Index
90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §76 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des H gegen die Bezirkshauptmannschaft Weiz wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch vorläufige Abnahme des Führerscheines, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus der Beschwerde, der Gegenschrift der belangten Behörde und den von ihr vorgelegten Aktenunterlagen, der Replik des Beschwerdeführers zur Gegenschrift, den Aussagen der als Zeugen vernommenen zwei Organe des Gendarmeriepostens Weiz und der abschließenden Stellungnahme des Beschwerdeführers ergibt sich folgender unbestrittener Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer stieß am 3. Mai 1990 um ca. 4.00 Uhr mit dem von ihm gelenkten Pkw gegen ein Brückengeländer. Dabei wurde das Fahrzeug derart beschädigt, daß es kurz danach nicht mehr betriebsbereit war und abgestellt werden mußte. Der Beschwerdeführer begab sich zu Fuß nach Hause und legte sich schlafen. In der Folge wurde er als Lenker des verunfallten Fahrzeuges ausgeforscht. Zwei Beamte des Gendarmeriepostens Weiz suchten daraufhin den Beschwerdeführer in seiner Wohnung auf und stellten bei ihm deutliche Alkoholisierungsmerkmale fest. Einer Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftprobe mit einem Alcomat-Gerät auf dem Gendarmerieposten kam der Beschwerdeführer nach. Das Meßergebnis betrug um 9.47 Uhr 0,55 mg/l und um 9.49 Uhr 0,60 mg/l. Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer um 10.00 Uhr der Führerschein vorläufig abgenommen.
Gegen diese Maßnahme richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 76 Abs. 1 KFG 1967 haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er unter anderem infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Diese Annahme wird unter anderem dann nicht gerechtfertigt sein, wenn die gegebenen Umstände darauf schließen lassen, die betreffende Person habe eine allfällige vorangegangene Lenktätigkeit beendet, und nichts dafür spricht, sie werde ungeachtet ihres Zustandes ein Kraftfahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder versuchen, es in Betrieb zu nehmen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0146, und vom 12. Juni 1990, Zl. 89/11/0297).
Der Beschwerdeführer hält die vorläufige Abnahme seines Führerscheines deshalb für rechtswidrig, weil nicht zu besorgen gewesen sei, er werde in dem - von ihm für den Abnahmezeitpunkt nicht bestrittenen - durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug lenken. Er habe seinen betriebsunfähig gewordenen Pkw bereits Stunden zuvor abgestellt gehabt, sei von den Gendarmeriebeamten in seiner Wohnung angetroffen worden, und es habe nichts dafür gesprochen, daß er "unmittelbar nach der Amtshandlung um 10.00 Uhr oder danach" in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug lenken würde.
Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, der Beschwerdeführer habe unmittelbar nach der Atemalkoholmessung den Gendarmeriebeamten gegenüber erklärt, er benötige seinen Führerschein, da er um 12.00 Uhr auf der Grazer Messe sein müsse. Den Beamten sei damit klar gewesen, daß dem Beschwerdeführer offenbar ein anderes Fahrzeug für die Fahrt nach Graz zur Verfügung stehe und daß er dieses auch in Betrieb nehmen würde. Sie hätten weiters davon ausgehen können, daß der Beschwerdeführer bis zum Antritt der Fahrt seine Alkoholisierung nicht so weit abbauen könne, daß ihm das Lenken des Kraftfahrzeuges ohne Alkoholbeeinträchtigung möglich gewesen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer unmittelbar nach der Messung seines Atemalkoholgehaltes den Gendarmeriebeamten Rev.Insp. K und Rev.Insp. N gegenüber erklärte, er müsse zu Mittag wieder in Graz sein und benötige dazu seinen Führerschein. Diese Annahme stützt sich auf die Aussagen der Genannten bei ihrer Vernehmung durch die belangte Behörde (am 28. Juni 1990) und in der Folge durch ersuchte Gerichte (durch das Bezirksgericht Weiz am 14. Jänner 1991 und durch das Bezirksgericht Mödling am 8. März 1991). Rev.Insp. N, der die Führerscheinabnahme vornahm, sagte am 28. Juni 1990 aus, der Beschwerdeführer habe als Reaktion auf den Alkotest erklärt, daß er um 12.00 Uhr auf der Grazer Messe sein und daher unter allen Umständen dorthin fahren müsse. Bei seiner Vernehmung durch das Bezirksgericht Mödling deponierte dieser Zeuge, der Beschwerdeführer habe von sich aus erklärt, daß er den Führerschein brauche, weil er nach Graz müsse. Er habe davon gesprochen, daß er zu Mittag dort sein müsse. Auch seine Schwiegermutter habe gleich beim Eintreffen der Gendarmeriebeamten in der Wohnung des Beschwerdeführers (gegen 9.30 Uhr) erklärt, sie müsse den Beschwerdeführer ohnedies aufwecken, weil er nach Graz müsse; dabei habe sie von Mittag gesprochen. Rev.Insp. K gab bei seiner Vernehmung am 28. Juni 1990 an, der Beschwerdeführer, der sehr gefaßt gewesen sei, habe nach Vornahme der Atemluftprobe sehr entschieden erklärt, daß er zu Mittag schon in Graz auf der Grazer Messe sein müsse und dazu seinen Führerschein benötige. Auch bei seiner Vernehmung durch das Bezirksgericht Weiz sprach dieser Zeuge davon, der Beschwerdeführer habe erklärt, daß er zu Mittag wieder in Graz sein müsse.
Die geschilderten Zeugenaussagen stimmen in den hier wesentlichen Punkten überein. Gründe, die Anlaß für Zweifel an der Glaubwürdigkeit der beiden Gendarmeriebeamten geben könnten, sind nicht ersichtlich. Derartige Zweifel vermag insbesondere auch der vom Beschwerdeführer aufgezeigte Umstand nicht zu erwecken, daß sich in der über die Führerscheinabnahme ausgestellten Bescheinigung keine Angabe über die in Rede stehende Äußerung des Beschwerdeführers findet. Rev.Insp. N erklärte dies bei seiner Vernehmung am 8. März 1991 nachvollziehbar damit, daß es sich bei der ausgestellten (der Beschwerde angeschlossenen) Bescheinigung um ein Formular handle, in dem lediglich bestimmte vorgegebene Varianten anzukreuzen seien, jedoch keine Spalte für eine gesonderte Begründung vorgesehen sei, weshalb er die Äußerung des Beschwerdeführers auch nicht angeführt habe. Im gegebenen Zusammenhang ist auch ohne Belang, wer von den beiden Gendarmeriebeamten welche Fragen betreffend den vorangegangenen Alkoholkonsum des Beschwerdeführers gestellt hat. Keine Stütze in der Aktenlage findet das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner abschließenden Stellungnahme, daß Rev.Insp. N nunmehr als Zeuge zu Protokoll gegeben habe, er könne "die in den Raum gestellte Äußerung 'zu Mittag' keiner Uhrzeit konkret zuordnen", während er am 28. Juni 1990 behauptet habe, es sei für ihn klar gewesen, daß der Beschwerdeführer um 12.00 Uhr in Graz sein müsse. In dem Vernehmungsprotokoll des Bezirksgerichts Mödling findet sich nämlich keine solche Aussage dieses Zeugen. Im übrigen nimmt der Gerichtshof nicht an, der Beschwerdeführer habe erklärt, "um 12.00 Uhr" in Graz sein zu müssen. Diese Angabe findet sich allein in der Aussage des Rev.Insp. N vom 28. Juni 1990. Sie wurde weder von diesem Zeugen bei seiner Vernehmung durch das BG Mödling am 8. März 1991 wiederholt noch durch die Aussagen des Zeugen Rev.Insp. K bestätigt.
Angesichts der Äußerung des Beschwerdeführers, daß er "zu Mittag in Graz" sein müsse und dazu seinen Führerschein benötige, konnten die Gendarmeriebeamten begründet die Befürchtung hegen, er werde in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehmen und lenken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bedurfte es hiezu zum einen nicht des konkreten Wissens, welches Fahrzeug er benützen werde. Angesichts seiner Behauptung, er benötige für die Fahrt nach Graz seinen Führerschein, konnten die Beamten davon ausgehen, der Beschwerdeführer werde sich für diesen Zweck ein Fahrzeug besorgen. Näherer Nachforschungen bedurfte es insoweit nicht. Zum anderen konnten die Beamten annehmen, daß der Beschwerdeführer bis zum Antritt der Fahrt die Alkoholbeeinträchtigung nicht abgebaut haben würde. Geht man nämlich davon aus, daß der Beschwerdeführer für die Fahrt von Weiz nach Graz etwa eine halbe Stunde benötigt hätte und er nach seinen Angaben bereits zu Mittag dort sein wollte, so mußten die Beamten jedenfalls damit rechnen, daß der Beschwerdeführer die Fahrt noch in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand antreten würde (vgl. das einen ähnlich gelagerten Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1990, Zl. 89/11/0297).
Aus all dem folgt, daß die einschreitenden Gendarmerieorgane am 3. Mai 1990 um 10.00 Uhr davon ausgehen konnten, es bestehe die begründete Besorgnis, der Beschwerdeführer werde in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehmen und lenken. Dies rechtfertigte die angefochtene Maßnahme. Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob auch Maßnahmen nach § 5 Abs. 3 StVO 1960 in Frage gekommen bzw. zulässig gewesen wären. Die gegen die vorläufige Abnahme des Führerscheines erhobene Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung brauchte schon deshalb nicht entsprochen zu werden, weil dieser Antrag erst in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 20. November 1990, somit nach Ablauf der Frist des § 39 Abs. 1 Z. 1 VwGG, gestellt wurde. Davon abgesehen sieht sich der Gerichtshof nicht veranlaßt, nach § 39 Abs. 1 Z. 2 VwGG vorzugehen, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110103.X00Im RIS seit
19.03.2001