TE Vwgh Beschluss 1991/6/17 87/17/0211

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Veröffentlicht am 17.06.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 87/17/0212

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über den Antrag des N auf Wiederaufnahme der mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1987, Zlen. 87/17/0011, 0012, abgeschlossenen Beschwerdeverfahren betreffend Versicherungssteuer, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 und 4 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1.1. Mit Beschluß vom 27. März 1987, Zlen. 87/17/0011, 0012, wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Antragstellers gegen zwei Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. November 1986, 1.) Zl. GA 11-1975/86,

2.) Zl. GA 11-1975/1/86, beide betreffend Versicherungssteuer, wegen Verspätung zurück. Die Beschwerde sei beim Verwaltungsgerichtshof am 19. Jänner 1987 persönlich überreicht worden; die Beschwerdefrist sei jedoch mit Ablauf des 15. Jänner 1987 verstrichen gewesen.

1.2. In seinem Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem vorgenannten Beschluß abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens macht der Antragsteller geltend, die Beschwerde sei nicht am 19. Jänner 1987 persönlich beim Gerichtshof überreicht, sondern am 2. Jänner 1987 zur Post gegeben worden. Die Beschwerde sei zusammen mit folgenden Schriftstücken an den Verwaltungsgerichtshof gesandt worden:

"1. Stellungnahme zur Gegenschrift der b.B. im

dg. Beschwerdeverfahren Zl. 86/11/0122, 0123;

2. Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26.11.1986, anhängig unter dg. Zl. 87/15/0007;

3. zwei Beschwerden gegen zwei Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6.10.1986 betr. Nachsicht von Stempelgebühren und Kfz-Steuer;

4. zwei Beschwerden gegen zwei Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19.11.1986 betr. Vorschreibung und Nachsicht von Kfz-Steuer (1983/84);

5. Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13.11.1986 betr. Stundung von Kfz-Steuer.

Bezüglich der Ziffer 3. bis 5. angeführten Beschwerden sind mir keine dg. Geschäftszahlen bekannt."

Dem Antragsteller sei in der Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung kein Parteiengehör gewährt worden.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. d VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

2.1. § 45 Abs. 1 VwGG lautet auszugsweise:

"(1) Die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens ist auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn

1.

...

2.

das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

3.

...

4.

im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte oder

              5.              ..."

2.2. Die Behauptungen des Antragstellers in seinem rechtzeitig gestellten Wiederaufnahmeantrag haben den Verwaltungsgerichtshof zu Erhebungen über die hier relevanten Vorgänge in der Einlaufstelle und in der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichtshofes veranlaßt, deren Ergebnisse wie folgt zusammenzufassen sind:

2.2.1. Der hg. Beschluß vom 27. März 1987,

Zlen. 87/17/0011, 0012, mit dem das wiederaufzunehmende Beschwerdeverfahren abgeschlossen wurde, stützt die Annahme der Verspätung der damaligen Beschwerdeerhebung auf die Feststellung, daß die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 19. Jänner 1987 persönlich überreicht worden sei. Dem liegt folgende Aktenlage zugrunde: Die mit 2. Jänner 1987 datierte Beschwerde weist eine von der Einlaufstelle angebrachte Eingangsstampiglie auf, auf der als Eingangstag der 19. Jänner 1987 vermerkt ist und die Vermerke über die Art des Einlangens "Post" und "Persönlich" durchgestrichten sind, wobei der Vermerk "Persönlich" wiederum unterpunktiert wurde. Der damalige Berichterstatter wies die Geschäftsstelle an zu veranlassen, "daß auf der Beschwerde eine leserliche Einlaufstampiglie angebracht wird, aus der entnommen werden kann, 1) ob das Stück persönlich beim Verwaltungsgerichtshof überreicht wurde und an welchem Tag, 2) oder ob es zur Post gegeben wurde und im Postweg an den Verwaltungsgerichtshof gelangt ist und an welchem Tag die Postaufgabe erfolgte. Im Falle 2) wäre der Briefumschlag beizuschließen". Daraufhin wurde auf Seite 1 der Beschwerde eine zweite Eingangsstampiglie angebracht, auf der der Vermerk "Post" deutlich durchgestrichen, der Vermerk "Persönlich" deutlich angehakt und das Datum "19. Jän. 1987" eingetragen wurde. Darauf wurde der Zurückweisungsbeschluß vom 27. März 1987 gestützt.

Die Erhebungen aus Anlaß des Wiederaufnahmeantrages, dem zufolge die Beschwerde zu den Zlen. 87/17/0011, 0012, zusammen mit anderen Eingaben, darunter mit einer Stellungnahme zur Gegenschrift in der Sache zu Zlen. 86/11/0122, 0123, im Postweg eingebracht worden sei, brachten zwei Zustellbögen und ein Kuvert zutage. Auf dem Zustellbogen vom 5. Jänner 1987 ist unter der laufenden Nummer 7 der Eingang einer Sendung des Antragstellers zu 86/11/0122 im Postwege vermerkt. Der weitere Zustellbogen vom 19. Jänner 1987 weist unter der laufenden Nr. 42 den Namen des Antragstellers, jedoch kein Aktenzeichen auf; die Spalte "Post" ist leer, angehakt hingegen ist die Spalte "Bote", daneben steht "6 x"; in der Spalte

"pers. überr." steht nochmals "6 x", wobei das "X"-Zeichen in die nebenstehende Spalte "Bote d. VwGH" hinüberreicht. Aufgefunden wurde auch das Kuvert, eingeschrieben aufgegeben am 2. Jänner 1987, in welchem die Stellungnahme zur Gegenschrift zu Zlen. 86/11/0122, 0123, eingelangt ist. Auf der auf diesem Kuvert angebrachten Eingangsstampiglie haben die Einlaufstelle den 5. Jänner 1987 festgehalten und die Sachbearbeiterin der Geschäftsstelle die Geschäftszahl 86/11/0122-10 vermerkt. Es handelt sich um ein großes, zur Aufnahme von DIN A 4-Stücken geeignetes Kuvert. Auf Blatt 25 des Beschwerdeaktes zu Zlen. 86/11/0122, 0123 (der Stellungnahme zur Gegenschrift) hat dieselbe Kanzleikraft auf dem auf der Stellungnahme angebrachten Eingangsstempel die GZ. "86/11/0122-10" und auf dem Aktendeckel "Äußerung zur Gegenschrift + Beilagen" vermerkt. Mit anderer Schrift steht auf dem Eingangsstempel in der Spalte "Akten" die Ziffer 470. Vermerke dieser letzteren Art betreffen das Gewicht von Aktenkonvoluten, insbesondere z. B. der von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten, in Gramm. Bei der Rücksendung von Akten dieser Art wird wiederum das Gewicht vermerkt. Im Akt 86/11/0122, 0123, findet sich kein Hinweis darauf, daß dieses Konvolut von 470 g den Verwaltungsgerichtshof wieder verlassen hätte; auch teilten der Landeshauptmann von Wien und der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft, denen die Stellungnahme zu Zlen. 86/11/0122, 0123-10 (je 1 Blatt) zugestellt worden war, mit, daß ihnen keine Akten- oder Beilagenkonvolute zugleich zugegangen seien.

Unter den 6 Eingaben, deren Postaufgabe der Antragsteller zugleich mit der Eingabe zu Zlen. 86/11/0122, 0123-10, am 2. Jänner 1987 behauptet und die den Eingangsstempel vom 19. Jänner 1987 erhalten haben, befindet sich auch die Beschwerde zu Zl. 87/15/0007-1 (weitere Eingaben sind jene zu folgenden Geschäftszahlen: 87/15/0008; 87/15/0043, 0044, vormals 87/17/0014, 0015; 87/15/0045, 0046, vormals 87/17/0016, 0017; 87/17/0011, 0012; 87/15/0042). Die Rückseite des mit der eben genannten Beschwerde zu Zl. 87/15/0007-1 vorgelegten angefochtenen Bescheides trägt den Vermerk "86/11/0122-10", der, wie die oben erwähnte Kanzleikraft festgestellt hat, von dieser stammt. Vermerke dieser Art werden üblicherweise auf der Rückseite der erwähnten Aktenkonvolute oder selbständigen Aktenteile angebracht, um festzuhalten, mit welchem Schriftstück diese gemeinsam eingelangt sind.

2.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof nimmt auf Grund dieser Ermittlungsergebnisse als erwiesen an, daß die mit der Eingabe zu Zlen. 86/11/0122, 0123-10 am 5. Jänner 1987 eingelangten weiteren Eingaben des Antragstellers zunächst als Akten- oder Beilagenkonvolut behandelt (abgewogen und gekennzeichnet) wurden, wofür insbesondere der Vermerk "86/11/0122-10" auf der Rückseite des angefochtenen Bescheides zur (offenbar später protokollierten) Zl. 87/15/0007, die Gewichtsangabe und der unzutreffende Hinweis auf Beilagen zur Eingabe 86/11/0122-10 auf dem dortigen Aktendeckel sprechen. Der Gerichtshof nimmt weiters als erwiesen an, daß diese Eingaben - möglicherweise auf Grund eines Hinweises des Berichters in der Sache 86/11/0122, 0123, dem die Ordnungsnummer 10 mit den unzutreffenderweise als "Akten 470 g" bezeichneten weiteren Schriftstücken vorgelegt worden waren - von der Geschäftsstelle zur Einlaufstelle zurückgelangt sind und dort als am 19. Jänner 1987 neu und durch Boten eingelangt behandelt wurden. Für die Unsicherheit in der Behandlung spricht der (bezüglich der Einbringungsart) unklare erste Eingangsstempel vom 19. Jänner 1987 auf Ordnungsnummer 1 zu Zlen. 87/17/0011, 0012. Auch Größe und Frankierung des Kuverts mit dem Vermerk 86/11/0122-10 sprechen dagegen, daß darin nur die Stellungnahme zur Gegenschrift (3 Blatt) enthalten gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof geht somit nunmehr davon aus, daß die Beschwerde zu Zlen. 87/17/0011, 0012 nicht (erst) am 19. Jänner 1987 persönlich beim Verwaltungsgerichtshof überreicht wurde, sondern am 2. Jänner 1987 unter anderem mit der Eingabe zu Zlen. 86/11/0122, 0123-10 zur Post gegeben wurde.

2.3. Auf dem Boden dieser Feststellungen ergibt sich, daß die Wiederaufnahmetatbestände des § 45 Abs. 1 Z. 2 und 4 VwGG verwirklicht sind.

Dem Antrag war infolgedessen stattzugeben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987170211.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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