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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ForstG 1975 §19 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Hildegard M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 6. März 1991, Zl. 18.324/02-IA 8/91, betreffend Abweisung einer Berufung gegen eine vorübergehende Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde V), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Stadtgemeinde V die vorübergehende Rodungsbewilligung für Teilflächen bestimmter Waldgrundstücke der KG W im Gesamtausmaß von 1980 m2 zum Zwecke der Errichtung von Leitungsanlagen zur Ver- und Entsorgung der Nutz- und Abwässer des Siedlungsgebietes "P-Hof" mit der Auflage mehrerer Nebenbestimmungen erteilt. Das Siedlungsgebiet P-Hof sei rechtskräftig als solches ausgewiesen. Bei der beantragten Rodungsfläche handle es sich im wesentlichen um einen Forstweg, der eine dauernd unbestockte Waldfläche gemäß § 1 Abs. 3 des Forstgesetzes darstelle, wobei der Entzug der Wirkungen des Waldes unbedeutend und lediglich die Fällung einiger Bäume notwendig sei.
Die Beschwerdeführerin besitzt ein Fahrtrecht auf dem verfahrensgegenständlichen Forstweg. Die Beschwerdeführerin wurde mit ihren Einwendungen, was die Ausübung des Fahrtrechtes während der Bauarbeiten bzw. hinsichtlich einer möglichen Ersatzzufahrt und eventuellen Ausgleichszahlungen auf den Zivilrechtsweg gemäß § 19 Abs. 9 des Forstgesetzes verwiesen.
1.2. Gegen diesen Beschweid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der u.a. das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Kanalbauvorhabens in Zweifel gezogen und geltend gemacht wird, daß die Trasse des geplanten Kanals nach dem Gefahrenzonenplan in einer roten Zone (Bauverbot) liege. Mit dieser Beschwerde ist ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Durch die Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung würden an der betreffenden Waldfläche irreversible Schäden eintreten; die Behörde habe sich mit den Folgewirkungen auf die Waldfläche nicht auseinandergesetzt. Die baulichen Maßnahmen auf dem Forstweg müßten zwangsläufig dazu führen, daß die "Oberfläche des Forstweges einer Nivellierung, sprich Asphaltierung, zugeführt" werde. Daraus ergebe sich, daß die Herstellung des ursprünglichen Zustandes rein technisch nicht möglich sei. Die angebotene Ersatzzufahrt würde ein neuerliches Verfahren bedingen und darüber hinaus eine weitere Beeinträchtigung des Waldbodens nach sich ziehen. Es sei nicht eindeutig abgeklärt, daß dieser Ersatzweg auch verwendet werden könne. Durch den unverzüglichen Baubeginn ohne Regelung einer Ersatzzufahrt und ohne Klarheit über die tatsächliche Beschaffenheit sei ein unverhältnismäßiger Nachteil für die Beschwerdeführerin gegeben, da weder Einsatzfahrzeuge noch sie selbst zu ihrem Haus zufahren könnten.
2.1. Gemäß § 30 Abs. 1 VwGG kommt den Beschwerden vor dem Verwaltungsgerichtshof eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Gemäß § 30 Abs. 2 leg. cit. hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Wie sich aus der Wiedergabe des Gesetzestextes ergibt, geht die mitbeteiligte Partei in ihrer Stellungnahme vom 28. Mai 1991 von einer überholten Fassung der Bestimmungen des VwGG über die aufschiebende Wirkung aus.
2.2. Der Aufschiebungsantrag war vielmehr zunächst danach zu beurteilen, ob dem Aufschub der Ausübung der mit dem angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung durch die mitbeteiligte Stadtgemeinde zwingende öffentliche Interessen entgegenstünden.
Dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Fall. Daß die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Erlaubnis das Vorliegen eines öffentlichen Interesses voraussetzt, berechtigt nicht auch schon zur Annahme, daß eben dieses Interesse auch die sofortige Verwirklichung der getroffenen Maßnahme zwingend erfordert. Die von der mitbeteiligten Stadtgemeinde ins Treffen geführte Dringlichkeit des Anschlusses der P-Hofsiedlung an die vorgesehene Kanalisationsanlage als Voraussetzung für die Fertigstellung und den Bezug der Siedlung stellt jedenfalls kein so qualifiziertes öffentliches Interesse dar, wie es von der Rechtsprechung als Begriffsinhalt der "zwingenden öffentlichen Interessen" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG erkannt wurde, spielt doch hier sachverhaltsbezogen insbesondere der Gesichtspunkt der Abwehr einer bereits bestehenden Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen keine Rolle (vgl. etwa die Judikaturnachweise bei Puck, Die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, ZfVB 1982, 359, 464).
2.3. Stehen also der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen, ist zu prüfen, ob nach Abwägung aller berührten Interessen mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung durch die mitbeteiligte Partei für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Bei der im Provissorialverfahren über einen solchen Aufschiebungsantrag vorzunehmenden Interessenabwägung ist nicht das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens selbst vorwegzunehmen, auch nicht vorfrageweise; die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides selbst ist hier (noch) nicht zu prüfen (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 26. April 1978, Zl. 400/78 = ZfVB 1979/1/128). Es ist daher davon auszugehen, daß die mitbeteiligte Partei ein - wie immer zu qualifizierendes - Interesse an der Gebrauchnahme der ihr rechtskräftig eingeräumten Rodungsbewilligung hat. Daß an der Fertigstellung der wassserbehördlich genehmigten Kanalanlage für eine fast fertiggestellte Wohnsiedlung ein gewichtiges Interesse der mitbeteiligten Stadtgemeinde besteht, ist nicht zweifelhaft.
Dieser gegen die Aufschiebung sprechenden Interessenlage der mitbeteiligten Partei ist der für die Beschwerdeführerin mit der Ausübung der Rodungsbewilligung behaupteterweise verbundene Nachteil gegenüberzustellen, der im Fall seiner Unverhältnismäßigkeit die Zuerkennung der aufscheibenden Wirkung rechtfertigen und gebieten würde. Allein, die behaupteten Nachteile für die Beschwerdeführerin erweisen sich nicht als unverhältnismäßig im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG.
Was zunächst die Behauptung anlangt, es würden an der Waldfläche irreversible Schäden und Folgewirkungen eintreten, so erweist sich dieses Vorbringen - bezogen auf das der Beschwerdeführerin zustehende Fahrtrecht - als keineswegs ausreichend konkretisiert. Insbesondere wird in keiner Weise glaubhaft dargetan, daß durch die Gebrauchnahme von der Rodungsbewilligung bereits während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine dauernde, auch in der Folge nach einer allfälligen Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr rückgängig zu machende Beeinträchtigung von Rechten der Beschwerdeführerin eintreten würde. Dazu kommt, daß bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung auch im Verwaltungsverfahren getroffene Feststellungen, die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen, ohne der entgültigen Entscheidung vorzugreifen, herangezogen werden können.
Auch die Behauptung, die Oberfläche des Forstweges werde einer Nivellierung (Asphaltierung) zugeführt, sodaß die Herstellung des ursprünglichen Zustandes rein technisch nicht möglich sei, läßt einen im Hinblick auf das Fahrtrecht der Beschwerdeführerin unverhältnismäßigen Nachteil nicht erkennen.
Was schließlich die zur Verfügung gestellte Ersatzzufahrtsstraße zum Wohnort der Beschwerdeführerin anlangt, so wird hier kein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin dadurch berührt, daß dies "eine weitere Beeinträchtigung des Waldbodens nach sich ziehen würde". Da die von der mitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellte Ersatzzufahrtsstraße von der Beschwerdeführerin, wie ihr rechtsfreundlicher Vertreter mitgeteilt hat, "wenn auch unter ausdrücklichem Protest" bereits benützt wird und die mitbeteiligte Partei unter Vorlage eines Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. A vom 7. Mai 1991 glaubhaft dargetan hat, daß die Ersatzstraße einem schwer beladenen LKW ohne Beschädigung und Eindrücke standhält und als Ersatzstraße für PKW und landwirtschaftliche Fuhren somit hinsichtlich des Oberbaues ausreichend dimensioniert und als geeignet anzusehen sei, vermag der Gerichtshof auch in dieser Hisnicht keinen unverhältnismäßigen Nachteil für die Beschwerdeführerin im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG zu erblicken.
Dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, war daher nicht stattzugeben.
Schlagworte
Zwingende öffentliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:AW1991100033.A00Im RIS seit
17.06.1991