TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/4 90/11/0231

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Veröffentlicht am 04.06.1991
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Siegmund X gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 31. Oktober 1990, Zl. 708.364/1-2.5/90, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am 15. April 1968 geborene Beschwerdeführer wurde am 21. November 1986 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden.

Mit Schreiben vom 20. Jänner 1987 beantragte er die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes und führte aus, die "Frächterei" stehe in nächster Zeit wegen familiärer Gründe vor der Teilung zwischen ihm und seinem Onkel. In vierzehn Tagen werde er "in Abendkursen die Konzessionsprüfung machen", um im Anschluß daran den Betrieb zu übernehmen.

Diesen Antrag wies das Militärkommando Kärnten mit Bescheid vom 16. Juni 1987 ab und führte begründend aus, das Transportunternehmen werde in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft geführt, an der je zur Hälfte die Mutter des Beschwerdeführers und sein Onkel beteiligt seien. Der Beschwerdeführer selbst sei im Betrieb als Lkw-Fahrer beschäftigt. Die Auflösung der offenen Handelsgesellschaft und die Gründung eines Einzelunternehmens durch die Mutter des Beschwerdeführers seien noch nicht durchgeführt worden. Im Unternehmen seien außer den Gesellschaftern und dem Beschwerdeführer neun Kraftfahrer und eine Bürokraft ganztägig tätig. Die Voraussetzungen für die Ablegung der Konzessionsprüfung durch den Beschwerdeführer seien nicht gegeben, weil die erforderliche Praxis von drei Jahren nicht nachgewiesen werden könne. Im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt seien besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen nicht gegeben.

Am 4. Oktober 1988 wurde dem Beschwerdeführer der Einberufungsbefehl zur Leistung des Grundwehrdienstes ab 2. Jänner 1989 zugestellt. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1988 beantragte er neuerlich die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes und führte aus, daß die "Firmentrennung" im Jahre 1987 durchgeführt worden sei und seither seine Mutter den Betrieb mit vier Fahrern und ihm führe. Am 22. März 1988 habe er die Konzessionsprüfung abgelegt. Die Mutter werde ihm den Betrieb Ende 1989 übergeben.

Anläßlich einer Vorsprache beim Militärkommando Kärnten am 28. Dezember 1988 ersuchte er, ihn für den Fall der Abweisung seines Befreiungsantrages "zum letztmöglichen ET seines Geburtsjahrganges einzuberufen (bis VII/90 zurückzustellen)". Mit Bescheid vom 28. Dezember 1988 wurde der oben genannte Einberufungsbefehl gemäß § 68 Abs. 2 AVG 1950 aufgehoben.

Mit Bescheid vom 14. Februar 1989 wies das Militärkommando Kärnten den Befreiungsantrag vom 25. Oktober 1988 ab und führte in der Begründung aus, Eigentümerin und Leiterin des Transportunternehmens sei die Mutter des Beschwerdeführers, die auch die Konzession besitze. Auf dem Unternehmen lasteten Verbindlichkeiten in der Höhe von ca. S 1,5 Mio und ein Rahmenkredit. Außer der Mutter des Beschwerdeführers, deren Arbeitsfähigkeit um 40 Prozent vermindert sei, und dem Beschwerdeführer stünden noch weitere vier Kraftfahrer als Arbeitskräfte zur Verfügung. Für die Dauer der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers sei ihr die Weiterführung des Unternehmens möglich und zumutbar, sodaß keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen vorlägen.

Am 3. April 1990 wurde dem Beschwerdeführer der Einberufungsbefehl zur Leistung des Grundwehrdienstes ab 2. Juli 1990 zugestellt. Mit Schreiben vom 13. April 1990 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes. Er begründete dies damit, daß seit der im Jahre 1987 erfolgten "Firmentrennung" seine Mutter den Betrieb allein geführt habe. Am 31. Dezember 1989 sei ihre "befristete Berechtigung zur Führung der Firma" erloschen. Am 1. Jänner 1990 sei die Umwandlung in eine Gesellschaft m.b.H. erfolgt, in der er seit diesem Zeitpunkt gewerberechtlicher Geschäftsführer sei. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sei es notwendig gewesen, größere Investitionen zu tätigen, weshalb derzeit ein finanzieller Engpaß bestehe. Die Verschuldung des Betriebes betrage ca. S 6,5 Mio. Für den Fall des Antrittes des Präsenzdienstes am 2. Juli 1990 hätte dies fatale Folgen für den Betrieb, da für den Beschwerdeführer kein Ersatz möglich sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 31. Oktober 1990 wurde dieser Antrag gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 Wehrgesetz 1990 abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, daß der Beschwerdeführer und seine im Jahre 1936 geborene Mutter Gesellschafter und Geschäftsführer der Gerfried X Nfg. Transportunternehmung Ges.m.b.H. seien. Vom Stammkapital dieser Gesellschaft in der Höhe von S 750.000,-- habe die Mutter eine Stammeinlage von S 712.500,-- und der Beschwerdeführer S 37.500,-- übernommen. Im Unternehmen seien zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beschwerdeführer sei Leiter des Unternehmens und werde von seiner Mutter vertreten. Auf dem Unternehmen lasteten Verbindlichkeiten in der Höhe von S 6,500.000,--. Im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer und seiner Mutter wohnten seine im Jahre 1969 geborene Schwester und sein im Jahre 1965 geborener Bruder, der in Wien Medizin studiere. Bei der Mutter des Beschwerdeführers bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 40 Prozent.

In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, beim Beschwerdeführer bestünden im Hinblick auf seine Beteiligung an der Gesellschaft wirtschaftliche Interessen, doch seien diese nicht besonders rücksichtswürdig. Dem Beschwerdeführer sei es im Hinblick auf die bevorstehende Einberufung zumutbar gewesen, entsprechende Dispositionen zu treffen. Der Beschwerdeführer sei der Verpflichtung zur Harmonisierung seiner privaten wirtschaftlichen Interessen mit seiner Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht entsprechend nachgekommen. Auch die beim Beschwerdeführer bestehenden familiären Interessen seien nicht besonders rücksichtswürdig, weil der Mutter des Beschwerdeführers unter vermehrter Mithilfe seiner im Unternehmen tätigen Schwester und unter fallweiser Unterstützung durch den Bruder des Beschwerdeführers die Leitung des Unternehmens zugemutet werden könne. Der Beschwerdeführer werde nach Maßgabe seiner dienstfreien Zeit, insbesondere an Wochenenden, Gelegenheit haben, im Unternehmen tätig zu sein. Bei vereinzelt anfallenden dringenden Arbeiten, die seine persönliche Anwesenheit im Unternehmen erforderlich erscheinen ließen, habe er die Möglichkeit, bei seinem Einheitskommandanten eine Dienstfreistellung im Sinne des § 53 Abs. 8 Wehrgesetz 1990 zu beantragen.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, er habe seine Harmonisierungspflicht verletzt, und führt in diesem Zusammenhang aus, im Juli 1987 sei das Unternehmen durch das Ausscheiden seines Onkels unvermutet führungslos geworden, weshalb er gezwungen gewesen sei, sofort in die Geschäftsführung des Unternehmens einzutreten. Dieser Umstand sei nicht vorhersehbar gewesen.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß von einem unvermuteten (im Sinne eines plötzlichen) Ausscheidens des Onkels nach der Aktenlage keine Rede sein kann, weil der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag vom 20. Jänner 1987 von einer beabsichtigten Teilung des Unternehmens gesprochen hat, das Ausscheiden des Onkels jedoch erst Monate später vollzogen wurde. Im übrigen ist der Beschwerdeführer in Ansehung der von ihm auf Grund seiner Eigenschaft als Gesellschafter geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen vorliegen, wenn der Wehrpflichtige seine wirtschaftlichen Dispositionen ohne Rücksicht auf die ihn treffende Wehrpflicht vorgenommen hat. Er darf nicht neue Tatsachen schaffen, um daraus in der Folge einen Befreiungstatbestand abzuleiten (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0069, vom 23. Jänner 1990, Zl. 89/11/0195, und vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0193). Der Beschwerdeführer wurde durch den Abschluß des Gesellschaftsvertrages am 15. Februar 1990 Gesellschafter jener zur Betriebsfortführung gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in die das Einzelunternehmen seiner Mutter eingebracht wurde. Er leitet seine wirtschaftlichen Interessen somit ausschließlich aus einer Tatsache ab, die er in Kenntnis seiner Präsenzdienstpflicht geschaffen hat. Seine wirtschaftlichen Interessen können daher im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht als besonders rücksichtswürdig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer meint, es habe nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie ein vitales wirtschaftliches Interesse bestanden, unverzüglich in die Geschäftsführung des Betriebes einzutreten, "da ein Familientransportunternehmen zwangsläufig ständig an der Rentabilitätsgrenze arbeitet und die Beiziehung eines angestellten Geschäftsführers die Finanzkraft des Betriebes gesprengt hätte".

Soweit der Beschwerdeführer damit besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen geltend machen will, ist ihm zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des Wehrpflichtigen einzurichten haben. Sie haben daher entweder ein auf der Mitarbeit des Wehrpflichtigen aufbauendes wirtschaftliches Engagement zu unterlassen oder so zu disponieren, daß der Wehrpflichtige während der Erfüllung der Präsenzdienstpflicht ausreichend vertreten werden kann (siehe dazu das Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 89/11/0175). Haben sie in Kenntnis der Präsenzdienstpflicht ihres Angehörigen wirtschaftliche Dispositionen getroffen, aus denen ihnen im Hinblick auf die präsenzdienstbedingte Abwesenheit des Wehrpflichtigen Nachteile drohen, so fehlt den damit im Zusammenhang stehenden familiären Interessen des Wehrpflichtigen die besondere Rücksichtswürdigkeit (siehe das Erkenntnis vom 28. Juni 1988, Zl. 88/11/0040).

Im vorliegenden Fall hat die Mutter des Beschwerdeführers nach der Aktenlage die Übernahme des Unternehmens in ihr Alleineigentum angestrebt, nachdem der zur Hälfe an der offenen Handelsgesellschaft beteiligte Gesellschafter (das ist der Onkel des Beschwerdeführers) die Gesellschaft nicht fortsetzen wollte. Die mit der Übernahme des Unternehmens ins Alleineigentum verbundenen Schwierigkeiten hat die Mutter des Beschwerdeführers dabei in Kauf genommen, obwohl sie von der Präsenzdienstpflicht ihres Sohnes wußte. Daß es keine andere Möglichkeit als die Übernahme des Unternehmens in das Alleineigentum der Mutter des Beschwerdeführers gegeben hat, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet und ist auch dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Wenn sich die Mutter des Beschwerdeführers dazu entschlossen hat, das Unternehmen ins Alleineigentum zu übernehmen, hatte sie auch die damit verbundene Konsequenz zu tragen, daß ihr allein die Führung des Unternehmens oblag. Daß sie der Beschwerdeführer dabei während der Dauer der Präsenzdienstleistung nicht im entsprechenden Maße unterstützen kann, mußte ihr dabei bewußt sein. Die der Mutter des Beschwerdeführers durch seine präsenzdienstbedingte Abwesenheit entstehenden Schwierigkeiten bei der Unternehmensführung können somit nicht die Befreiung wegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen begründen.

Bei diesem Ergebnis brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht näher eingegangen zu werden, insbesondere brauchte nicht geprüft zu werden, ob die die Kreditbelastung des Unternehmens im wesentlichen verursachende Anschaffung eines Spezialkranwagens nicht auf die Zeit nach der Präsenzdienstleistung hätte verschoben werden können, aus welchen Gründen nur der Beschwerdeführer, nicht aber die Chauffeure zur Durchführung kleinerer Reparaturen an den Fahrzeugen in der Lage sein sollen, dies obwohl der Beschwerdeführer nach der Aktenlage keine Ausbildung als KFZ-Mechaniker absolviert hat, sowie aus welchen Gründen die Mutter des Beschwerdeführers, die viele Jahre hindurch als Gesellschafter einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden offenen Handesgesellschaft und einige Jahre als Alleininhaberin an der Unternehmensführung beteiligt war und auch jetzt Geschäftsführerin der oben genannten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, nicht imstande sein soll, während der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers die im Rahmen der Unternehmensleitung notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990110231.X00

Im RIS seit

04.06.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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