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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §13a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. Juni 1990, GZ GA 11 - 1151/30/90, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 19. Dezember 1979 wurde zwischen der Verlassenschaft nach dem am 18. Oktober 1979 verstorbenen AN, BN, CN und mj. DN als Verkäufer einerseits und der Y-Gesellschaft m.b.H. sowie der X-Gesellschaft m.b.H. als Käufer andererseits eine als "Abtretungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung geschlossen.
Diese Vereinbarung hat auszugsweise u.a. folgenden Wortlaut:
"Die Verkäufer sind Gesellschafter der A und CN Chemische Fabrik, einer offenen Handelsgesellschaft, und sind an Substanz und Gewinn der Gesellschaft wie folgt beteiligt:
Verlassenschaft nach AN 16/32
BN 6/32
DN 5/32
CN 5/32.
Die Verkäufer verkaufen und übergeben und die Käufer kaufen und übernehmen die Gesellschaftsanteile der Verkäufer an der Gesellschaft, und zwar
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die Y-Gesellschaft m.b.H. die Anteile der Verlassenschaft nach AN (16/32), der BN (6/32) und des DN (5/32), sohin zusammen 27/32;
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die X-Gesellschaft m.b.H. den Anteil des CN, sohin 5/32.
Die Käufer erwerben die Gesellschaftsanteile zum Zwecke der Fortsetzung der Gesellschaft nach dem bisherigen Gesellschaftsvertrag und der unveränderten Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma. Die Verkäufer erklären sich mit der Fortführung des unveränderten Firmennamens einverstanden."
Die Abgabenbehörde vertrat zunächst die Auffassung, daß im letztzitierten Absatz des Vertrages die Beurkundung einer neuen gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung zwischen den beiden Käufern zu erblicken sei.
In dem auf Grund der Beschwerde der YY-GmbH. (vormals Y-GmbH.) ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0061, wurde jedoch dargelegt, daß die gegenständliche Vereinbarung den Tatbestand der Überlassung eines Geschäftsanteiles im Sinne des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 herstellt.
In weiterer Folge erließ das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien gegenüber der nunmehrigen Beschwerdeführerin am 6. Mai 1988 einen Bescheid, womit vom anteiligen Entgelt in der Höhe von 15,156.250,-- S eine Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 in der Höhe von 303.125,-- S festgesetzt wurde.
Die gegen diesen Gebührenbescheid erhobene Berufung wurde mit Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 5. Juni 1990 im wesentlichen gestützt auf das genannte Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c Gebührengesetz 1957 unterliegen Gesellschaftsverträge, ausgenommen solche über Kapitalgesellschaften im Sinne des Kapitalverkehrsteuergesetzes, wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden, bei Überlassung eines Geschäftsanteiles von einem Gesellschafter an einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten einer Rechtsgebühr in Höhe von 2 v.H. vom Entgelt, mindestens aber vom Wert des Gesellschaftsanteiles.
Im Beschwerdefall veräußerten sämtliche bisherigen Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft ihre Anteile an dritte Personen, es kam also zu einem vollständigen Gesellschafterwechsel. Im angeführten, zur gegenständlichen Vereinbarung ergangenen Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0061, gelangte der Verwaltungsgerichtshof nach ausführlichen gesellschaftsrechtlichen Darlegungen zu dem Ergebnis, daß der gemäß § 17 Abs. 1 GebG 1957 maßgebliche Urkundeninhalt einen uno actu vorgenommenen vollständigen Gesellschafterwechsel unter ausdrücklicher Betonung der Fortsetzung des bisherigen Gesellschaftsverhältnisses und damit der Identität der OHG (sogar unter Fortführung der alten Firma) zeigt. Da somit durch den Vorgang die Identität der Gesellschaft nicht geändert wurde, vielmehr die Gesellschaft dadurch in ihrer Existenz und Individualität unberührt blieb, wurde in dem Erkenntnis ausgesprochen, daß auch ein solcher Vorgang eine Überlassung von Gesellschaftsanteilen an einer bestehenden Gesellschaft im Sinne des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 ist.
Dieser Folgerung wird von der Beschwerdeführerin entgegengehalten, Abtretungsverträge über Gesellschaftsanteile an Personengesellschaften seien Austauschverträge. Ihnen fehle das für einen Gesellschaftsvertrag wesentliche Tatbestandsmerkmal des gemeinsamen Zwecks der Vertragspartner. Solche Verträge könnten nur dann als "Gesellschaftsverträge" im Sinn des Grundtatbestands des § 33 TP 16 Abs. 1 GebG angesehen werden, wenn durch die Abtretung ein Nicht-Gesellschafter einer Gesellschaft beitritt und sich mit den in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern zu einem gemeinsamen Erwerbszweck verbindet.
Bei dieser Argumentation wird von der Beschwerdeführerin außer acht gelassen, daß die an den Beginn des § 33 TP 16 Abs. 1 GebG 1957 gestellte Begriffsbestimmung der Gesellschaftsverträge "wodurch sich zwei oder mehrere Personen zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden" keineswegs in allen in der Folge als gebührenpflichtig aufgezählten Fällen im vollen Umfang Tatbestandsmerkmal sein muß. Dies zeigt sich in voller Deutlichkeit schon im Falle der Z. 1 lit. d, wo nicht der Abschluß eines Vertrages über eine Gesellschaft den Gebührentatbestand bildet, sondern die Widmung von Anlage- und Betriebskapital durch eine ausländische Gesellschaft an ihre Niederlassung. Nicht der - in der Regel im Ausland beurkundete - Abschluß eines Gesellschaftsvertrages über eine ausländische Gesellschaft, sondern die von einem Gesellschaftsvertrag oft ganz unabhängige Widmung inländischen Kapitals durch eine ausländische Gesellschaft wird der Gebühr unterworfen. Ebenso wird in Z. 1 lit. b auch die Erhöhung von Vermögenseinlagen einer Gebühr unterworfen, wobei diese Gesetzesstelle offenbar voraussetzt, daß die Gesellschafter, die ihre Einlage erhöhen, eben bereits gesellschaftlich verbunden sind, sich also aus Anlaß der Erhöhung der Einlage nicht mehr zur Verfolgung eines Erwerbszweckes verbinden. Schließlich bildet es nach Z. 1 lit. c u.a. einen Gebührentatbestand, wenn ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil einem anderen Gesellschafter überläßt. Auch in diesem Falle vereinigt sich ja der andere Gesellschafter, dem der Anteil abgetreten wird, nicht mit den übrigen (noch verbleibenden) Gesellschaftern, sondern er ist bereits mit diesen zu einem Erwerbszweck vereinigt (vgl. hg. Erkenntnis vom 7. November 1960, Zl. 2681/59, Slg. Nr. 2320/F). Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ist somit nicht Tatbestandsmerkmal des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957, daß der Abtretungsvertrag zwischen den Vertragsparteien "Zur Verfolgung eines Erwerbszweckes" abgeschlossen wird. Vielmehr reicht es aus, wenn die Gesellschaft, deren Anteil überlassen wird, der einleitenden Begriffsbestimmung des § 33 TP 16 Abs. 1 GebG 1957 entspricht.
Im übrigen stellt der rechtsgeschäftlich vorgenommene Gesellschafterwechsel bei einer Personenhandelsgesellschaft wegen der besonderen Bedeutung der Persönlichkeit des einzelnen Gesellschafters immer auch eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages dar und kommt deshalb auch (dort wo dies nach der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages zulässig ist) der Vereinbarung des ausscheidenden Gesellschafters mit dem an seine Stelle eintretenden Gesellschafter durchaus ein gesellschaftsvertraglicher Charakter zu (vgl. hg. Erkenntis vom 14. Jänner 1991, Zl. 90/15/0116, dem ebenfalls die streitgegenständliche Vereinbarung zugrunde lag).
Die Beschwerdeausführungen vermochten daher den Gerichtshof nicht zu veranlassen, von seiner im Erkenntnis vom 23. November 1987, Zl. 87/15/0061, vertretenen Auffassung abzugehen.
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit wendet die Beschwerdeführerin weiters ein, daß mit 31. Dezember 1984 Verjährung der strittigen Gebührenschuldigkeit eingetreten sei. Der gegenüber der YY-GmbH. am 21. Dezember 1984 gesetzten Unterbrechungshandlung komme gegenüber der Beschwerdeführerin keine Wirkung zu, weil die YY-GmbH. und die Beschwerdeführerin nicht Gesamtschuldner der Rechtsgebühr nach § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG seien.
Gemäß dem § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die Verjährung des Bemessungsrechtes wird auch durch eine Handlung unterbrochen, die nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person gerichtet ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügt es, daß das Finanzamt irgendeine Handlung zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches vornimmt, vorausgesetzt, daß diese Handlung nach außen in Erscheinung tritt (vgl. hiezu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1976, Slg. Nr. 5004/F, vom 16. September 1982, Zlen. 81/16/0169, 81/16/0170 und 81/16/0172 und vom 23. Februar 1984, Zl. 82/16/0140); d.h., daß die Amtshandlung aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein muß (Erkenntnisse vom 22. Oktober 1958, Slg. Nr. 1898/F, vom 15. Jänner 1964, Zlen. 1808-1810/62, und vom 29. April 1971, Zl. 807/70). Auch Anfragen sind nach der Rechtsprechung als solche zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung anzusehen (vgl. das Erkenntnis vom 23. Februar 1984, Zl. 82/16/0140).
In den Akten des abgabenbehördlichen Verfahrens erliegt die am 27. Dezember 1984 der Y-GmbH. zu Handen ihres Vertreters zugestellte Anfrage des Finanzamtes vom 21. Dezember 1984 nach der Höhe des Einheitswertes des Betriebsvermögens der A und CN OHG, der Steuernummer und dem Betriebsfinanzamt. Als Gegenstand der Anfrage wurde angeführt: "Ergänzung des Abtretungsvertrages vom 19. Dezember 1979 mit Verl. nach AN und Firma X-GesmbH" und "Tatbestand des § 33 TP 16 Gebührengesetz". Damit hat aber die Abgabenbehörde eine nach außen erkennbare Handlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gesetzt. Dabei spielt es keine Rolle, daß diese nach außen erkennbare Handlung nicht gegen die schließlich als Abgabenschuldnerin in Anspruch genommene Beschwerdeführerin gerichtet war (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1990, Zl. 88/16/0148), zumal auch eine an eine dritte Person - etwa als Auskunftsperson - gerichtete Amtshandlung als Unterbrechungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO in Betracht kommt. Dem Umstand, daß die Y-GmbH. (nunmehr YY-GmbH) und die Beschwerdeführerin - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt - nicht Gesamtschuldner derselben Rechtsgebühr im Sinn des § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG 1957 sind, kommt für die Qualifikation der Anfrage vom 21. Dezember 1984 als Unterbrechungshandlung daher keine Bedeutung zu. Der Einwand der Bemessungsverjährung ist damit nicht begründet.
Unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 wird schließlich von der Beschwerdeführerin eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben darin erblickt, daß der angefochtene Bescheid im Gegensatz zu einer der Aktenlage nach am 20. Dezember 1979 erteilten Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen steht. Es trifft zwar zu, daß ein Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben eintreten kann, wenn ein Abgabepflichtiger sein steuerliches Verhalten einer abgabenrechtlichen Rechtsauskunft entsprechend einrichtet (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. April 1984, Zl. 84/15/0041). Mangels einer gesetzlich angeordneten bindenden Wirkung von behördlichen Auskünften vermögen derartige Äußerungen die Nichtanwendung zwingender gesetzlicher Regelungen - auch für den Einzelfall - nicht zu rechtfertigen (vgl. hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1989, Zl. 89/08/0266). Das genannte Prinzip kommt damit in Bereichen, die von bindenden Rechtsvorschriften erfaßt sind, nicht zu Wort. Darüberhinaus kann eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben allenfalls folgende Bindung an eine erteilte Auskunft immer nur diejenige Behörde treffen, die die entsprechenden Auskünfte und Zusagen erteilt hat (vgl. hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1991, Zl. 90/15/0116).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 114/1991.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150115.X00Im RIS seit
06.02.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008