TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/10 89/10/0174

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Veröffentlicht am 10.06.1991
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litd;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs2;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a Z1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Regierungskommissär Mag. Kirchner, über die Beschwerde der Brigitte G in F, vertreten durch Dr. R Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12. Juni 1989, Zl. Ia 909/12/89, betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Vorarlberger Sittenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung (belangte Behörde) vom 12. Juni 1989 wurde die Beschwerdeführerin zweier Übertretungen nach den §§ 18 Abs. 1 lit. d und 4 Abs. 2 Sittenpolizeigesetz schuldig erkannt, weil sie 1.) in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1988 der Antonia P. und 2.) in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1988 der Anita S. jeweils dadurch vorsätzlich Gelegenheit zur gewerbsmäßigen Unzucht gewährt habe, als sie den Genannten jeweils ein weitervermietetes Apartment in einem näher bezeichneten Haus zur freien Verfügung überlassen habe, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß die Genannten in diesen Apartments die gewerbsmäßige Unzucht betrieben; über die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 18 Abs. 3 leg. cit. in jedem der beiden Fälle eine Geldstrafe in der Höhe von S 7.000,-- (Ersatzarreststrafe jeweils zehn Tage) verhängt.

Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, es habe die Beschwerdeführerin in einem Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch als Zeugin am 15. Juni 1988 angegeben, daß sie das in Rede stehende Haus von Hans L. gemietet und selbst Apartments an Anita S., Antonia P., Brigitte B. und Lydia S., von denen sie nicht gewußt habe, daß sie der Prostitution nachgingen, weitervermietet habe. Die Beschwerdeführerin sei darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht, strafbar sei und daß bei weiteren Strafverfahren gegen die vier genannten Personen gegen sie ein Verfahren durchgeführt werde. Es sei ihr auch mitgeteilt worden, daß sie das Mietverhältnis mit den genannten Personen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und ehestmöglich beenden müsse.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1988 habe eine von der Behörde angeordnete Schwerpunktaktion zur Bekämpfung des Dirnen- und Zuhälterunwesens stattgefunden, bei der auch das in Rede stehende Haus beobachtet und dabei festgestellt worden sei, daß mehrere Männer in das Haus gegangen seien und es wenige Zeit später wieder verlassen hätten. Bei der Anhaltung dieser Personen habe sich herausgestellt, daß sich Anita S. einem Freier zur Durchführung eines Geschlechtsverkehrs angeboten und die Prostituierte Antonia P. mit drei und die Beschwerdeführerin mit zwei weiteren Freiern einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt habe.

Gemäß § 4 Abs. 2 Sittenpolizeigesetz sei die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu untersagt. Die Beschwerdeführerin habe spätestens seit dem 15. Juni 1988 gewußt, daß Antonia P. und Anita S. in den von ihr vermieteten Apartments die gewerbsmäßige Unzucht ausüben. Sie irre, wenn sie glaube, durch die Auflösung des Mietverhältnisses per 1. August 1988 alles in ihrer Macht Stehende getan zu haben, um einer Strafe zu entgegen. Sie hätte das Mietverhältnis unverzüglich, wenn nötig auch mit gerichtlicher Hilfe auflösen müssen und hätte nicht durch ihr Verhalten die weitere Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht ermöglichen dürfen. Ihre Behauptung, daß sie nicht gewußt habe, daß ihre Mieterinnen die gewerbsmäßige Unzucht ausüben, sei als reine Schutzbehauptung zu werten, da ihr bereits am 15. Juni 1988 mitgeteilt worden sei, daß Anita S. und Antonia P. in den von ihr vermieteten Apartments die gewerbsmäßige Unzucht ausüben und die Beschwerdeführerin in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1988 selbst im Haus anwesend gewesen sei und mit einem Freier, der sich mit Anita S. über den Preis nicht habe einigen können, einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt habe. Diese Feststellungen ergäben sich aufgrund der detaillierten und widerspruchsfreien Angaben der Freier, die sogleich nach dem Verlassen des Hauses aufgehalten und von einem Organ der Bezirkshauptmannschaft als Zeugen einvernommen worden seien. Es seien ihnen Fotos vorgelegt worden, auf denen sie unter mehreren eindeutig jene Person wiedererkannt hätten, mit der sie kurz zuvor einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt durchgeführt hätten. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin rechtskräftig bestraft worden, weil sie im genannten Haus selbst die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt habe. Dies alles mache deutlich, daß die Beschwerdeführerin sehr wohl gewußt habe, daß ihre Mieterinnen der Prostitution nachgehen und sie die Apartments bewußt nur an solche Frauen vermietet habe, die die gewerbsmäßige Unzucht ausüben. Da sie nach dem 15. Juni 1988 nicht alles unternommen habe, um die weitere Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht in den von ihr vermieteten Apartments zu verhindern und es daher den Mieterinnen Antonia P. und Anita S. in der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 1989 (richtig offenbar: 1988) abermals möglich gewesen sei, der gewerbsmäßigen Unzucht nachzugehen, werden die Verwaltungsübertretungen als erwiesen angenommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die belangte Behörde legte den Verwaltungsstrafakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 2 des Vlbg Sittenpolizeigesetzes (SPG), LGBl. Nr. 6/1976, ist, soweit nicht Ausnahmen auf Grund einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen, zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu, untersagt.

§ 18 Abs. 1 lit. d leg. cit. bestimmt, daß eine Verwaltungsübertretung begeht, wer vorsätzlich Gelegenheit zu gewerbsmäßiger Unzucht gemäß § 4 Abs. 2 gewährt oder beschafft, sofern nicht ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt.

Nach den durch die Aktenlage gedeckten Feststellungen der belangten Behörde liegt eine Vermietung von Räumlichkeiten durch die Beschwerdeführerin an zwei namentlich genannte Personen vor. Der Zeitpunkt und die näheren Umstände des Abschlusses der Mietverträge mit diesen Personen und der damit verbundenen Einräumung der Verfügungsmacht über die Räume wurde von der belangten Behörde, soweit sich dies aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, nicht erhoben.

Das Tatbild der im Beschwerdefall in Betracht kommenden Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit § 4 Abs. 2 VlbG SPG besteht in der ÜBERLASSUNG von Räumen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu. Hatte die Beschwerdeführerin bereits beim Abschluß der Mietverträge - mit Personen, die gewerbsmäßig Unzucht ausüben oder sich hiezu anbieten - die Absicht, dadurch Gelegenheit zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten zu beschaffen, dann ist das Tatbild der Verwaltungsübertretung bereits mit dem Abschluß der Mietverträge und der damit verbundenen Einräumung der Verfügungsmacht über die Wohnung (Räume) verwirklicht. Da in einem solchen Fall auch das Aufrechterhalten des rechtswidrigen Zustandes pönalisiert ist (arg.: "Überlassung" im § 4 Abs. 2) handelt es sich um ein Dauerdelikt. Daraus folgt, daß auch das bloße Aufrechterhalten eines bereits bestehenden Mietvertrages dann strafbar ist, wenn dies - wenn auch erst in der Folge - in der Absicht geschieht, durch die Einräumung der Verfügungsmacht über die vermieteten Räume Gelegenheit zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu zu beschaffen.

Die belangte Behörde hat den Tatvorwurf einerseits auf die Feststellung gestützt, die Beschwerdeführerin habe spätestens seit dem 15. Juni 1988 gewußt, daß Antonia P. und Anita S. in den von ihr vermieteten Apartments die gewerbsmäßige Unzucht ausgeübt haben, habe es aber unterlassen, UNVERZÜGLICH das Mietverhältnis aufzulösen. Andererseits hat sich die belangte Behörde auf die Feststellung gestützt, die Beschwerdeführerin, die selbst wegen Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht im genannten Haus rechtskräftig verurteilt sei, habe die Apartments bewußt nur an solche Frauen "vermietet", die die gewerbsmäßige Unzucht ausübten.

Gemäß § 44a lit. a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, VwSlg. 11.466/A).

Die Umschreibung des Tatbildes der gegenständlichen Verwaltungsübertretung im Zusammenhang mit § 44a lit. a VStG zeigt, daß die Zeitpunkte der festgestellten Prostitutionsausübung für Beginn und Ende des Tatzeitraumes für den Fall der bereits beim Abschluß des Mietvertrages bestehenden Absicht, die Räume zum Zweck der Prostitutionsausübung oder -anbahnung zu überlassen, nicht von Bedeutung sind.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind bei einem Dauerdelikt Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch des Bescheides anzuführen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1989, Zl. 89/04/0002). Wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, daß bereits bei Abschluß des Mietvertrages die Absicht gegeben war, Gelegenheit zu gewerbsmäßiger Unzucht zu gewähren, so ist es erforderlich, den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages und der damit verbundenen Einräumung der Verfügungsmacht über die Räume in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmen. Andernfalls wäre jener Zeitpunkt als Beginn des Tatzeitraumes in den Spruch aufzunehmen, ab dem die Absicht, die Räume zu Zwecken der Prostitutionsausübung oder -anbahnung zu überlassen, erwiesen ist.

Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung dazu gelangt, daß der Beschwerdeführerin erst zu einem Zeitpunkt nach Abschluß des Mietvertrages und Einräumung der Verfügungsmacht über die Räume bekannt wurde, daß es sich bei den Personen, an die sie Räume vermietet hatte, um Personen handelt, die in diesen Räumen die gewerbsmäßige Unzucht betreiben, so wäre überdies zu berücksichtigen, daß es an der Tatbildmäßigkeit fehlt, wenn sich die Beschwerdeführerin unverzüglich und ernsthaft bemüht, das Mietverhältnis zu beenden.

Da es die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, den Tatzeitraum zu ermitteln bzw. widerspruchsfrei festzustellen und dadurch auch gegen § 44a lit. a VStG verstoßen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Der Beschwerdeführerin war Schriftsatzaufwand nur im begehrten Ausmaß - das seinerzeitige Pauschale wurde nicht ausgeschöpft - zuzusprechen, sodaß auch Art. III Abs. 2 der genannten Verordnung nicht zur Anwendung kam. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den Ersatz von Stempelgebühren, weil diese nur in dem für die Rechtsverfolgung erforderlichen Ausmaß (für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, eine Vollmacht, zwei Beilagen) zuerkannt werden konnten.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen Tatbestandsmerkmalen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989100174.X00

Im RIS seit

06.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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