TE Vwgh Erkenntnis 1991/5/28 90/07/0123

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Veröffentlicht am 28.05.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs3;
WRG 1959 §117 Abs1;
WRG 1959 §117 Abs2;
WRG 1959 §34 Abs1;
WRG 1959 §34 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde von 20 Beschwerdeführern gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Juni 1990, Zl. 15.643/02-I 5/90, betreffend Schutzgebiet und Schutzanordnungen für eine Brunnenanlage (mitbeteiligte Partei: Wasserverband Fernwasserversorgung Mühlviertel), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm für Grundstücke der Beschwerdeführer geänderte Schutzgebietsanordnungen ausgesprochen wurden, insbesondere indem die Bestimmungen des engeren Schutzgebietes auf bisher nur durch die Bestimmungen des weiteren Schutzgebietes belastete Grundstücke ausgedehnt wurden, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 14.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 1970 wurde das Vorhaben des mitbeteiligten Wasserverbandes Fernwasserversorgung Mühlviertel (in der Folge kurz: mP) betreffend die Fernwasserleitung Mühlviertel-Ost gemäß § 100 Abs. 2 WRG 1959 idF vor der Novelle BGBl. Nr. 252/1990 als bevorzugter Wasserbau erklärt.

Mit Bescheid vom 26. Juni 1970 hat der hiezu von der belangten Behörde gemäß § 101 Abs. 3 WRG 1959 ermächtigte Landeshauptmann von Oberösterreich (LH) der mP die nachgesuchte wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und Inbetriebnahme der Fernwasserversorgung Mühlviertel-Ost sowie zur Entnahme der hiefür benötigten Wassermenge aus dem Grundwasser auf der Gp. 2043 KG T. unter bestimmten Bedingungen und Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde der mP die Vorlage eines Detailprojektes "Wasserschutzgebiet" aufgetragen, über das in einem eigenen wasserrechtlichen Verfahren entschieden werden sollte.

Ebenfalls im Rahmen der ihm von der belangten Behörde erteilten Ermächtigung erließ der LH nach Durchführung einer wasserrechtlichen Verhandlung den Bescheid vom 8. November 1971, mit welchem projektsgemäß ein engeres und ein weiteres Schutzgebiet zur Sicherung der Reinhaltung und Ergiebigkeit der Quellfassung der mP festgesetzt wurde; gleichzeitig wurden die erforderlichen Schutzanordnungen getroffen.

Die Anlagen gemäß den genannten Bescheiden vom 26. Juni 1970 und vom 8. November 1971 wurden in der Folge errichtet und gemäß § 121 WRG 1959 wasserrechtlich überprüft (Bescheid des LH vom 17. Oktober 1977).

Mit Spruchpunkt I seines Bescheides vom 1. August 1979 erteilte der LH sodann der mP projektsgemäß die wasserrechtliche Bewilligung zur Entnahme von Grundwasser aus einem auf dem Grundstück Nr. 1717 KG D. zu errichtenden weiteren Brunnen zwecks Versorgung des Verbandsbereiches mit Trink-, Nutz- und Feuerlöschwasser sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür erforderlichen Anlagen. In Spruchpunkt II dieses Bescheides wurde auf Grund der §§ 34, 100 und 101 WRG 1959 zum Schutze der Ergiebigkeit und der Qualität für die bereits wasserrechtlich bewilligten Brunnen sowie zum Schutze des mit Punkt I dieses Bescheides wasserrechtlich bewilligten Brunnens (in Abweichung vom Bescheid des LH vom 8. November 1971) das weitere Schutzgebiet neu festgelegt; gleichzeitig wurden dafür neue Schutzanordnungen erlassen.

Zum Zwecke der wasserrechtlichen Überprüfung des neu bewilligten Brunnens, einer allfälligen Erhöhung des Maßes der Wasserbenutzung von 65 auf 100 l/s und zur Behandlung eines neuen Schutzgebietsvorschlages der mP ordnete der LH in der Folge für den 5. und 6. Juni 1984 eine wasserrechtliche Verhandlung an. Der Niederschrift über diese Verhandlung ist zu entnehmen, daß es seitens zahlreicher Parteien, darunter auch der nunmehrigen Beschwerdeführer, zu Einwendungen gegen das projektierte neue Schutzgebiet gekommen ist.

Nach Vorlage überarbeiteter Projektsunterlagen für das Schutzgebiet ordnete der LH eine weitere mündliche Verhandlung für den 18. und 19. Mai 1987 an.

Im Zuge der Parteienäußerungen erhob auch der nunmehrige Beschwerdevertreter namens sämtlicher Beschwerdeführer Einwendungen. Grundsätzlich wendete er ein, die ergänzende wasserrechtliche Bewilligung im Bescheid des LH vom 1. August 1979 sei nicht von der Bevorzugungserklärung der belangten Behörde umfaßt. Das Vorhaben der mP würde den Beschwerdeführern das von ihnen rechtmäßig genutzte Grundwasser entziehen und sie dadurch in ihrer Existenz gefährden. Es seien auch bereits beträchtliche Schäden durch die Austrocknung entstanden. Auch sei nichts hervorgekommen, was nunmehr eine Abänderung des bereits rechtskräftig festgestellten Schutzgebietes rechtfertigen würde. Ferner habe die mP Vorschläge der Sachverständigen nicht beachtet und ihr in der Verhandlung vom 5. und 6. Juni 1984 erteilten Aufträgen nicht entsprochen. Hierauf machte der Beschwerdevertreter namens der Beschwerdeführer ganz konkrete Beträge als Entschädigung für die zugefügten Nachteile geltend und berief sich dazu auf ein Privatgutachten.

Im weiteren Verlauf der Verhandlung gaben der ärztliche und der hydrologische Sachverständige ihre Gutachten ab, wobei der letztere detaillierte Vorschläge zum Umfang des engeren und des weiteren Schutzgebietes sowie des Fassungsgebietes und zu den für diese Gebiete zu treffenden Schutzanordnungen machte sowie zu der Frage Stellung nahm, aus welchen Gründen eine Abänderung der bereits festgelegten Schutzzonen erforderlich sei. Auch gab er eine Stellungnahme zu den von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen ab. Hierauf erstattete der beigezogene Sachverständige für Grundbewertung sein Gutachten über das Ausmaß der zu bestimmenden Entschädigungen, und zwar auch hinsichtlich der nunmehrigen Beschwerdeführer. Abschließend wurden noch Gutachten der Amtssachverständigen für Forsttechnik und für Wasserbautechnik erstattet.

Den vorgelegten Akten ist ferner zu entnehmen, daß die belangte Behörde in einem Schreiben vom 22. Juli 1987 dem LH gegenüber den Standpunkt eingenommen hat, der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom 1. August 1979 sei nicht von der ursprünglichen Bevorzugungserklärung miterfaßt, weshalb für die Behandlung der Erledigung der hier in Rede stehenden Angelegenheiten - einschließlich der Abänderung des bestehenden Schutzgebietes - die Zuständigkeit des LH im eigenen Namen gegeben sei.

Diese Auffassung teilte der LH hinsichtlich der Schutzgebietsfestsetzung nicht. Mit Schreiben vom 24. Februar 1988 legte er vielmehr den Verfahrensakt in diesem Umfang zuständigkeitshalber der belangten Behörde zur Entscheidung vor.

Mit Bescheid des LH vom 22. August 1988 wurde gemäß § 121 WRG 1959 festgestellt, daß die Anlage im wesentlichen entsprechend der wasserrechtlichen Bewilligung vom 1. August 1979 errichtet worden sei; das Maß der Wasserbenutzung für den betreffenden Horzontalfilterbrunnen wurde gleichzeitig endgültig mit 65 l/s festgesetzt. Über ein Schutzgebiet wurde mit diesem Bescheid, der von der belangten Behörde mit Bescheid vom 16. Dezember 1988 im Instanzenzug bestätigt wurde, nicht abgesprochen.

Die belangte Behörde holte im Verfahren über eine Neugestaltung des Schutzgebietes in der Folge noch zwei ergänzende Gutachten ihres wasserbautechnischen Amtssachverständigen ein, welcher sich wegen der Grundwassergefährdung durch die landwirtschaftliche Nutzung für eine Erweiterung des inneren und des äußeren Schutzgebietes aussprach. In einer Stellungnahme dazu verwiesen die Beschwerdeführer u.a. erneut auf ihren Entschädigungsanspruch. Die Erforderlichkeit einer Entschädigung der Beschwerdeführer wurde im Ergänzungsgutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen bestätigt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1990 hat die belangte Behörde "gemäß §§ 34 und 35 WRG 1959 - in Abänderung des im ministeriellen Namen erlassenen Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 1. August 1979, Wa-898/13-1979"

I. unter A-C das engere und das weitere Schutzgebiet sowie das Fassungsgebiet neu festgelegt und unter D-F für diese Gebiete die Schutzanordnungen neu bestimmt sowie unter G gemeinsame Bestimmungen zu A-F (örtliche Kennzeichnung, Beweissicherung etc) angeordnet und II. die gegen die Schutzgebiete und -anordnungen, insbesondere

gegen die Einbeziehung in Schutzgebiete gerichteten Einwendungen gemäß §§ 12 und 34 WRG 1959 abgewiesen und ausgesprochen, daß über Entschädigungsforderungen gemäß § 117 Abs. 2 WRG 1959 gesondert entschieden werden würde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde vorerst einen Überblick über das vorangegangene Verfahren. Nach der Aktenlage bestünden weder gegen die Notwendigkeit einer Konsenserhöhung noch auch gegen eine Schutzgebietsvergrößerung wie immer geartete Zweifel. Die Brunnenanlage Zirking diene der mP zur Versorgung eines 70 km langen Versorgungsgebietes mit 36 Gemeinden und ca. 70.000 Einwohnern. Es handle sich demnach um eine äußerst wichtige Grundwasserentnahme von öffentlichem Interesse. Aus eingeholten Gutachten ergebe sich, daß nur ein relativ kleiner Teil des jährlich neu gebildeten Grundwassers entnommen werde, der Grundwasserstand sei überdies durch die Stauerrichtung des Donaukraftwerkes M. angehoben und stabilisiert worden. Laut vorliegendem Projekt sei vorgesehen, das sogenannte engere Schutzgebiet sowie das weitere Schutzgebiet der gegebenen Situation und den neuen Erkenntnissen anzupassen, um eine ausreichende Sicherung des vorhandenen Grundwassers zu erreichen. Die Wasserbenutzung sei mit insgesamt 100 l/s behördlich festgelegt worden. Im Jahre 1979 sei im Zuge der Horizontal-Brunnenanlage ein Wasserschutzgebiet festgelegt worden, das nunmehr unter Würdigung der bakteriologisch wichtigen 50-Tage-Grenze und der für das gesamte Einzugsgebiet in etwa notwendigen 1-Jahres-Grenze endgültig abgegrenzt werden solle. Der sachverständigerseits erarbeitete einschlägige Maßnahmenkatalog lege dabei im wesentlichen der ordentlichen Bewirtschaftung im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft für das weitere Schutzgebiet keine besonderen Hindernisse in den Weg. Es sei praktisch die volle Bewirtschaftung im althergebrachten Sinn im weiteren Schutzgebietsbereich gewährleistet. Die im engeren Schutzgebiet vorgenommenen Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung seien im Interesse des Grundwasserschutzes geboten. In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde ausführlich dar, weshalb für das engere Schutzgebiet die 50-Tage-Grenze und im weiteren Schutzgebiet eine etwa einjährige Verweildauer des Grundwassers gewählt worden sei. Auf Grund der vorgeschlagenen Schutzgebietsauflagen könnten nun größere Verunreinigungen, die eine Gefährdung des Brunnens darstellten, nur mehr außerhalb des weiteren Schutzgebietes entstehen. Das Wasser aus der Brunnenanlage Zirking stelle für 70.000 Menschen im Bereich des östlichen Mühlviertels ein unbedingt erforderliches Lebensmittel dar. Es müsse daher bei der Schutzgebietsfestsetzung besonders sorgfältig vorgegangen werden; die vorgesehenen Größen stellten ohnehin nur das Minimum bzw. Kompromisse dar. Die Auflagen sollten die übliche landwirtschaftliche Nutzung nicht erschweren oder behindern, seien jedoch zur Reinhaltung des Wassers erforderlich. Die Abänderung der Schutzgebiete sei notwendig, weil die neuen hydrogeologischen Kenntnisse eine Anpassung der Grenzen erforderten. Dazu komme die besondere Bedeutung dieses Grundwasservorkommens und die Notwendigkeit der Verhinderung von Langzeitschäden. Die bisherige Grenze des weiteren Schutzgebietes habe einerseits keine einheitliche Abgrenzung einer Verweildauer herbeigeführt, andererseits habe sie nicht voll den hydrogeologischen Kenntnissen entsprochen. Jetzt könnten demgegenüber rechtzeitige und wirksame Schutzmaßnahmen im Schadensfall gesetzt werden. Im Jahre 1979 hätten die Sachverständigen nicht die heute vorhandenen umfangreichen Unterlagen zur Verfügung gehabt, auch hätten sich die Beurteilungskriterien zwischenzeitig geändert. Diese auf überzeugenden und schlüssigen Amtsgutachten beruhenden Tatsachen hätten durch bloße Gegenäußerungen einiger Liegenschaftseigentümer nicht erschüttert oder gar widerlegt werden können.

Was die Gegenäußerung der Beschwerdeführer betreffe, so seien diese insofern von der Änderung des Schutzgebietes betroffen, als ihre Grundstücke im Gegensatz zu früher nunmehr in das innere Schutzgebiet zu liegen kämen. Da der hohe Nitratgehalt im Grundwasser im wesentlichen auf den Einfluß der Landwirtschaft zurückgehe, seien die diesbezüglichen Einschränkungen aus der Sicht des Grundwasserschutzes notwendig und fachlich gerechtfertigt. Die mit dem verringerten bzw. gänzlich untersagten Düngereinsatz verbundenen vermögensrechtlichen Nachteile würden zu entschädigen sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich dadurch, daß ihre Grundstücke zum größten Teil nunmehr in das sogenannte engere Schutzgebiet einbezogen würden, sowie durch die ihnen auferlegten Benützungs- und Bewirtschaftungsbeschränkungen in ihrem subjektiven Recht auf ungehinderte und ordnungsgemäße Führung ihrer Landwirtschaftsbetriebe verletzt, darüber hinaus aber auch in ihrem Recht auf unmittelbare Festsetzung der ihnen gegebenenfalls zustehenden Entschädigungen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Die mP hat zur vorliegenden Beschwerde keine Gegenschrift

erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall hatte die belangte Behörde infolge der durch Zustellung an mehrere Verfahrensparteien noch vor dem Inkrafttreten der WRG-Novelle BGBl. Nr. 252/1990 (1. Juli 1990) erfolgten Erlassung des angefochtenen Bescheides das WRG 1959 in der VOR dieser Novelle geltenden Fassung anzuwenden (vgl. dazu Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 474 f, Anm. 2 zu § 56 AVG, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1963, Zl. 1918/62 = Slg. 6033/A). Da bei der im Beschwerdefall demnach anzuwendenden (alten) Rechtslage einerseits die Zuständigkeit der belangten Behörde für als bevorzugt erklärte Wasserbauten - und damit zufolge § 34 Abs. 1 WRG 1959 auch für die Bestimmung von Schutzgebieten für als bevorzugte Wasserbauten erklärte Wasserversorgungsanlagen - gegeben war, und andererseits die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Neubestimmung bzw. Erweiterung des Schutzgebietes jedenfalls auch dem Schutz der als bevorzugter Wasserbau erklärten Anlagenteile (Vertikalbrunnen) der mP dient, hat die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ihre Zuständigkeit gewahrt (§ 101 Abs. 2 WRG 1959; siehe dazu auch bereits das denselben angefochtenen Bescheid betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1991, Zl. 90/07/0118).

In der Sache ist den rechtlichen Erwägungen vorauszuschicken, daß unbestritten und in Übereinstimmung mit den in den Verwaltungsakten befindlichen Plänen und Grundstücksverzeichnissen Grundstücke sämtlicher Beschwerdeführer bereits früher in das mit dem angefochtenen Bescheid (zu ihrem Nachteil) veränderte Schutzgebiet einbezogen waren, daß die nunmehrigen Beschwerdeführer also (anders als jener zu hg. Zl. 90/07/0118) mit diesen Grundstücken nicht erst durch den angefochtenen Bescheid in das Schutzgebiet für die Brunnenanlage der mP einbezogen worden sind.

Es ist aktenkundig und unbestritten, daß der - insoweit im Namen der belangten Behörde erlassene - Bescheid des LH vom 1. August 1979, mit dem für die Brunnenanlage der mP zuletzt ein Schutzgebiet festgesetzt wurde, in Rechtskraft erwachsen ist, und zwar unter anderem auch gegenüber sämtlichen nunmehrigen Beschwerdeführern. Sich über eine rechtskräftige Entscheidung hinwegzusetzen, ist - wo nicht der Gesetzgeber ausdrücklich Abweichendes anordnet - jeder Behörde verwehrt. Es ist daher zu prüfen, ob der belangten Behörde gesetzliche Möglichkeiten offenstanden, die es ihr erlaubt hätten, im Wege des angefochtenen Bescheides in die Rechtskraft des Bescheides vom 1. August 1979 einzugreifen.

Die Bestimmung von Schutzgebieten für Wasserversorgungsanlagen und die Erlassung dafür erforderlicher Schutzanordnungen gründet sich auf § 34 Abs. 1 WRG 1959. Erst durch die WRG-Novelle BGBl. Nr. 252/1990 wurde dieser Bestimmung ein letzter Satz hinzugefügt, wonach die Änderung solcher Anordnungen zulässig ist, wenn der Schutz der Wasserversorgung dies gestattet oder erfordert. Auf die dadurch den Wasserrechtsbehörden eröffnete Möglichkeit eines Eingriffes in rechtskräftige Schutzgebietsbescheide konnte sich indes der hier angefochtene Bescheid nicht stützen, weil auf ihn, wie gesagt, das WRG 1959 noch in seiner Fassung vor der genannten Novelle anzuwenden war.

Auf § 68 AVG hat sich die belangte Behörde zur rechtlichen Begründung ihrer Vorgangsweise nicht berufen. Gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Der Sinn der damit als allgemein verbindlich normierten materiellen Rechtskraft eines Bescheides ist darin gelegen, daß eine Angelegenheit bei unverändertem Sachverhalt nicht neuerlich aufgerollt werden kann (vgl. dazu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S 670, angeführte Judikatur). Im Sachverhalt aber hat sich seit der Erlassung des Bescheides vom 1. August 1979 nach der Aktenlage nichts geändert, auch die belangte Behörde beruft sich nicht auf eine derartige Änderung. Alle Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, mit denen die vorgenommenen Änderungen gerechtfertigt werden, nehmen bloß auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Betrachtungsweisen Bezug, aus denen nunmehr eine - strengere - Beurteilung der Schutzmaßnahmen abzuleiten sei.

Auf Maßnahmen im Sinne der Abs. 2 bis 4 des § 68 AVG (in Betracht kämen wohl nur solche nach Abs. 3) hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht verwiesen. Es fehlt dem angefochtenen Bescheid hiezu auch an jedweder Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist vielmehr nur die - für den Zeitpunkt seiner Erlassung unzutreffende - Auffassung zu entnehmen, es stehe der belangten Behörde jedenfalls zu, die Anlagen der mP durch eine auf sachverständiger Grundlage für zweckmäßig erachtete Änderung des Schutzgebietes und der Schutzanordnungen, ungeachtet entgegenstehender subjektiver Rechte etwa der Beschwerdeführer und in Abweichung von dem vorangegangenen, in Rechtskraft erwachsenen Schutzgebietsbescheid, zu schützen.

Die Beschwerdeführer machen daher mit Recht geltend, daß die Rechtskraftwirkung des Schutzgebietsbescheides vom 1. August 1979 zur Folge hatte, daß ihnen ein Rechtsanspruch darauf zustand, daß der ihr Grundeigentum erfassende Schutzbereich außerhalb der im § 68 Abs. 3 AVG angeführten Fälle nur bei einer maßgeblichen Änderung jenes Sachverhaltes abgeändert hätte werden können, welcher der seinerzeitigen Festlegung des Schutzgebietes zugrunde lag (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1969, Zl. 1171/68 = Slg. 7581/A). Die darin gelegene inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen entbehrlich.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich darüber hinaus noch veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß abgesehen davon, daß das bisherige Verfahren bereits Ermittlungsergebnisse auch zur Entschädigungsfrage erbracht hat, grundsätzlich davon auszugehen ist, wie sich aus § 34 Abs. 4 WRG 1959 in Verbindung mit § 117 Abs. 2 dieses Gesetzes ergibt, daß die Trennung des Ausspruches über die Verpflichtung zur Duldung von Beschränkungen in der Bewirtschaftung und Benutzung von Grundstücken nach § 34 Abs. 1 WRG 1959 von der Bestimmung einer Entschädigungsleistung dem Gesetz entsprechend nur ausnahmsweise erfolgen soll (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1987, Zl. 87/07/0041 = Slg. 12534/A, und die dort angeführte Vorjudikatur). Zumindest mußte die Frage, ob für die Wirtschaftserschwernisse dem Grunde nach eine Entschädigung gebührt, gleichzeitig mit der Festlegung des Schutzgebietes entschieden werden (vgl. dazu Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Juni 1977, Zl. 1754/74 = Slg. 9345/A, und vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/07/0054).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im spruchmäßigen Umfang als inhaltlich rechtswidrig. Er war demnach insoweit (vgl. zur Trennbarkeit das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/07/0054) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2, 50 sowie 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990070123.X00

Im RIS seit

12.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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