TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/5 90/18/0260

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Veröffentlicht am 05.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/04 Erbrecht einschließlich Anerbenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §26 Abs1;
AVG §45 Abs2;
HöfeG Tir §8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde 1) der Alexandra N, 2) der Natalia N, 3) des Markus N und 4) der Irina N gegen den Bescheid der Landeshöfekommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 1. Oktober 1990, Zl. LHK-61/2, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Tiroler Höfegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer hinsichtlich der Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Höfekommission für die Gemeinde X vom 7. März 1962 war unter Berufung auf § 8 des Tiroler Höfegesetzes, LGBl. Nr. 47/1900, die Bewilligung zur Teilung der Parzelle Nr. 365/1, EZ 66 II KG. X, erteilt worden, wobei die Zustellverfügung wie folgt lautete: "Herrn Johann N ... zu Hd. d. Herrn Notar Dr. T."

Mit Schreiben vom 24. Jänner 1990 beantragten die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Erben des Johann N und nunmehrige Miteigentümer der in Rede stehenden Liegenschaft die Zustellung des erwähnten Bescheides mit der Begründung, daß dieser Bescheid weder an Johann N noch an seine Erben zugestellt worden sei.

Nachdem den Beschwerdeführern eine Ausfertigung dieses Bescheides zugestellt worden war, erhoben sie dagegen rechtzeitig die Berufung, in welcher sie geltend machten, daß weder der mittlerweile verstorbene Johann N noch ein von ihm Bevollmächtigter die den Gegenstand des Bescheides vom 7. März 1962 bildende Bewilligung beantragt hätten. Im übrigen wiesen sie neuerlich darauf hin, daß dieser Bescheid weder an Johann N noch eine von ihm bevollmächtigte Person zugestellt worden sei.

Dieses Rechtsmittel wurde von der Landeshöfekommission beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 1. Oktober 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen.

Die Landeshöfekommission ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß der öffentliche Notar Dr. T mit Schriftsatz vom 6. März 1982 bei der Höfekommission für die Gemeinde X einen Antrag auf Bewilligung zur Unterteilung der schon erwähnten Liegenschaft eingebracht habe. Der daraufhin ergangene, bereits erwähnte Bewilligungsbescheid vom 7. März 1962 sei "nach Ausweis des erstinstanzlichen Höfeaktes am 14. 3. 1962 ganz offensichtlich von Johann N übernommen" worden. Den Beschwerdeführern sei nun beizupflichten, daß sich für ein gültiges Vollmachtsverhältnis aus dem erstinstanzlichen Akt nicht die geringsten Anhaltspunkte ergäben. Es müsse daher nach Ansicht der erkennenden Behörde davon ausgegangen werden, daß der Bescheid vom 7. März 1962 erlassen worden sei, ohne daß ein diesbezüglicher ausdrücklicher Antrag des Johann N vorgelegen sei. Die Erlassung eines antragsgebundenen Bescheides ohne Vorliegen eines entsprechenden Antrages belaste diesen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde. Die Unzuständigkeit sei gemäß § 6 Abs. 1 AVG 1950 in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall sei aber davon auszugehen, daß Johann N gegen den Bescheid vom 7. März 1962 kein Rechtsmittel ergriffen habe, sodaß dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei und damit auch das höfebehördliche Verfahren seinen Abschluß gefunden habe. Eine amtswegige Wahrnehmung des vorliegenden Mangels der Unzuständigkeit im Rahmen des Verfahrens komme daher nicht mehr in Frage. § 68 Abs. 4 lit. a AVG 1950 bestimme aber nun in diesem Zusammenhang, daß rechtskräftige Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden könnten, wenn der Bescheid von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen worden sei. Die Nichtigerklärung eines rechtskräftigen Bescheides wegen Unzuständigkeit der erlassenden Behörde sei allerdings zufolge § 68 Abs. 5 AVG 1950 nur innerhalb von drei Jahren ab Erlassung dieses Bescheides zulässig. Nachdem nun aber der in Rede stehende Bescheid bereits am 14. März 1962 übernommen worden sei, sei diese Dreijahresfrist längst abgelaufen, weshalb auch eine amtswegige Nichtigerklärung im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG 1950 nicht mehr in Frage kommen könne. Von diesen Überlegungen ausgehend sei daher die Berufung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Entsprechend der eben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß einerseits zwischen Johann N und dem erwähnten Notar kein "Vollmachtsverhältnis" bestanden hat, und andererseits der in Rede stehende Bescheid am 14. März 1962 "ganz offensichtlich von Johann N übernommen" worden ist.

Nach der an dem genannten Tag maßgebenden Rechtslage (vgl. § 26 Abs. 1 AVG 1950 vor der durch die Novelle BGBl. Nr. 199/1982 erfolgten Aufhebung) war vorgesehen, daß Zustellungen für den Fall, daß eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für einen Beteiligten bestimmten Schriftstücke ermächtigt ist, an diese erfolgen. Da die belangte Behörde kein Vollmachtsverhältnis zwischen Johann N und dem in Rede stehenden Notar angenommen hat und mangels diesbezüglicher Anhaltspunkte auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Notar zum Empfang von Schriftstücken ermächtigt war, die für Johann N bestimmt waren, hätte der in Rede stehende Bescheid nur im Falle einer Zustellung an Johann N rechtswirksam werden können.

Daß der Bescheid tatsächlich an den Genannten zugestellt worden ist, kann allerdings nach Auffassung des Gerichtshofes - im Gegensatz zur Meinung der belangten Behörde - nicht als "offenkundig" angesehen werden. Abgesehen davon, daß die Behörde als Empfänger des Bescheides entsprechend seiner schon wiedergegebenen Zustellverfügung den Notar bestimmt hat, also eine Zustellung an Johann N gar nicht dem Willen der Behörde entsprochen hätte, läßt sich aus dem unter den Worten "Bewilligung erhalten" und neben dem Datum "14. 3. 62" stehenden Schriftzug nicht einmal annähernd schließen, von wem er stammen könnte. Um ein Handzeichen des Notars kann es sich im übrigen, wie ein Vergleich mit dessen aktenkundiger Unterschrift zeigt, nicht handeln. Selbst wenn der erwähnte Vermerk "Bewilligung erhalten" einschließlich des Handzeichens von einem - bevollmächtigten - Vertreter des Notars stammen sollte, wäre für die Frage der rechtswirksamen Zustellung des Bescheides nichts gewonnen, weil, wie schon erwähnt, auch im Falle einer Zustellung an den Notar mangels eines Vollmachtsverhältnisses oder einer bloßen Zustellungsvollmacht nicht von der Erlassung des Bescheides ausgegangen werden könnte.

Nach dem der belangten Behörde vorgelegenen Ermittlungsergebnis steht also nicht fest, daß der Bescheid vom 7. März 1962 durch Zustellung an Johann N rechtswirksam geworden ist. Sollte der Bescheid tatsächlich nicht durch Zustellung an den Genannten rechtswirksam geworden sein, dann wäre dessen Rechtswirksamkeit - erst - durch die Zustellung an die Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolger des Johann N eingetreten, was aber zur Folge hätte, daß die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung der Beschwerdeführer nicht aus den in der Begründung des angefochtenen Bescheides angestellten Erwägungen hätte zurückgewiesen werden dürfen. In diesem Falle hätte die belangte Behörde unter Zugrundelegung der von ihr vertretenen Auffassung, wonach dem Bescheid vom 7. März 1962 kein diesbezüglicher Antrag zugrunde liege, zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 9. November 1977, Slg. N. F. Nr. 9425/A).

Es liegt daher ein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wesentlicher Verfahrensmangel vor, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer hinsichtlich der Stempelgebühren war abzuweisen, weil für die in zweifacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerde, die beglaubigten Ausfertigungen der Vollmachten sowie die eine vorzulegende Ausfertigung des angefochtenen Bescheides insgesamt nur S 420,-- an Stempelgebühren zu entrichten waren.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990180260.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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