, 11453/1987 und 11541/1987).

III. Der VfGH hat über den Antrag - soweit er zulässig ist - erwogen:

1. Der Legende des bekämpften Bebauungsplanes und einer Stellungnahme des Stadtbaudirektors der Stadtgemeinde Innsbruck in den Verordnungsakten ist zu entnehmen, daß der Bebauungsplan "die im nördlichen Teil des Straßengevierts vorhandene Blockrandbebauung mit geschlossener Bauweise und 15.00 m Wandhöhe weitgehend entsprechend dem Bestand, jedoch mit fünf zulässigen Vollgeschoßen" festgelegt hat. Auch wenn es zutrifft, daß die Wandhöhen sowohl auf dem Grundstück des Antragstellers als auch auf etlichen angrenzenden Liegenschaften etwas mehr als 15.00 m betragen, selbst wenn also die Bestandsaufnahme diesbezüglich zu allgemein gehalten oder sogar ein wenig ungenau gewesen sein sollte, führt das (noch) nicht zur Gesetzwidrigkeit der V.

Zwar hat der VfGH in seiner Judikatur wiederholt ausgesprochen, daß die vorhandenen Gegebenheiten bei der (hier gemäß §19 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes

vorzunehmenden) Bestandsaufnahme zu berücksichtigen sind (vgl. zB VfSlg. 9975/1984, S. 232), doch bildet die Bestandsaufnahme nur eine der Voraussetzungen für die Entscheidung des Verordnungsgebers. Der Antragsteller übersieht bei seiner Argumentation, daß eine Bedachtnahme auf den vorhandenen Bestand bei einer für die zukünftige Entwicklung bestimmten Planung nicht dazu führen kann, daß der vorliegende Zustand festgeschrieben werden muß, weil dann neue Planungsabsichten in vielen Fällen überhaupt nicht verwirklichbar wären.

Es liegt daher hier an sich durchaus (noch) innerhalb des dem Verordnungsgeber zustehenden Ermessens, bei seiner Planung - auch in einem gewissen Widerspruch zu den bestehenden Gegebenheiten - die Gebäudehöhe und die Anzahl der Vollgeschoße anders festzusetzen als es dem gegebenen Bauzustand entspricht. Diese Entscheidung des Gemeinderates steht auch mit den in §8 Abs2 lita und e des Tiroler Raumordnungsgesetzes enthaltenen Zielen der örtlichen Raumordnung (bestmögliche Anordnung und Gliederung des Baulandes sowie Schutz des Landschaftsbildes und erhaltenswerter Orts- und Straßenbilder) in Einklang.

Selbst wenn man - wie der Antragsteller - die Meinung vertreten würde, daß die Verringerung der Höhe von Wohngebäuden eine vermehrte Inanspruchnahme von Grünland für Wohnzwecke zur Folge hätte, würde dies ebenfalls nicht zur Gesetzwidrigkeit der hier bekämpften Verordnungsregelung führen, weil der Verordnungsgeber im Rahmen seines Ermessens sich für eines unter mehreren ihm zur Verfügung stehender Ziele der örtlichen Raumordnung entscheiden kann, auch wenn zwischen den einzelnen Zielsetzungen mitunter ein gewisses Spannungsverhältnis bestehen mag.

2. Da die geltend gemachten Bedenken somit insgesamt nicht zutreffen, ist dem Antrag - soweit er zulässig ist - keine Folge zu geben.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V13.1988

Dokumentnummer

JFT_10118996_88V00013_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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