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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §903;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Manfred N wegen Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Entfernung und darauffolgende Aufbewahrung eines Fahrrades durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Es ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer als Eigentümer und Lenker eines rot lackierten Fahrrades der Marke KTM - in der Folge nur als "Fahrrad" bezeichnet - dieses gegen 12.10 Uhr des 16. Oktober 1989 in einer Halte- und Parkverbotszone mit der Zusatztafel "ausgenommen Dienstfahrzeuge der Bundespolizei" vor dem Polizeiwachzimmer in Wien 3, Juchgasse 19, abstellte, daß der Sicherheitswachebeamte P dieses Fahrrad gegen 12.20 Uhr des genannten Tages ohne Wissen und Zutun des Beschwerdeführers vom Abstellort entfernte und in das genannte Wachzimmer schob; ferner, daß das Fahrrad gegen 12.50 Uhr des genannten Tages dem Beschwerdeführer ausgefolgt wurde.
Ein wegen Übertretung des § 24 Abs. 1 lit. a der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) gegen den Beschwerdeführer abgeführtes Strafverfahren, in welchem der Beschwerdeführer in erster Instanz schuldig erkannt worden war, am 16. Oktober 1989 von 12.10 Uhr bis 12.20 Uhr in Wien 3, Juchgasse 19, das Fahrrad in einer deutlich sichtbar beschilderten Halte- und Parkverbotszone, "ausgenommen Fahrzeuge der Bundespolizeidirektion Wien", geparkt zu haben - Übertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO -, wurde durch Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 12. Februar 1991 dahin beendet, daß der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG eingestellt wurde. Die Begründung dieses Berufungsbescheides ging dahin, daß der Beschwerdeführer mit dem Fahrzeug nur gehalten, nicht aber geparkt habe. Daher habe ihm die Übertretung nach § 24 Abs. 1 lit. a StVO nicht zur Last gelegt werden können; eine Tatauswechslung sei unzulässig.
Gegen die Entfernung und Aufbewahrung des Fahrrades als Maßnahme unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung mit Beschluß vom 22. Juni 1990, B 1447/89, ablehnte und mit weiterem Beschluß vom 6. August 1990 die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Sie langte dort am 7. August 1990 ein. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragte der Beschwerdeführer, die Entfernung des Fahrrades und dessen anschließende "Beschlagnahme bis zur Ausfolgung an den Beschwerdeführer" für rechtswidrig zu erklären (Art. 131a B-VG).
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung, allenfalls die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Zurückweisung der Beschwerde besteht kein Anlaß, zumal die belangte Behörde selbst in ihrer Gegenschrift die Beschwerde als zulässig bezeichnet. Gemäß Art. III Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 6. Juni 1990, BGBl. Nr. 330, war das am 1. Jänner 1991 anhängige Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.
Der VwGH hat auf Grund des Aktes Pst 12.441/Ls/89 der Bundespolizeidirektion Wien - Bezirkspolizeikommissariat Landstraße - und des Aktes MA 46-V Allg-10/74 der Magistratsabteilung 46 des Magistrates der Stadt Wien im Zusammenhalt mit dem Inhalt der Schriftsätze im verfassungsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren zusätzlich zu dem eingangs geschilderten unbestrittenen Sachverhalt festgestellt:
Am 30. Juli 1974 fanden in verschiedenen Bezirkspolizeikommissariaten der Bundespolizeidirektion Wien Ortsverhandlungen unter Leitung eines Beamten der Magistratsabteilung 46 statt. In einer dieser Verhandlungen wurde die Aufhebung des in Wien 3, Juchgasse, vor ONr. 19 bestehenden Parkverbotes und die Verordnung eines Halte- und Parkverbotes für Fahrzeuge aller Art, ausgenommen Dienstfahrzeuge der Bundespolizei, vor der genannten Örtlichkeit vorgeschlagen und von den Verhandlungsteilnehmern zustimmend zur Kenntnis genommen. Die Verordnung wurde am 8. August 1974 durch den zuständigen Abteilungsleiter der Magistratsabteilung 46 erlassen. In der Niederschrift über die erwähnte Ortsverhandlung war vorgesehen, daß die Firma A die entsprechenden Verkehrszeichen an der genannten Örtlichkeit aufstellen sollte. Nach einem Aktenvermerk vom 18. März 1975 wurden die Verkehrszeichen laut der genannten Verordnung durch Organe der Firma A aufgestellt; der Aktenvermerk ist mit einer Paraphe unterschrieben.
Das verordnete und kundgemachte Halte- und Parkverbot erstreckt sich auf ungefähr 8 m Länge. Gegen 12.10 Uhr des 16. Oktober 1989 bemerkte der Sicherheitswachebeamte P das ungefähr in der Mitte der Halteverbotszone senkrecht zum Fahrbahnrand abgestellte Fahrrad des Beschwerdeführers. Nachdem Erkundigungen des genannten Sicherheitswachebeamten im Wachzimmer nach dem Lenker des Fahrrades ergebnislos geblieben waren, wurde dieses ca. 10 Minuten nach seiner Entdeckung in das Wachzimmer gebracht, von wo es der Beschwerdeführer um
12.50 Uhr des genannten Tages abholte. Nach der Zeugenaussage des Leopold P hatte das Fahrrad die Zufahrt der Polizeifahrzeuge behindert; eine gleichlautende Aussage machte der Sicherheitswachebeamte S als Zeuge.
Diese Feststellungen konnten auf Grund der Zeugenaussagen der beiden Sicherheitswachebeamten im Verwaltungsstrafverfahren getroffen werden, zumal der Beschwerdeführer die Tatsache des Abstellens des Fahrrades gar nicht bestreitet; er behauptet nur, sein Fahrrad habe keine bestimmten Polizeifahrzeuge am Zufahren gehindert.
Rechtlich wurde erwogen:
Der Bfr brachte zur Frage der Erlassung und Kundmachung des Halte- und Parkverbotes in einem Schriftsatz vom 30. April 1991 vor, der Aktenvermerk im Sinne des § 44 Abs. 1 StVO sei ungenügend; es fehle die Angabe der Uhrzeit; auch fehle eine Unterschrift im Sinne des § 16 Abs. 2 AVG. Dem ist zu erwidern, daß gemäß § 44 Abs. 1, erster und zweiter Satz StVO die im § 43 bezeichneten Verordnungen grundsätzlich durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen sind und mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft treten. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§ 16 AVG) festzuhalten. Das Gesetz verlangt somit vom Inhalt dieses Aktenvermerkes nicht die Angabe "wo die eingesetzten Firmen und in welcher Weise diese tätig geworden sind". Aus dem oben geschilderten Inhalt des Aktes der Magistratsabteilung 46 ergibt sich eindeutig, daß sich der die Firma A erwähnende Aktenvermerk auf die Kundmachung des Halte- und Parkverbotes vor dem Bezirkspolizeikommissariat für den 3. Bezirk bezieht.
Der oben zitierte zweite Satz des § 44 Abs. 1 StVO besagt nicht, daß unter dem Zeitpunkt nur eine bestimmte Minute (oder gar Sekunde), nicht aber ein größerer Zeitraum, wie ein Tag, zu verstehen sei. Ist der Zeitpunkt der Kundmachung der Verordnung nur mit einem Tag angegeben, so treten - nach allgemeinen, im § 903, Satz 2 ABGB positivierten Rechtsgrundsätzen - die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen die kundgemachte Verordnung erst mit dem Ablauf dieses Tages ein.
Nach der Rechtsprechung des VwGHes (z.B. Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, Slg. N.F. Nr. 5423/F) ist die Unterschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Es ist nicht zu verlangen, daß die Unterschrift lesbar ist. Es muß aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt.
Die Fertigung des oben genannten Aktenvermerkes entspricht diesen Anforderungen, da aus ihr die Buchstaben "DPi" zu entnehmen sind. Es kann daher, geht man vom Personalstand der Magistratsabteilung 46 zur Zeit des Aktenvermerkes aus, kein Zweifel darüber bestehen, wer den Aktenvermerk unterfertigt hat.
Das Halte- und Parkverbot wurde somit rechtmäßig verordnet und vor dem 16. Oktober 1989 kundgemacht.
Gemäß § 89a Abs. 2 StVO in der Fassung der 14. Novelle hat die Behörde, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, der Verkehr beeinträchtigt wird, die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen. Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen sind im Falle der Unaufschiebbarkeit auch die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, unter den in Abs. 2 genannten Voraussetzungen die dort bezeichneten Gegenstände zu entfernen oder entfernen zu lassen. Als Organe der Straßenaufsicht kommen gemäß § 97 Abs. 1 StVO unter anderem die Organe der Bundessicherheitswache in Frage.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 22. März 1989, Zl. 88/18/0385) ist es bei Halte- und Parkverbotszonen mit einer Ausnahme zugunsten von Polizeifahrzeugen nicht notwendig, Feststellungen über eine konkrete Behinderung von Polizeifahrzeugen durch das abgestellte Fahrzeug zu treffen.
Daher waren die oben genannten Organe der Bundespolizeidirektion berechtigt, das Fahrzeug des Beschwerdeführers zu entfernen und aufzubewahren, auch wenn keine konkrete Behinderung von Polizeifahrzeugen bestand oder zu besorgen war.
Der Sachverhalt hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß das Fahrrad nicht nur aufbewahrt, sondern darüber hinaus auch beschlagnahmt worden wäre - der Umstand, daß es ohne weiteres dem Beschwerdeführer bei seiner Vorsprache ausgefolgt wurde, zeugt dagegen.
Da die unmittelbare Amtshandlung der Organe der Bundespolizeidirektion Wien somit durch § 89a Abs. 2 und Abs. 3 StVO gedeckt war, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 4 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Der Zuspruch des Aufwandersatzes hatte zugunsten der Gemeinde Wien zu erfolgen, da es sich bei der Juchgasse um eine Gemeindestraße handelt und die Organe der Bundespolizeidirektion Wien funktionsmäßig im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde Wien nach § 94d Z. 15 StVO tätig waren.
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Unterschrift Rechtsträger der belangten Behörde Mittelbare Bundesverwaltung UnterschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990180176.X00Im RIS seit
11.07.2001