TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/11 90/14/0270

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Veröffentlicht am 11.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §93 Abs2;
EStG 1972 §23a;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/14/0271 90/14/0272

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der Gertrud

K in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 15. Februar 1990,

1.

Zl. B 309/1-3/89, betreffend Einkommensteuer 1982 und 1983,

2.

Zl. B 156/7-3/89, betreffend Einkommensteuer 1984,

3.

Zl. B 156/8-3/89, betreffend Einkommensteuer 1985 und Einkommensteuervorauszahlungen 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In den Einkommensteuerbescheiden 1982 bis 1985 versagte das Finanzamt den Verlusten der Beschwerdeführerin aus einer Beteiligung als Kommanditistin die Ausgleichsfähigkeit. Mit den von der belangten Behörde urspünglich erlassenen Berufungsentscheidungen wurde den Berufungen der Beschwerdeführerin in Anwendung des § 23a EStG 1972 in der Fassung des Ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 80, teilweise Folge gegeben. Die Verluste wurden in der Höhe der in den Streitjahren geleisteten Einlagen anerkannt, im übrigen nicht berücksichtigt.

Gegen diese Berufungsentscheidungen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, worin sie die Aufhebung der angefochtenen Bescheide insoweit beantragte, als die ihr zugewiesenen Verluste aus der Kommanditbeteiligung als nicht ausgleichsfähig beurteilt worden waren.

Mit Erkenntnissen vom 28. November 1989, B 611/89, B 612/89 und B 613/89, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden sei, insoweit mit diesen die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen worden war. Die Bescheide würden insoweit aufgehoben.

Begründend führte der Gerichtshof unter anderem aus, er habe mit Erkenntnis vom 5. Oktober 1989, G 228/89, Art. II Z. 1 erster Satz des I. Abschnittes des Ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 80, wonach § 23a Abs. 1 EStG 1972 in der Fassung BGBl. Nr. 80/1987 "erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1982 anzuwenden" sei, aufgehoben. Der gegenständliche Fall sei einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Mit den von der belangten Behörde erlassenen Ersatzbescheiden vom 15. Februar 1990 wurden die Berufungen der Beschwerdeführerin (abgesehen von der Anrechnung der 1984 einbehaltenen Zinsertragsteuer) abgewiesen. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei das rückwirkende Inkrafttreten des (neuen) § 23a EStG 1972 in der Fassung des Ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987 verfassungswidrig gewesen. Der durch Art. I Z. 22 Abgabenänderungsgesetz 1981, BGBl. Nr. 620, dem EStG 1972 eingefügte (alte) § 23a sei vom Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom 11. Dezember 1985, G 139, 207, 221, 238, 247/85) ebenfalls als verfassungswidrig aufgehoben worden, wobei für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Bestimmung eine Frist bis zum 31. Dezember 1986 gesetzt worden sei. Dies bedeute, daß für die Streitjahre noch der § 23a EStG 1972 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981 anzuwenden sei. Da diese Bestimmung jedoch noch keine Gegenverrechnung mit geleisteten Einlagen vorgesehen habe, müsse den Kommanditverlusten der Beschwerdeführerin ZUR GÄNZE die Ausgleichsfähigkeit versagt werden.

Gegen diese Bescheide (ausgenommen die schon überholte Festsetzung von Vorauszahlungen für 1987) erhob die Beschwerdeführerin Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser wies die Beschwerden mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1990, B 512/90, B 574/90, B 594/90, ab, weil die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei. Die Beschwerden wurden an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide in einem sonstigen Recht verletzt worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof führte unter anderem aus, es sei davon auszugehen, daß mit dem Erkenntnis G 228/89 vom 5. Oktober 1989 nicht etwa § 23a EStG in der Fassung des Ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987, sondern die Übergangsbestimmung dieses Gesetzes aufgehoben worden sei, welche die Anwendung des neu gefaßten § 23a EStG auf Veranlagungen vor seinem Inkrafttreten (ab dem Kalenderjahr 1982) angeordnet hätte. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, stelle daher nur klar, daß an die Stelle der aufgehobenen keine andere Übergangsbestimmung trete. Es folge daraus nur, daß § 23a neu nicht mehr auf frühere Veranlagungsjahre zurückwirke. Der im Erkenntnis

VfSlg. 10.731/1985 bis zum Ablauf des 31. Dezember 1986 in Kraft belassene § 23a alt sei daher auf die Veranlagung für die hier in Rede stehenden Jahre 1982 bis 1985 wieder unverändert anzuwenden. Der Verfassungsgerichtshof sei nicht befugt, die Wirkungen des zuletzt genannten Erkenntnisses aus Anlaß der vorliegenden Beschwerden auch auf die Zeit vor dem 1. Jänner 1987 zu erstrecken. Er könne der belangten Behörde daher nicht entgegentreten, wenn diese im fortgesetzten Verfahren die Rechtssachen so behandelt habe, als hätte § 23a neu EStG nie gegolten. Es sei zwar richtig, daß das nach Beseitigung der Übergangsbestimmung des Ersten Abgabenänderungsgesetzes 1987 gefällte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes die Berufungsentscheidung der belangten Behörde nur insoweit aufgehoben habe, als damit die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen worden sei. Es sei aber weder denkunmöglich noch Willkür, wenn die Behörde angenommen habe, die teilweise Aufhebung des Berufungsbescheides habe zur Folge, daß über die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes wegen Unteilbarkeit der Sache doch zur Gänze neu entschieden werden müsse.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihren Rechten dadurch verletzt, daß für die Einkommensteuer derselben Jahre voneinander abweichende Bescheide - nämlich die zum Teil rechtskräftigen ursprünglichen Berufungsentscheidungen und die mit den vorliegenden Beschwerden angefochtenen - bestünden. Für das Jahr 1986 enthalte die betreffende Entscheidung überhaupt keine Begründung. Die Beschwerdeführerin beantragt die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Die Beschwerdeführerin meint, die stattgebenden Teile der ursprünglichen Berufungsentscheidungen seien in Rechtskraft erwachsen, da diese Teile weder von ihr in ihren (ersten) Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof angefochten, noch vom Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 28. November 1989 aufgehoben worden seien. Richtig ist, daß der Verfassungsgerichtshof damals eine Rechtsverletzung annahm "insoweit" die Berufungen der Beschwerdeführerin abgewiesen worden waren. Der Beschwerdeführerin ist zuzugeben, daß sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt sah, die Bescheide "insoweit", nämlich "im angefochtenen Umfang" aufzuheben.

Dieser Ausspruch kann aber nichts daran ändern, daß im Bereich des Abgabenverfahrensrechtes (von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen) eine Teilrechtskraft nicht eintreten kann (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, Seite 685, auch Seiten 473, 495, 732; Ellinger-Wetzel-Mairinger, BAO, 2. Auflage, Seite 158). Die Abgabenfestsetzung (der Spruch) bildet ein einheitliches Ganzes (vgl. Stoll, a.a.O., Seite 495); ein Einkommensteuerbescheid darf nicht in selbständige Teile (Teilbescheide) zerlegt werden (vgl. auch Stoll, a.a.O., Seite 685).

Auch der Verfassungsgerichtshof räumte - wie schon erwähnt - in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1990 ein, es sei weder denkunmöglich noch willkürlich anzunehmen, daß über die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes trotz (nur) "teilweiser Aufhebung" der Berufungsentscheidung wegen Unteilbarkeit der Sache DOCH zur Gänze neu entschieden werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hält die Auffassung der Beschwerdeführerin, Teile der urspünglichen Berufungsentscheidungen wären (mangels Anfechtung und mangels Aufhebung) bereits in Rechtskraft erwachsen, im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Festsetzung der Einkommensteuer für ein bestimmtes Jahr für rechtsirrig. Vielmehr war die belangte Behörde berechtigt, wegen der Untrennbarkeit des Abspruches nach den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1989 wiederum über das gesamte ursprüngliche Berufungsbegehren zu entscheiden. Daß sie hiebei für die Streitjahre die (alte) Fassung des § 23a EStG, wie sie im Abgabenänderungsgesetz 1981 geschaffen wurde, anzuwenden hatte, wurde vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 1990 dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Meinung an. Danach war eine Verrechnung von Verlusten und geleisteten Einlagen aber nicht möglich. Nur diese Berufungsentscheidungen - nicht auch Teile der ursprünglichen - gehören dem Rechtsbestand an; von der Existenz je zweier (unterschiedlicher) Bescheide für die Einkommensteuer derselben Jahre kann daher keine Rede sein.

Zum Jahr 1986 ist noch zu bemerken, daß die betreffende Berufungsentscheidung tatsächlich nur eine Begründung für das Streitjahr 1985 enthält, obwohl im Spruch auch das Jahr 1986 erwähnt wurde. Allerdings nahm die belangte Behörde eine entsprechende Berichtigung des Spruches vor.

Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990140270.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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