TE Vfgh Erkenntnis 1988/10/6 KI-2/87

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Veröffentlicht am 06.10.1988
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita
WRG 1959 §10 Abs4
VfGG §51

Leitsatz

Art138 Abs1 lita B-VG; WRG §10 Abs4; verneinender Kompetenzkonflikt; keine Streitschlichtungskompetenz der Wasserrechtsbehörde im Fall der Beeinträchtigung des vertraglich Wasserberechtigten durch den Grundeigentümer selbst; Voraussetzung für die Nutzung des Grundwassers eines Grundstückes durch mehrere Personen ist ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten - Streitigkeiten daraus gehören vor die ordentlichen Gerichte

Spruch

1. Zur Entscheidung über das Begehren der Antragsteller, die Mitbeteiligten J und J A zur Entfernung eines von ihnen angelegten Brunnens wegen Gefährdung des Wasserbezuges der Antragsteller aus einer Quelle der Mitbeteiligten zu verpflichten, sowie in Hinkunft die Errichtung einer derartigen, den Wasserbezug der Antragsteller beeinträchtigenden Anlage zu untersagen, sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

2. Der Beschluß des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 2. September 1983, C190/83, wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragsteller bringen vor, ihnen stehe auf Grund eines Dienstbarkeitsbestellungsvertrages das Recht des uneingeschränkten Wasserbezuges aus einer Quelle zu, die sich auf einem benachbarten, den Mitbeteiligten J und J A gehörenden Grundstück befinde. Sie hätten das Recht der Errichtung einer Quellfassung, eines Wasserreservoirs samt Pumpenanlage und Wasserleitung sowie das Recht, das gesamte für die Landwirtschaft der Antragsteller erforderliche Wasser ausschließlich aus der zuvor genannten Quelle zu beziehen.

Die Mitbeteiligten hätten auf einem weiteren ihnen gehörenden Grundstück einen Brunnen angelegt, der lediglich 40 m von der Quelle entfernt sei, an der den Antragstellern das Wasserrecht zustehe. Durch diesen Brunnen werde der Wasserbezug der Antragsteller gefährdet.

2. Die Antragsteller klagten die Mitbeteiligten beim Bezirksgericht Scheibbs auf Entfernung dieses von den Mitbeteiligten neu angelegten Brunnens und begehrten weiters die Untersagung, in Hinkunft eine Anlage zu errichten, die den Wasserbezug der Antragsteller aus besagter Quelle beeinträchtigen könnte. Die Klage stützte sich (ausschließlich) auf den Dienstbarkeitsbestellungsvertrag.

Das Bezirksgericht Scheibbs hob mit Beschluß vom 2. September 1983, C190/83, das bis dahin durchgeführte Verfahren auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges mit der Begründung zurück, daß der von den Klägern geltend gemachte Anspruch gemäß §10 Abs4 WRG von der Wasserrechtsbehörde zu entscheiden sei.

3. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1983 zeigten die Antragsteller der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs den Bau eines Brunnens oder Wasserreservoirs durch die Mitbeteiligten an und behaupteten, daß ihr Quellwasser durch diesen Bau gefährdet werde. Nach Vornahme verschiedener Verfahrensschritte teilte die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs schließlich mit Schreiben vom 21. Oktober 1986 mit, daß sie als Wasserrechtsbehörde in dieser Sache keine weiteren Veranlassungen treffen werde, da es sich hiebei um Privatrechtsstreitigkeiten handle, zu deren Austragung die Zivilgerichte berufen seien.

4. Mit dem vorliegenden Antrag begehren die Antragsteller, den auf diese Weise ihrer Meinung nach entstandenen verneinenden Kompetenzkonflikt zu entscheiden. Das Bezirksgericht Scheibbs und die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs haben die Verfahrensakten vorgelegt.

II. Der Antrag ist zulässig:

Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht Scheibbs seine Zuständigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges abgelehnt, auch die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs hat unter Hinweis auf die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte eine Entscheidung verweigert. Die Unzuständigkeitserklärungen des Gerichtes und der Verwaltungsbehörde betreffen dasselbe Begehren, sodaß ein verneinender Kompetenzkonflikt vorliegt.

Die Erschöpfung des Instanzenzuges ist ebensowenig Voraussetzung der Zuständigkeit des VfGH wie eine bescheidmäßige Ablehnung der Zuständigkeit durch die Verwaltungsbehörde, eine formlose Ablehnung genügt (vgl. VfSlg. 3262/1957, 3798/1960; zum Instanzenzug VfSlg. 4369/1963, 8065/1977).

III. Zur Entscheidung über das geltend gemachte Begehren sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

1. Das Bezirksgericht Scheibbs begründete die Ablehnung seiner Zuständigkeit mit §10 Abs4 WRG, der zur Entscheidung einer derartigen Streitigkeit die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden vorsehe. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Wird durch eine Grundwasserbenutzung nach Abs1 der Grundwasserstand in einem solchen Maß verändert, daß rechtmäßig geübte Nutzungen des Grundwassers wesentlich beeinträchtigt werden, so hat die Wasserrechtsbehörde auf Antrag eine Regelung nach Rücksicht der Billigkeit so zu treffen, daß der Bedarf aller in Betracht kommenden Grundeigentümer bei wirtschaftlicher Wasserbenutzung möglichste Deckung findet. Ein solcher Bescheid verliert seine bindende Kraft, wenn sich die Parteien in anderer Weise einigen oder wenn sich die maßgebenden Verhältnisse wesentlich ändern."

Abs1 des §10 WRG gestattet dem Grundeigentümer die Benutzung des Grundwassers für den notwendigen Haus- und Wirtschaftsbedarf ohne Bewilligung der Wasserrechtsbehörde, wenn die Förderung nur durch handbetriebene Pump- oder Schöpfwerke erfolgt oder wenn die Entnahme in einem angemessenen Verhältnis zum eigenen Grunde steht. In allen anderen Fällen ist nach §10 Abs2 und 3 WRG für die Grundwasserbenutzung eine Bewilligung der Wasserrechtsbehörde erforderlich.

2. Nach Ansicht des VfGH gilt die Schlichtungsbefugnis nach §10 Abs4 WRG nur für jene Fälle, in denen verschiedene Grundeigentümer einander bei der Nutzung des Grundwassers auf dem eigenen Grundstück beeinträchtigen. Nicht zuständig ist die Wasserrechtsbehörde, wenn es zur Beeinträchtigung von Wassernutzungen verschiedener Nutzungsberechtigter auf einem Grundstück ein und desselben Grundstückeigentümers kommt, weil ein solcher Fall eine Vereinbarung mit dem Grundeigentümer über die Nutzung zur Voraussetzung hat.

Für diese Auslegung spricht die Wendung "Bedarf aller in Betracht kommenden Grundeigentümer" im letzten Halbsatz des ersten Satzes des §10 Abs4 WRG. Sie entspricht auch dem Zweck dieser Bestimmung, weil in diesem Fall die einzelnen Grundeigentümer in keinem besonderen (etwa vertraglichen) Privatrechtsverhältnis stehen.

Wenn aber mehrere Personen das Grundwasser ein und desselben Grundstückes nutzen, setzt dies - wie bereits ausgeführt - ein privatrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten voraus. Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesem Privatrechtsverhältnis, wozu auch der vorliegende Fall einer behaupteten Beeinträchtigung des vertraglich Wasserberechtigten durch den Grundeigentümer selbst zählt, gehören vor die ordentlichen Gerichte; für diesen Fall besteht auch gar keine Notwendigkeit einer gesonderten Streitschlichtungskompetenz der Wasserrechtsbehörde.

Eine andere Auslegung könnte nur durch die allgemein gehaltenen Formulierungen "eine Grundwasserbenutzung" und "rechtmäßig geübte Nutzungen des Grundwassers" in den ersten beiden Halbsätzen des ersten Satzes des §10 Abs4 WRG nahegelegt werden. Im Lichte der vorigen Ausführungen bringen diese Formulierungen aber lediglich zum Ausdruck, daß nicht nur der Grundeigentümer selbst gegen einen anderen Grundeigentümer, sondern auch eine Person, die ihr Benutzungsrecht vom Grundeigentümer herleitet (eine solche Nutzung durch Dritte ist zulässig, vgl. Grabmayr/Rossmann, Das österreichische Wasserrecht, 2. Auflage, Wien 1978, S. 64f, Anmerkung 2), im Falle der Beeinträchtigung durch einen anderen Grundeigentümer die Wasserrechtsbehörde anrufen kann.

3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß das Bezirksgericht Scheibbs seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat. Der von diesem Gericht gefaßte, einer Sachentscheidung entgegenstehende Beschluß vom 2. September 1983 ist daher gemäß §51 VerfGG aufzuheben.

Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 erster Satz VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:KI2.1987

Dokumentnummer

JFT_10118994_87K00I02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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