TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/10 90/12/0265

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Veröffentlicht am 10.06.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
GehG 1956 §19b Abs2;
GehG 1956 §19b;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 9. August 1990, GZ 100.158/28-110C/b/90, betreffend Infektionszulage (Gefahrenzulage und Aufwandsentschädigung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist Leiter der Allgemeinen Ambulanz und der Infektionsambulanz der Universitätskinderklinik X. Mit den im Wege der Universitätsdirektion der belangten Behörde vorgelegten Schriftstücken vom 12. bzw. 18. Juli 1988 beantragte der Vorstand der Universitätsklinik, dem Beschwerdeführer die Infektionszulage zu gewähren bzw. eine pauschalierte Infektionszulage zu bemessen. Dieser Antrag wurde wie folgt begründet:

"Die Allgemeine Ambulanz der Kinderklinik ist Anlaufstelle für alle Patienten unabhängig davon, ob sie eventuell aufgenommen, an andere Spitäler weiterverwiesen oder "nur" ambulant (evtl. auch in einer sogenannten Spezialambulanz) betreut werden. Dieses solcherart sehr große unselektierte Krankengut umfaßt einen sehr großen Anteil infektiöser Patienten, und zwar nicht nur mit typischen sogenannten Kinderkrankheiten (Masern, Mumps, Scharlach, Rubcolen, Mononucleose, Pertussis, Varicellen, usw.), sondern vor allem Kinder mit akuten und chronischen Hepatitiden, infektiösen Darmerkrankungen (z.B. Salmonellosen, Infektionen mit Rota Virus, Campylobacter, Yersiniasen), mit Infektionen der Atemwege durch Mykoplasmen, Chlamydien, aber auch Tbc. Aus der großen Zahl von Patienten mit diesen und noch anderen ansteckenden Erkrankungen ergibt sich im ärztlichen Ambulanzbetrieb eine über das normale Berufsrisiko hinausgehende Gefährdung. Es wird deshalb um positive Erledigung des Antrages ersucht."

Als Beginn der Gefährdung wurde der 1. Mai 1975 angeführt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 5. Oktober 1989 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt,

"daß einem Beamten, der Dienste verrichtet, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden sind, eine Gefahrenzulage gebührt. Unter besonderen Gefahren für GESUNDHEIT UND LEBEN versteht der Gesetzgeber solche, die über das ärztliche Berufsrisiko hinausgehen. Aufgrund der derzeitigen Verwaltungspraxis des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen, denen bei der Gefahrenbeurteilung ein Mitwirkungsrecht zukommt, überschreitet die ärztliche Tätigkeit an Klinikambulanzen dieses Limit nicht, da unselektiertes Krankengut in der Ordination jedes praktischen Arztes vorkommt und hier auch nur von normalem Berufsrisiko gesprochen werden kann."

Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. Oktober 1989 wie folgt Stellung:

"1.

Die do. Ablehnung wird damit begründet, daß ich als Leiter der internen Ambulanz und der Infektionsambulanz der Universitäts-Kinderklinik im Sinne des § 19 b des Gehaltsgegesetzes 1956 keiner besonderen Gefahr für Gesundheit und Leben ausgesetzt bin, die über das ärztliche Berufsrisiko hinausgeht.

Der Hinweis auf das "unselektierte Krankengut", das zum normalen Berufsrisiko eines Arztes gehört, ist insofern unrichtig, da ich als Leiter der internen Ambulanz UND der Infektionsambulanz mich zu ALLERERST mit den eingelieferten Kindern beschäftigen muß, die erst NACH MEINER UNTERSU-CHUNG, falls notwendig, an die entsprechenden Stationen z.B. Infektionsstation, onkologische Station, pulmologische Station usw. zur Aufnahme eingewiesen werden.

Die Infektionsgefahren liegen ja nicht nur bei den üblichen infektiösen Kinderkrankheiten, sondern vor allem durch Infektionen der Kinder durch Hepatitisviren, durch Salmonellen, Tuberkelbazillen und AIDS bei den vorgeschriebenen Blutabnahmen.

2.

An der Universitäts-Kinderklinik beziehen die Ärzte der Infektionsstation, der onkologischen Station, der pulmologischen Station, der gastro-intestinalen und der nephrologischen Station die sogenannte Infektionszulage. Da jedoch den dort tätigen Ärzten (Dris. G, A, H, S, F, B u.a.) schon immer die Infektionszulage bewilligt wurde, halte ich die Ablehnung der vom dzt. Klinikvorstand Universitätsprofessor Dr. C am 12. Juli 1988 beantragten Infektionszulage für eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, da die Voraussetzungen für die Gewährung der Infektionszulage bei den angeführten Ärzten die gleichen sind wie bei mir.

Ich stelle daher den ANTRAG

mir die pauschalierte Aufwandsentschädigung und Gefahrenzulage

("Infektionszulage") bescheidmäßig zuzuerkennen."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 8. Juni 1990 wurde dem Beschwerdeführer

"das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht:

§ 19b des Gehaltsgestzes 1956 bestimmt, daß einem Beamten,

der Dienste verrichtet, die mit BESONDEREN Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden sind, eine Gefahrenzulage gebührt. Unter besonderen Gefahren für GESUNDHEIT UND LEBEN versteht der Gesetzgeber solche, die über das ärztliche Berufsrisiko hinausgehen. Aufgrund der derzeitigen Verwaltungspraxis des Bundeskanzleramtes und des Bundeministers für Finanzen, denen bei der Gefahrenbeurteilung ein Mitwirkungsrecht zukommt, überschreitet die ärztliche Tätigkeit an Klinikambulanzen dieses Limit nicht, da unselektiertes Krankengut in der Ordination jedes praktischen Arztes vorkommt und hier auch nur von normalem Berufsrisiko gesprochen werden kann. Die vom Bundeskanzleramt zu Rate gezogenen Sachverständigen haben im vorliegenden Fall eine gewisse Gefahr als bestehend angenommen, diese jedoch nicht als erheblich über der Norm liegend beurteilt. Der vorgesehenen Festsetzung einer "Infektionszulage" wurde daher einvernehmlich mit dem Bundesminister für Finanzen nicht zugestimmt.

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung beabsichtigt daher aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes Ihren Antrag abzulehnen.

Sie haben Gelegenheit, binnen 2 Wochen nach Zustellung dieser Verständigung dazu Stellung zu nehmen."

Zu diesem Schreiben nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Juli 1990 wie folgt Stellung:

"1.

Meine Feststellungen in meiner Eingabe vom 27. Oktober 1989 halte ich in vollem Umfang aufrecht, muß aber ausdrücklich darauf verweisen, daß es an der Kinderklinik eine vollkommen räumlich getrennte Infektionsambulanz gibt, deren Leiter ich bin.

2.

Das "Krankengut" besteht - jederzeit nachweisbar - zu 20 Prozent aus Kindern, die von einem praktischen Arzt oder einem Kinderfacharzt eingewiesen werden und zu 80 PROZENT aus Kindern, die von ihren Eltern direkt ohne ärztliche Einweisung in die Klinik eingewiesen werden.

3.

Jedes eingelieferte Kind muß vor jeder weiteren Behandlung von mir als Leiter der internen Ambulanz und der Infektionsambulanz zunächst eingehend untersucht werden, um dann auf die entsprechende Station eingewiesen zu werden.

4.

Daß ich als der erstuntersuchende Arzt einer besonderen Infektionsgefahr unterliege, brauche ich nicht weiter zu begründen, zumal eine Reihe von Ärzten an der Universitätskinderklinik die Infektionszulage erhalten sowie alle meine Schwestern, deren Dienstgeber allerdings die Gemeinde X ist.

Ich stelle sohin neuerlich den Antrag (12. Juli 1988 und 27. Oktober 1989), mir die pauschalierte Aufwandsentschädigung nach § 19b des Gehaltsgesetzes zuzuerkennen."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 1989 auf Bemessung einer Aufwandsentschädigung und Gefahrenzulage im Ausmaß der "großen Infektionszulage" gemäß §§ 20 und 19b des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der geltenden Fassung (GG) ab. In der Bescheidbegründung wird nach auszugsweiser Wiedergabe des oben dargestellten Ganges des Verwaltungsverfahrens ausgeführt, es seien auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers von der belangten Behörde das zur Zustimmung bei der Bemessung einer Gefahrenzulage zuständige Bundeskanzleramt und das Bundesministerium für Finanzen befaßt worden. § 19b GG bestimme, daß einem Beamten, der Dienste verrichte, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden seien, eine Gefahrenzulage gebühre. Unter besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben seien jedoch nach Auffassung der belangten Behörde nur solche zu verstehen, die über das normale ärztliche Berufsrisiko hinausgingen. Im Rahmen des Verfahrens zur Neubemessung von "Infektionszulagen" würden auch Sachverständige mit den einzelnen Fakten befaßt. Diese Sachverständigen hätten in Kenntnis des oben angeführten Sachverhaltes im Fall des Beschwerdeführers zwar eine gewisse Gefahr als bestehend angenommen, diese jedoch nicht als erheblich über der Norm liegend beurteilt. Es könne somit nicht von einer Gefährdung über dem normalen ärztlichen Berufsrisiko gesprochen werden. Von diesem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Beschwerdeführer am 8. Juni 1990 gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 DVG verständigt und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt worden. In seiner Stellungnahme vom 2. Juli 1990 habe er jedoch nur die in seinen Anträgen bereits vorgebrachten Angaben wiederholt. Es sei sohin spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, nach der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Bezahlung einer Gefahrenzulage gemäß § 19b GG verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19b Abs. 1 GG gebührt dem Beamten, der Dienste verrichtet, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden sind, eine Gefahrenzulage. Bei der Bemessung der Gefahrenzulage ist nach § 19b Abs. 2 GG auf die Art und das Ausmaß der Gefahr angemessen Rücksicht zu nehmen. Die Bemessung der Gefahrenzulage bedarf der Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen.

Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers "auf Bemessung einer Aufwandsentschädigung und Gefahrenzulage im Ausmaß der" (offensichtlich durch Erlässe geregelten) "großen Infektionszulage gemäß §§ 20 und 19b GG" ausschließlich mit der Begründung abgewiesen, daß das für die Gebührlichkeit einer Gefahrenzulage nach § 19b Abs. 1 GG normierte Tatbestandsmerkmal der mit der Verrichtung der Dienste verbundenen "besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben" nicht vorliege. Dies bestreitet der Beschwerdeführer im Rahmen des obgenannten Beschwerdepunktes unter den Gesichtspunkten der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Nach der zum unbestimmten Gesetzesbegriff der "besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben" (vgl. Erkenntnis vom 31. März 1977, Zl. 2150/74, Slg. Nr. 9288/A) ergangenen ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0098) bringt das Gesetz durch die Worte "besondere Gefahren" zum Ausdruck, daß es sich jeweils nicht bloß um Gefahren für die Gesundheit und das Leben handeln darf, die mit dem Dienst des Beamten ganz allgemein verbunden sind und daher alle Beamten treffen; es muß die betreffende Gefährdung vielmehr eine wesentliche Abweichung von der diesbezüglichen Norm darstellen. Eine besondere Gefahr liegt nicht nur dann vor, wenn auf Grund anhaltender und nicht abänderbarer Arbeitsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt eines gesundheitlichen Schadens zu befürchten ist (Erkenntnis vom 10. Oktober 1983, Zl. 82/12/0108). Auch müssen besondere Gefahren im genannten Sinn nicht mit dem überwiegenden Teil der gesamten Tätigkeit des Beamten verbunden sein (Erkenntnis vom 23. Juni 1986, Zl. 85/12/0183); sie dürfen aber andererseits nicht nur mit einem nur als geringfügig zu bezeichnenden Teil der gesamten Tätigkeit verbunden sein (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1975, Zl. 1365/75, Slg. Nr. 8907/A, vom 18. Dezember 1989, Zl. 88/12/0208, und vom 27. September 1990, Zl. 89/12/0098).

Bei einer mit einem nicht nur als geringfügig zu bezeichnenden Teil der Gesamttätigkeit des Beamten verbundenen Gefahr der Ansteckung mit übertragbaren Krankheiten liegt eine solche wesentliche Abweichung von der Norm dem Grunde nach dann vor, wenn die Ansteckungsgefahr erheblich größer ist als die sonst im Alltagsleben (und damit für alle Beamten in gleicher Weise) gegebene (vgl. die Erkenntnisse vom 31. März 1977, Slg. Nr. 9288/A, vom 10. Mai 1982, Zl. 81/12/0188, vom 15. November 1982, Zl. 81/12/0091, und vom 8. September 1986, Zl. 85/12/0091). Liegt nach diesem - zur Ausfüllung des unbestimmten Gesetzesbegriffes der besonderen Gefahr für Gesundheit und Leben bei bestehender Ansteckungsgefahr nach der Rechtsprechung heranzuziehenden - Maßstab eine erhebliche Überschreitung der im Alltagsleben gegebenen Infektionsgefahr vor, so kann, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. September 1986, Zl. 85/12/0091, ausgeführt hat, die Bemessung der ihrer Höhe nach - entsprechend den Kriterien des § 19b Abs. 2 GG - erst zu bestimmenden Gefahrenzulage nicht allein deshalb verneint werden, weil die dem Grunde nach bejahte besondere Gefahr während jeder Amtswoche durchschnittlich lediglich an ein oder zwei Tagen, nicht aber öfter eingetreten ist. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, daß in einem solchen Fall die sonst beachtliche schon genannte Geringfügigkeitsgrenze noch nicht unterschritten ist.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Rechtsrüge des Beschwerdeführers unbegründet. Der von ihm bestrittene Maßstab der erheblichen Überschreitung der im Alltagsleben gegebenen Infektionsgefahr ist zwar im § 19b GG nicht ausdrücklich angeführt, ergibt sich aber aus dem aus dem Regelungsinhalt und Regelungszusammenhang des § 19b GG ermittelten Sinn des unbestimmten Gesetzesbegriffes der "besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben" bei bestehender Ansteckungsgefahr des Beamten. Aber auch die von ihm bekämpfte Rechtsauffassung der belangten Behörde, es seien unter besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben im gegebenen Zusammenhang nur solche zu verstehen, die über das normale ärztliche Berufsrisiko hinausgehen, ist unter Beachtung der oben dargestellten Grundsätze dann nicht rechtsirrig, wenn dies so zu verstehen ist, es lägen diese besonderen Gefahren dann noch nicht vor, wenn sie mit der Tätigkeit eines jeden Arztes und damit auch jedes beamteten Arztes verbunden sind.

Hingegen sind die Verfahrensrügen begründet.

Ob nämlich in einem konkreten Fall eine wesentliche Abweichung der mit dem Dienst eines Beamten verbundenen Gefahren für Gesundheit und Leben von der diesbezüglichen Norm besteht oder nicht, kann nur anhand von auf Grund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens getroffenen Tatsachenfeststellungen darüber beurteilt werden, worin die dienstlichen Verrichtungen des Beamten, von denen dieser behauptet, sie seien mit den erwähnten "besonderen Gefahren" verbunden, im Einzelfall konkret bestehen, welche konkreten Gefahrenmomente damit verbunden sind und mit welcher Intensität und welcher Häufigkeit diese Momente auftreten, weil sonst der unerläßliche Vergleich mit der "diesbezüglichen Norm" (im Beschwerdefall: der mit der Ausübung jeden ärztlichen Berufes verbundenen Ansteckungsgefahr) nicht vorgenommen werden kann (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 25. Februar 1980, Zlen. 3264/79, 556/80). Diese Tatsachenfeststellungen läßt der angefochtene Bescheid vermissen. Wenn die belangte Behörde diesen Mangel in ihrer Gegenschrift damit rechtfertigen will, sie habe auf Grund der ihr bekannten Arbeitsplatzbeschreibung, der Angaben des Klinikvorstandes sowie der eigenen Angaben des Beschwerdeführers Kenntnis von der Art und dem Umfang der Tätigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf infektiöse Patienten und sei bezüglich der damit verbunden Gefahren für Leben und Gesundheit des Beschwerdeführers nach deren Abwägung mit jenen, denen andere beamtete Ärzte (Spitalsärzte) ausgesetzt seien, in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, es sei zwar mit der Tätigkeit des Beschwerdeführers eine gewisse Gefahr verbunden, die jedoch nicht erheblich über der Norm liege, so muß sie darauf verwiesen werden, daß auch im Dienstrechtsverfahren Ermittlungen und konkrete Feststellungen nur hinsichtlich solcher (zwischen den Parteien strittigen) Tatsachen entbehrlich sind, die ganz allgemein und daher auch für den zur Rechtskontrolle berufenen Verwaltungsgerichtshof offenkundig sind. Daß dies für mit konkreten Dienstleistungen eines bestimmten Beamten verbundene wirkliche oder angebliche Gefahrenmomente nicht zutrifft, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Dazu kommt, daß die belangte Behörde - sachverhaltsbezogen zu Recht - zwar die Notwendigkeit der Beiziehung von Sachverständigen zur Klärung der gemischten Tat- und Rechtsfrage der besonderen Gefahren für Leben und Gesundheit (vgl. Erkenntnis vom 23. März 1977, Slg. Nr. 9288/A) erkannte, dementsprechend, wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt, auch "Sachverständige mit den einzelnen Fakten befaßt" wurden (nach der Gegenschrift nicht im Hauptverfahren von der belangten Behörde, sondern in dem Verfahren vor dem Bundeskanzleramt zur Frage einer allfälligen Zustimmung dieser Behörde und des Bundesministeriums für Finanzen), sich aber die belangte Behörde in der Bescheidbegründung mit der lapidaren Feststellung begnügt, diese Sachverständigen hätten "in Kenntnis des oben angeführten Sachverhaltes" (unklar welchen) im Falle des Beschwerdeführers "zwar eine gewisse Gefahr als bestehend angenommen, diese jedoch nicht als erheblich über der Norm liegend beurteilt". Mit dieser Feststellung genügte die belangte Behörde (unter Bedachtnahme darauf, daß der Beschwerdeführer die inhaltsgleiche Mitteilung im Schreiben der belangten Behörde vom 8. Juni 1990 in seiner Stellungnahme vom 2. Juli 1990 bestritten hat) der oben dargestellten Begründungspflicht nicht.

Entgegen ihrem Vorbringen in der Gegenschrift kam sie, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde zutreffend ausführt, mit dem eben genannten Schreiben vom 8. Juni 1990 auch nicht ihrer Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs nach § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 DVG nach. Danach ist nämlich der Partei des Dienstrechtsverfahrens insoweit Gelegenheit zu geben, von den Ergebnissen amtlicher Erhebungen und Beweisaufnahmen Kenntnis und zu ihnen Stellung zu nehmen, als diese Ergebnisse von dem bisherigen für den Bescheid maßgebenden Vorbringen der Partei abweichen. Dieses Recht hat nach Lehre und Rechtsprechung den Sinn, der Partei die Möglichkeit zu geben, im Zuge des Ermittlungsverfahrens alles vorzubringen, was ihren Rechtsstandpunkt stützt, mit der Konsequenz, daß sich die Behörde mit diesem Vorbringen, sofern es zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes wesentlich ist, auseinandersetzen muß. Das bedeutet, daß der Partei die Ergebnisse der Beweisaufnahme unter Einräumung der Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, ungeschmälert zur Kenntnis zu bringen sind; dem Parteiengehör unterliegt daher der gesamte Inhalt der Ergebnisse der Beweisaufnahme (vgl. Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 88/08/0020, mit weiteren Judikaturhinweisen). Werden Sachverständige beigezogen, so hat die Partei zunächst einmal den Anspruch auf Bekanntgabe der Namen der Sachverständigen, da andernfalls die Partei nicht in die Lage versetzt wird, allfällige Einwendungen gegen die Person des Sachverständigen oder seine Eignung vorzubringen (vgl. die Erkenntnisse vom 23. November 1982, Zl. 82/07/0162, Slg. Nr. 10.895/A, und vom 18. Oktober 1988, Zl. 88/14/0092). Ferner gehören zu dem im Falle einer Beweisaufnahme durch Sachverständigen im Rahmen des Parteiengehörs zum übermittelnden gesamten Inhalt der Ergebnisse der Beweisaufnahme sowohl der Befund (einschließlich der Hilfsbefunde) als auch die darauf beruhenden sachverhaltsbezogenen Schlußfolgerungen, da nur so der Partei die Möglichkeit gegeben ist, sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, allenfalls durch Entgegensetzung des Gutachtens eines Privatsachverständigen, zu befassen (vgl. die Erkenntnisse vom 5. Mai 1981, Zl. 1754/79, Slg. Nr. 10.441/A, und vom 31. Jänner 1984, Zl. 83/07/0215, Slg. Nr. 11.315/A, sowie das schon genannte Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 88/08/0020). Die bloße Wiedergabe des Ergebnisses der fachkundigen Stellungnahme (so wie im schon mehrfach zitierten Schreiben der belangten Behörde vom 8. Juni 1990) genügte demnach nicht. Auch war es nicht ausreichend, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, daß es dem Beschwerdeführer freigestanden sei, in die Akten der bescheiderlassenden Behörde Einsicht zu nehmen, da sich aus diesen Akten, sofern sie mit den von der belangten Behörde dem Verwaltungsgerichtshof mit der Gegenschrift vorgelegten ident sind, nicht mehr ergibt, als dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 8. Juni 1990 mitgeteilt wurde. Sollte die belangte Behörde aber meinen, es wäre dem Beschwerdeführer auch freigestanden, in allfällige Akten des Bundeskanzleramtes Einsicht zu nehmen, so ist ihr entgegenzuhalten, daß nicht durch die bloße Möglichkeit, sondern nur auf die Aufforderung zur Akteneinsicht, aber auch dann nur, wenn aus der Aufforderung erkennbar ist, daß damit Gelegenheit geboten werden solle, zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, und die Partei im Hinblick auf die gewährte Frist zur Stellungnahme auch die Möglichkeit hiezu hat, der Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVG entsprochen wird (vgl. dazu u. a. die Erkenntnisse vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0252, und vom 12. Februar 1986, Zl. 84/11/0234). Daß das dem Beschwerdeführer mitgeteilte Ergebnis der Beweisaufnahme durch Sachverständige von dem bisherigen für den Bescheid maßgebenden Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs. 2 DVG abwich, bedarf keiner Erörterung.

Zum abschließenden Verweis der belangten Behörde in der Gegenschrift, daß sie selbst dann, wenn sie zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, in Anbetracht der Verweigerung der Zustimmung des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen dem Antrag des Beschwerdeführers nicht hätte stattgeben können, ist zu bemerken, daß dies zwar zutrifft, aber, wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zu ähnlichen Bestimmungen des Beamtendienstrechtes ausgesprochen hat (vgl. u. a. das Erkenntnis vom 1. Februar 1990, Zl. 89/12/0021), nichts an der Rechtswidrigkeit des Bescheides zu ändern vermag.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren auf Ersatz eines höheren Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, da gemäß § 49 Abs. 1 VwGG als Ersatz für den Schriftsatzaufwand nach § 48 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nur der in der genanntnen Verordnung festgesetzte Pauschbetrag zu zahlen ist.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere Rechtsgebiete Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Parteiengehör Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990120265.X00

Im RIS seit

27.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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