Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 25. September 1990, GZ. 5503/5-III 5/90, betreffend Kürzung der Bezüge für die Dauer der Suspendierung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Bezüglich des Sachverhaltes, des bisherigen Verfahrensablaufes und der maßgebenden Rechtslage wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des in dieser Rechtssache zwischen den beiden Parteien des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergangenen Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1991, B 1265/90, verwiesen, mit welchem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Bescheid als unbegründet abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten wurde, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird der Rechtsstreit ausschließlich um die Frage geführt, ob § 150 RDG idF des mit Wirkung vom 1. Juni 1990 in Kraft getretenen Art. I Z. 5 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 259/1990 (in der Folge: § 150 RDG nF) auf die dem - bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht vom 2. Mai 1989 - suspendierten Beschwerdeführer seit 1. Juni 1990 zustehenden Bezüge anzuwenden ist oder nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die diese Frage bejahende Rechtsansicht der belangten Behörde aus folgenden Gründen nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, VwSlg. 9315/A, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage des von einer Rechtsmittelbehörde anzuwendenden Rechtes ausgeführt, daß diese im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden habe. Eine andere Betrachtungsweise werde dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringe, daß auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden sei. Weiters werde eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen sei, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen sei. Diese grundsätzlichen Erwägungen gelten auch für die Frage nach der maßgebenden Rechtslage für jede bescheiderlassende Behörde. Sofern das Gesetz nicht ausdrücklich oder implicit auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt oder Zeitraum abstellt, ist für die Entscheidung die im Bescheiderlassungszeitpunkt geltende Rechtslage maßgebend.
Gemäß § 5 ABGB wirken Gesetze nicht zurück; sie haben daher auf vorhergegangene Handlungen und auf vorher erworbene Rechte keinen Einfluß. Im Sinne dieser Vorschrift sind grundsätzlich nur die nach dem Inkrafttreten eines Gesetzes verwirklichten Sachverhalte nach dem neuen Gesetz zu beurteilen; vorher verwirklichte Sachverhalte unterliegen grundsätzlich weiterhin dem vorher geltenden Gesetz. Dieses Abgrenzungskriterium ist auf einmalige Handlungen und Zustände ohne Schwierigkeiten anzuwenden. Für Dauersachverhalte gelten grundsätzlich die Rechtsfolgen des neuen Gesetzes erst ab seinem Inkrafttreten.
Das hier normierte Prinzip der Nichtrückwirkung hat seinen Grund in der Forderung, die als die "Verläßlichkeit des Gesetzes" bezeichnet worden ist. Es soll niemand in seinem Vertrauen auf die Rechtsordnung getäuscht werden. Das Prinzip des Rechtsstaates, das nicht nur als formales Strukturelement aufzufassen ist, fordert um der rechtsunterworfenen Menschen und um ihres Zusammenlebens willen, daß die Eingriffe für den Staatsbürger meßbar und in gewissem Umfang voraussehbar und berechenbar sein sollen. Das Rechtsstaatsprinzip soll dem gesetzesunterworfenen Staatsbürger Rechtssicherheit u.a. auch über den zeitlichen Geltungsbereich gesetzlicher Vorschriften geben; er soll darauf vertrauen können, daß die vom einfachen Gesetzgeber erlassene Norm grundsätzlich und jedenfalls nur für die Zukunft wirkt, wenn an sein Verhalten bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden.
Diese Rechtslage verkennt der Beschwerdeführer, wenn er in seinem Beschwerdevorbringen auf den Zeitpunkt der Suspendierungsentscheidung abstellt und aus dem Umstand, daß dieser vor dem Inkrafttreten des § 150 RDG nF liegt, ableiten will, die im angefochtenen Bescheid erfolgte Anwendung dieser Bestimmung stelle eine unzulässige, weil vom Gesetzgeber nicht angeordnete, rückwirkende Gesetzesanwendung dar. Im Beschwerdefalle läßt § 150 RDG nF weder ausdrücklich noch voraussetzungsweise erkennen, daß auf den Zeitpunkt der Erlassung (Zustellung oder Verkündung) des Beschlusses des Disziplinargerichtes betreffend die Verfügung der Suspendierung eines Richters abzustellen wäre. § 150 Abs. 1 RDG nF ordnet die Bezugskürzung ab Inkrafttreten des Gesetzes auch für vorher ausgesprochene Suspendierungen an. Die Erlassung eines Beschlusses des Disziplinargerichtes ist lediglich Tatbestandsvoraussetzung für die kraft Gesetzes - also ohne Dazwischentreten eines Bescheides - Platz greifende Rechtsfolge. Daher ist im Falle eines Feststellungsantrages des Suspendierten von der Dienstbehörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bezugskürzung dem Grunde nach gegeben sind und die Bezüge der Höhe nach richtig einbehalten werden. Für die vom Beschwerdeführer angestrebte weitere Entscheidung des Obersten Gerichtshofes als Disziplinargericht ist bei dieser Rechtslage keine Zuständigkeit gegeben.
Mit der abschließenden "Beanstandung", der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Berufungsbescheid des Bundesministers für Justiz führe das Ausmaß der Bezugskürzung nicht an, verkennt der Beschwerdeführer, daß im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 26. Juni 1990 die Gesetzesstelle, auf die sich die Entscheidung stützt und aus der das gesetzliche Ausmaß der Bezugskürzung ergibt, genau angeführt ist. Die Verweisung auf die Bestimmung des § 150 RDG nF reicht hin und schließt auch nicht aus, daß im Falle einer - vom Beschwerdeführer angenommenen - späteren Änderung dieser Rechtsvorschrift die rechtskräftig entschiedene Sache einer neuerlichen Beurteilung unterzogen wird.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt, weshalb seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Dabei konnte von der Abhaltung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung, BGBl. Nr. 104/1991.
Gerichtsentscheidung
E VS 1977/05/04 898/75 VwSlg 9315 A/1977Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991090077.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008