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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art10 Abs1 Z9Leitsatz
Art139 Abs1 B-VG; zulässiger Individualantrag auf Aufhebung eines Tir. Bebauungsplanes - unmittelbare Anfechtbarkeit durch den Grundeigentümer gegeben Tir. RaumordnungsG 1972; die Übergangsbestimmung des §31 Abs3 ist nach Ablauf der gesetzlichen Fristen nur mehr solange anwendbar, als keine Modifikation eines Planes erfolgt; ein übergeleiteter (alter Plan) ist bei auch nur teilweiser Änderung nach diesem Zeitpunkt zur Gänze an den Bestimmungen des Tir. RaumordnungsG 1972 zu messen Bebauungsplan Nr. 85/d Wilten Süd vom Gemeinderat der Stadt Innsbruck beschlossen am 30. Juni bzw. 7. Juli 1960 wegen Widerspruchs zu §17 iVm. §16 Abs5 Tir. RaumordnungsG 1972 insoferne gesetzwidrig, als die für die Grundstücke des Ast. festgelegte Widmung als Verkehrsfläche keinem entsprechenden Verwendungszweck zugeführt wurdeSpruch
Der Bebauungsplan Nr. 85/d, Wilten-Süd, der Stadtgemeinde Innsbruck, vom Gemeinderat beschlossen am 30. Juni bzw. 7. Juli 1960, wird, soweit er die Gp. 542/1 und 541, KG Wilten als Verkehrsfläche festlegt, als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Die Stadtgemeinde Innsbruck ist schuldig, dem Antragsteller zu Handen seines Vertreters die mit S 22.000,-bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In dem auf Art139 B-VG gestützten Antrag wird begehrt, der VfGH wolle den Bebauungsplan Nr. 85/d der Stadtgemeinde Innsbruck "vom 28.11.1960" (richtig: vom Gemeinderat beschlossen am 30. Juni bzw. 7. Juli 1960), soweit er Teile der Liegenschaft EZ 474, bestehend aus den Gp. 542/1 und 541, KG Wilten als unbebaubare Verkehrsflächen festlegt, aufheben.
Der Antragsteller sei Eigentümer dieser Liegenschaft, welche mit dem Bebauungsplan Nr. 85/d (zum Großteil) als unbebaubare Verkehrsflächen gewidmet worden sei.
Der Antragsteller habe am 30. November 1983 unter Hinweis darauf, daß der Großteil dieser ihm gehörenden Liegenschaft bereits seit Kriegsende und schließlich mit dem genannten Bebauungsplan "mit einem Bauverbot belegt" sei, beim Stadtmagistrat Innsbruck den Antrag auf Einlösung der gesamten Liegenschaft gestellt. Dieser Antrag sei jedoch abschlägig beschieden worden. Bei mehrmaligen Vorsprachen sowie in einem Schreiben des Stadtmagistrats an den Antragsteller vom 31. Jänner 1984 sei der Antragsteller darauf hingewiesen worden, daß sich der Bereich, in dem sich die Liegenschaft befinde, noch im straßenbaumäßigen Planungsstadium befinde. Der Antragsteller sei "zunächst unrichtigerweise" darauf hingewiesen worden, daß es Sache des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) wäre, eine allfällige Grundeinlösung durchzuführen. In der Folge sei diese Auskunft dahingehend modifiziert worden, daß das Bauverbot "für Zwecke des Bundesstraßenbaus" verhängt worden sei.
Der Antragsteller habe sich daraufhin "aufgrund des über 25 Jahre bestehenden Bauverbots" an die Volksanwaltschaft gewendet. Diese habe den Antragsteller dahingehend unterrichtet, daß nach einer Stellungnahme des Bundesministers für Bauten und Technik im Hinblick auf das Bundesstraßengesetz einer Bebaubarkeit der Grundstücke nichts entgegenstünde. Der Antragsteller habe daraufhin neuerlich mit Vertretern der Stadtgemeinde Innsbruck Kontakt aufgenommen und diese auf die Stellungnahme des Bundesministers für Bauten und Technik hingewiesen. Dieser neuerliche Versuch, eine Aufhebung des Bauverbots bzw. eine Einlösung der Liegenschaft zu erreichen, sei abermals ohne Ergebnis geblieben.
Der Antragsteller erblickt in dem Umstand, daß die Liegenschaft aufgrund des bekämpften Bebauungsplans seit nunmehr über 25 Jahren "im Hinblick auf vage Planungen" nicht bebaut werden dürfe, ohne daß eine entsprechende Ablöse vorgenommen worden sei, einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht (Art1 Abs1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK). Es müsse nämlich ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen des öffentlichen Interesses und den Anforderungen der Wahrung des Grundrechts des Einzelnen bestehen. Durch das über Jahrzehnte bestehende Bauverbot sei dieses Gleichgewicht zu Lasten des Antragstellers gebrochen worden. Der Antragsteller verweist zu einem 23-jährigen und einem 25-jährigen Bauverbot auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. September 1982, Fall Sporrong und Lönnroth (EuGRZ 1983, S. 523ff).
Im Antrag wird sodann noch ausgeführt, daß die Rechtssphäre des Antragstellers durch die bekämpfte Verordnungsstelle unmittelbar beeinträchtigt werde.
2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck hat in einer Äußerung die Abweisung des Antrages begehrt und ausgeführt, die bekämpfte V stütze sich auf die damals in Geltung gestandene Innsbrucker Bauordnung, LGBl. 31/1896. Die Gründe für die Erlassung dieser V, insbesondere was die Verkehrsflächen und somit die normierten Straßenfluchtlinien betreffe, seien im wesentlichen in der seinerzeit bevorstehenden Abhaltung der Olympischen Winterspiele 1964 gelegen. Schon damals sei der Ausbau der Kreuzung Leopoldstraße mit dem Südring in zwei Ausbaustufen ins Auge gefaßt worden. Nachdem sich in den Jahren nach den ersten Olympischen Winterspielen in Innsbruck im konkreten Kreuzungsbereich der Straßenverkehr überproportional entwickelt habe und die in Rede stehende Kreuzung heute zu den meist befahrenen im Stadtgebiet von Innsbruck zähle, habe die Absicht der Erstellung einer kreuzungsfreien, zweigeschoßigen Kreuzungslösung durch die Stadtgemeinde Innsbruck weiterhin bestanden.
In den letzten Jahren - heißt es in der Äußerung des Gemeinderates weiter - seien der Stadtbevölkerung mehrere Ausbauvarianten vorgestellt worden, eine endgültige Entscheidung stoße jedoch auf Schwierigkeiten, weil in der Finanzlage des Bundes (Straßenerhalter) "eine den Ausbau nicht befürwortende Änderung" eingetreten sei. Dessen ungeachtet bestehe für die Stadtgemeinde Innsbruck ein vordringliches Anliegen, den in Rede stehenden Kreuzungsbereich verkehrssicher und zugleich verkehrsflüssig umzugestalten.
Der bekämpfte Bebauungsplan Nr. 85/d sichere somit in seinen Festlegungen, insbesondere durch die angefochtenen Straßenfluchtlinien, einen zwar im Detail noch nicht abgeklärten, jedoch immerhin konkreten Bedarf der Stadtgemeinde Innsbruck nach Ausbau einer Kreuzung. Straßenbauten in städtischen Kerngebieten müßten erfahrungsgemäß über längere Zeiträume geplant werden und die entsprechenden Flächenwidmungs- und Bebauungspläne auch dementsprechend über längere Zeiträume Bestand haben.
In einer ergänzenden Äußerung weist der Stadtmagistrat Innsbruck darauf hin, daß die Gp. 541 und 542/1 in allen Varianten der Neugestaltung des Kreuzungsbereiches in einem Ausmaß beansprucht würden, welches die verbleibenden Restflächen nicht mehr zweckmäßig nutzen lasse. Die Grundstücke wären daher im Zuge eines Grundeinlösungsverfahrens nach dem Bundesstraßengesetz auf Verlangen des Eigentümers zur Gänze einzulösen.
3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten teilte dem VfGH über dessen Aufforderung mit, die Planungen für die Bundesstraße B 174 Innsbrucker Straße im Bereich Wilten seien in engem Zusammenhang mit den Planungen für eine Anschlußstelle "Innsbruck Mitte" der A 12 Inntal-Autobahn zu sehen. Der Landeshauptmann von Tirol (Bundesstraßenverwaltung) sei im Jahre 1985 ersucht worden, neben der Möglichkeit der Errichtung einer Vollanschlußstelle "Innsbruck Mitte" auch die Möglichkeit der Errichtung einer Halbanschlußstelle zu prüfen und hinsichtlich der dabei zu erwartenden Verkehrsumlagerung Untersuchungen über einen reduzierten Ausbau der B 174, insbesondere im Bereich der Olympiabrücke und der Ausgestaltung der Kreuzungen, vorzulegen.
Weitere Veranlassungen der Bundesstraßenverwaltung seien dem Bundesminister nicht bekannt.
II. Der Antrag ist zulässig (siehe die mit dem Erkenntnis VfSlg. 9260/1981 begonnene ständige Rechtsprechung des VfGH zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen in Tirol durch den Grundeigentümer, zu Bebauungsplänen siehe insbesondere VfSlg. 10711/1985).
III. Der VfGH hat in der Sache erwogen:
1.a) Mit dem vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 30. Juni bzw. 7. Juli 1960 beschlossenen Bebauungsplan 85/d, Wilten-Süd, geltend für den Bereich zwischen Bahn und Neuhauserstraße, wurde (unter anderem) die Straßenfluchtlinie auf den Gp. 541 und 542/1 so festgelegt, daß große Teile dieser Grundstücke in den (nicht bebaubaren) Straßenbereich fallen.
Dieser Bebauungsplan wurde - wie sich aus den Verwaltungsakten, den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH und einer (ergänzenden) Mitteilung des Stadtmagistrats Innsbruck ergibt - hinsichtlich einer Reihe von die hier bekämpfte Widmung als Verkehrsfläche nicht berührender Festlegungen unter Anwendung der Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1972 (TROG, nunmehr wiederverlautbart als TROG 1984, LGBl. 4) abgeändert, und zwar mit den Beschlüssen des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 24. Jänner 1974, Zl. VI-8290/1973, vom 24. Jänner 1980, Zl. VI-2654/1979, vom 28. Juni 1984, Zl. VI-1097/2/1984 und vom 23. April 1987, Zl. VI-640/1987.
b) Im Hinblick auf diese Verordnungslage ist zunächst klarzustellen, an welchen gesetzlichen Bestimmungen der Bebauungsplan 85/d zu messen ist:
Nach der Übergangsbestimmung des §31 Abs3 TROG bleiben die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung gestandenen Verbauungspläne bis zur Erlassung der Flächenwidmungs- bzw. Bebauungspläne, die den Bestimmungen des TROG entsprechen, in Kraft. Der VfGH hat §31 Abs3 TROG in ständiger Rechtsprechung dahin interpretiert, der Gesetzgeber habe damit verhindern wollen, daß mit dem Inkrafttreten des TROG die bestehenden Verbauungspläne, wenn sie im Widerspruch zur neuen Rechtslage stehen, invalidieren; der Gerichtshof hat daraus weiters gefolgert, daß ein (übergeleiteter) Verbauungsplan nach wie vor an den gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich seine Erlassung stützte, zu messen ist (s. VfSlg. 8167/1977, 8425/1978, 10007/1984, 10446/1985 sowie VfGH 9.3.1988 V70/87).
In §31 TROG wurden dem Verordnungsgeber für die Schaffung neuer, den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechender Pläne Fristen gesetzt. Nach Absatz 1 des genannten Paragraphen hat jede Gemeinde der Landesregierung bis zum 30. Juni 1979 einen vom Gemeinderat beschlossenen Flächenwidmungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Im Absatz 2 ist festgelegt, daß innerhalb von 3 Jahren nach dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes jede Gemeinde einen Bebauungsplan für jene Flächen zu erlassen hat, für die nach den Bestimmungen des TROG die Verpflichtung zur Erlassung eines Bebauungsplanes besteht. Der Gesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er innerhalb dieser Fristen eine mit der neuen Gesetzeslage nicht übereinstimmende Verordnungslage (noch) toleriert.
Im Hinblick auf diesen Inhalt des Gesetzes vertritt der VfGH - in Fortentwicklung der oben angeführten Rechtsprechung zum Absatz 3 des §31 TROG - die Auffassung, daß diese Übergangsbestimmung nach Ablauf der gesetzlichen Fristen nur mehr solange anwendbar ist, als keine Modifikation des Planes nach den Bestimmungen des TROG erfolgt. Wenn also nach dem endgültigen Ablauf der beiden in §31 festgelegten Fristen - das ist also ab dem 1. Juli 1982 - in einem nach §31 Abs3 TROG übergeleiteten (alten) Plan - auch nur teilweise - neue, dem TROG entsprechende Festlegungen vorgenommen werden, dann ist der Plan (in der modifizierten Form) zur Gänze an den Bestimmungen des TROG zu messen. Die Worte "bis zur Erlassung der Flächenwidmungs- bzw. Bebauungspläne, die den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen," in §31 Abs3 TROG sind daher so zu verstehen, daß darunter jede Flächenwidmungs- oder Bebauungsnorm zu subsumieren ist, nicht nur (komplette) neue Flächenwidmungs- oder Bebauungspläne.
Eine andere Interpretation dieser Übergangsbestimmung würde dazu führen, daß durch das TROG längst (seit 1972) im allgemeinen außer Kraft gesetzte, alte gesetzliche Vorschriften (wie hier die aus dem Jahre 1896 stammende Bauordnung für die Landeshauptstadt Innsbruck, LGBl. 31) unbefristet und gleichsam in alle Ewigkeit weiterhin in Wirksamkeit blieben. Auch würde der Umstand, daß dann die verschiedenen Einzelheiten eines Planes an verschiedenen gesetzlichen Grundlagen zu messen wären, zu Unklarheiten führen und der Rechtssicherheit nicht förderlich sein. Es ist der Sinn einer Übergangsbestimmung, für einen bestimmten, begrenzten Zeitraum Möglichkeiten zur Anpassung zu geben, nicht aber, außer Kraft getretenen Vorschriften zu einer rechtlichen Existenz über Jahrzehnte hinweg zu verhelfen. Daß der Normsetzer des TROG ebenfalls von dieser Auffassung ausgegangen ist, ergibt sich nicht nur aus den Fristsetzungen für die Erlassung neuer Flächenwidmungs- und Bebauungspläne in den Absätzen 1 und 2 des §31, sondern vor allem aus dem ausdrücklichen Hinweis im ersten Satz des Absatzes 4, wonach das Bestehen eines Verbauungsplanes eine Gemeinde grundsätzlich nicht von der Verpflichtung befreit, innerhalb der in den Absätzen 1 und 2 bestimmten Fristen Flächenwidmungs- bzw. Bebauungspläne zu erlassen.
Der Inhalt des hier bekämpften Bebauungsplanes 85/d ist somit seit dem Inkrafttreten der Änderung durch den Gemeinderatsbeschluß vom 28. Juni 1984 - das ist seine erste ab dem 1. Juli 1982 erfolgte Modifizierung - zur Gänze an den Bestimmungen des TROG zu messen.
2. Es ist also zu prüfen, ob die bekämpfte Verordnungsbestimmung im Sinne der im Antrag vorgebrachten Bedenken, auf deren Prüfung sich der VfGH zu beschränken hat (vgl. zB VfSlg. 10354/1985), mit den Vorschriften des TROG in Einklang steht.
a) Wie bereits oben unter Pkt. 1.a) ausgeführt, wurden im Bebauungsplan 85/d mittels Festlegung der Straßenfluchtlinie auf den Gp. 541 und 542/1 Teile dieser Liegenschaften als Verkehrsfläche gewidmet, wobei es sich bei dieser Verkehrsfläche um eine Bundesstraße (B 174 Innsbrucker Straße, siehe Verzeichnis 3, Bundesstraßen B zum Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. 286) handelt.
b) Nach §9 Abs2 lita TROG hat die Bestandsaufnahme für Sonderflächen auch Bundes- und Landesstraßen zu umfassen. In der - demonstrativen - Aufzählung von Sonderflächen in §16 Abs1 TROG sind solche Straßen zwar nicht angeführt, sie können aber im Hinblick auf die Definition "Bauten und Anlagen, die aufgrund ihres Verwendungszweckes an einen bestimmten Standort gebunden sind oder für die ein bestimmter Standort besonders geeignet ist" in der litb des §16 Abs1 in Zusammenhalt mit §9 Abs2 lita als Sonderflächen in einem Plan Aufnahme finden, ebenso als - dem Durchzugsverkehr dienende Hauptverkehrsflächen im Sinne des §17 TROG (zur Möglichkeit, Grundflächen für Planungen und Bodennutzungsfestlegungen zu "reservieren" vgl. Rill, Die Stellung der Gemeinden gegenüber Bund und Ländern im Raumordnungsrecht, Wien 1974, S. 38f und Fröhler/Oberndorfer, Österreichisches Raumordnungsrecht, Linz 1975, S. 92; zur Funktion der Erklärung zu Vorbehaltsflächen im Interesse der Reservierung von Flächen für andere Planungsträger vgl. Korinek, Rechtliche Probleme der Anwendung von Raumordnungsgesetzen, Linz 1975, S. 34f).
Diese Auslegung des Gesetzes führt zu keinem kompetenzwidrigen Ergebnis, weil nach der Rechtsprechung des VfGH die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Bundesstraßenrechts nicht bedeutet, daß es dem Landesgesetzgeber verwehrt ist, die Gemeinden unter dem Gesichtspunkt des Baurechts zu ermächtigen, bei der Normierung von Bauverboten und Baubeschränkungen auf Projekte oder Planungen Bedacht zu nehmen, die Bundesstraßen betreffen. Der VfGH hat im Erkenntnis VfSlg. 7658/1975 darauf hingewiesen (S. 194), daß der zur Regelung des Baurechts zuständige Landesgesetzgeber öffentliche Interessen berücksichtigen dürfe, deren Wahrung dem Bund obliegt. Der Landesgesetzgeber dürfe auch bei der Erlassung von Normen, die die Bewilligung zur Errichtung von Baulichkeiten regeln, im öffentlichen Interesse und im Interesse der Bauwerber Vorsorge treffen, daß nicht Baulichkeiten errichtet werden, die voraussichtlich wieder abzutragen sein werden.
Weiters enthält §16 TROG in seinem Absatz 5 die für die Beurteilung des vorliegenden Antrages maßgebliche Bestimmung, daß dann, wenn ein als Sonderfläche gewidmetes Grundstück nicht innerhalb von 10 Jahren nach dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes bzw. der betreffenden Änderung des Planes einer dem festgelegten Verwendungszweck entsprechenden Verwendung zugeführt wird, die Widmung als Sonderfläche auf Antrag des Grundeigentümers aufzuheben ist.
Diese Gesetzeslage ist sowohl aus Gründen der Verfassungskonformität als auch der Systematik (auch im Hinblick auf §9 Abs2 lita TROG) dahin zu interpretieren, daß Hauptverkehrsflächen (in gewisser Hinsicht) als Sonderflächen zu behandeln sind. Damit enthält das Gesetz eine Regelung, welche das im Antrag bekämpfte und im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 23. September 1982, Fall Sporrong und Lönnroth (EuGRZ 1983, S. 523ff) als Verstoß gegen Art1 des ersten Zusatzprotokolls zur MRK qualifizierte Ergebnis (Bauverbot im Baugebiet wegen beabsichtigter Errichtung von Verkehrsflächen, welche aber durch Jahrzehnte nicht in Angriff genommen wurde) vermeiden läßt; eine Regelung übrigens, welche in ihrer Zielsetzung jener des Bundesstraßengesetzes 1971 (s. dessen §§14 und 15) entspricht.
c) Gegen diese Gesetzeslage verstößt die bekämpfte Verordnungsbestimmung aus folgenden Gründen:
Die Grundstücke des Antragstellers sind im bekämpften Plan zwar nicht ausdrücklich als Hauptverkehrsfläche oder als Sonderfläche bezeichnet, sie sind vielmehr - seit mehr als 10 Jahren - durch Festlegung der Straßenfluchtlinie sowie durch die entsprechende Färbelung auf dem Plan als Verkehrsfläche gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung entspricht im Inhalt durchaus einer Widmung als Hauptverkehrsfläche (Sonderfläche) gemäß §17 iVm §16 Abs1 litb TROG. Inwieweit die Widmung im einzelnen mit den Formerfordernissen des TROG vereinbart werden kann, ist hier vom VfGH nicht zu prüfen, da der Gerichtshof - wie bereits ausgeführt - an das Antragsvorbringen gebunden ist und Bedenken in diese Richtung nicht vorgebracht wurden.
Die Voraussetzung für die in §16 Abs5 TROG enthaltene Verpflichtung zur Aufhebung der Widmung ist nach Auffassung des VfGH gegeben, weil der Antragsteller zwar nach der Aktenlage einen ausdrücklichen Antrag auf Aufhebung der Widmung nicht gestellt, aber durch sein - wiederholtes - Herantreten an die Stadtgemeinde eindeutig den Wunsch zum Ausdruck gebracht hat, eine Änderung des bestehenden Zustandes zu erreichen, was - bei einer rechtsschutzfreundlichen Deutung - auch als Begehren auf Änderung der den Antragsteller störenden Widmung gewertet werden kann. Auch von seiten des Gemeinderates bzw. der Stadtgemeinde Innsbruck wurde im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht im geringsten in Abrede gestellt, daß dort die Wünsche des Antragstellers auf Änderung des bestehenden Zustandes hinsichtlich seiner Grundstücke genau bekannt waren.
3. Die bekämpfte Verordnungsbestimmung ist daher wegen Widerspruches zu §17 iVm §16 Abs5 TROG als gesetzwidrig aufzuheben.
Der VfGH hält im gegebenen Zusammenhang den Hinweis für angebracht, daß es der Stadtgemeinde Innsbruck zur Erreichung einer dem Gesetz entsprechenden Lage auch freistünde, bei Aufrechterhaltung ihrer generellen Planungsabsichten die Grundstücke des Antragstellers zu erwerben, worauf der Gemeinderat die (aufgehobene) Widmung abermals festlegen könnte.
4. Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf §61a VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.000,-enthalten.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, VfGH / Prüfungsmaßstab, Geltungsbereiche eines Gesetzes, Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Kompetenz Bund - Länder Straßenverwaltung, Kompetenz Bund - Länder Raumplanung, Auslegung eines AntragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:V138.1987Dokumentnummer
JFT_10118996_87V00138_00