TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/18 91/11/0061

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Veröffentlicht am 18.06.1991
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §36 Abs2 litb;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z1;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/11/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerden des P 1.) gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 26. März 1991, Zl. 711.914/1-2.5/90, betreffend Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst, 2.) gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 30. April 1991, Zl. W/65/16/03/68, betreffend Einberufung zur Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

Aus den Beschwerden und den angeschlossenen angefochtenen Bescheiden ergibt sich folgender Sachverhalt:

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 26. März 1991 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 28. August 1990 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides wurde der am 25. März 1965 geborene Beschwerdeführer am 20. September 1983 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden. Er habe am 1. Juli 1987 den ordentlichen Präsenzdienst angetreten. Mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 24. Juli 1987 sei der Beschwerdeführer gemäß § 40 Abs. 5 lit. b in Verbindung mit § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978 vorzeitig aus diesem Präsenzdienst entlassen und bis 31. Dezember 1990 von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen ordentlichen Präsenzdienstes befreit worden. Mit Schreiben vom 12. Jänner 1989 habe der Beschwerdeführer dem Militärkommando Wien mitgeteilt, daß die Gründe, die seinerzeit zu seiner vorzeitigen Entlassung und befristeten Befreiung von der Präsenzdienstpflicht geführt hätten, weggefallen seien. Gleichzeitig habe er einen neuen Antrag auf Befreiung von der Präsenzdienstpflicht für die Dauer von zwei bis drei Jahren gestellt. Laut der mit ihm aufgenommenen Niederschrift über eine Vorsprache beim Militärkommando Wien am 2. März 1989 habe der Beschwerdeführer unter anderem erklärt, mit seinem Antrag vom 12. Jänner 1989 begehre er eine befristete Befreiung bis 15. November 1990. Falls dem stattgegeben werden sollte, werde er seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so regeln, daß er nach Ablauf des Befreiungszeitraumes den restlichen Präsenzdienst ableisten könne. Mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 21. März 1989 sei der Beschwerdeführer daraufhin von der Verpflichtung zur Leistung des restlichen ordentlichen Präsenzdienstes befristet bis 15. November 1990 befreit worden. In einem Anhang zu diesem Bescheid sei er ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß er mit seiner Einberufung ab Jänner 1991 zu rechnen habe.

In Ansehung der zu beurteilenden Interessen des Beschwerdeführers ging der Bundesminister für Landesverteidigung von folgenden Sachverhaltsannahmen aus: Der Beschwerdeführer betreibe in Wien eine Imbißstube, seine Ehegattin ein Gasthaus in Wien. Beide Unternehmen würden vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt. Der Beschwerdeführer sei als Mitunternehmer ("atypisch stiller Gesellschafter") beigetreten und mit seiner Gattin jeweils zu 50 % am Vermögen, Gewinn und Verlust der Unternehmen beteiligt. Derzeit würden keine fremden Arbeitskräfte beschäftigt. Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin seien mit Kreditverpflichtungen in der Höhe von S 1,865.406,78 belastet. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 91/11/0062 protokollierte Beschwerde.

2. Mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 30. April 1991 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG zur Ableistung des restlichen Grundwehrdienstes beginnend mit 1. Juli 1991 einberufen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 91/11/0061

protokollierte Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie erwogen:

1. Zu Zl. 91/11/0062:

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 2 WG können Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes auf ihren Antrag befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Ausgehend von dem unter Punkt I.1 dargestellten Sachverhalt bejahte die belangte Behörde mit Rücksicht auf die Beteiligung des Beschwerdeführers an den zwei Gastgewerbebetrieben und die aufrechten Kreditverbindlichkeiten zwar das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen, verneinte aber deren besondere Rücksichtswürdigkeit. Der Beschwerdeführer habe mit seiner neuerlichen Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes rechnen und daher bei der Gestaltung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten darauf Bedacht nehmen müssen. Er hätte daher von weiteren finanziellen Belastungen Abstand nehmen und allenfalls entsprechende Dispositionen treffen müssen, um seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen zu können.

Diese Begründung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Wehrpflichtiger die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen hat, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden (vgl. etwa das zu § 37 Abs. 2 lit. b des Wehrgesetzes 1978, nunmehr § 36 Abs. 2 Z. 2 WG, ergangene Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/11/0124, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die belangte Behörde hat unter Hinweis auf das einen vergleichbaren Fall betreffende hg. Erkenntnis vom 29. September 1987, Zl. 87/11/0064, auch zu Recht betont, daß dem Beschwerdeführer aus den bisherigen befristeten Befreiungen kein Rechtsanspruch auf ein weiteres gleichartiges Entgegenkommen erwachsen sei. Daran vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, im Hinblick auf die 50 %ige Beteiligung seiner Ehefrau an den beiden Betrieben sei sie im selben Ausmaß wie er "hinsichtlich der Aufnahme von Kreditverbindlichkeiten, der Durchführung und Ausweitung des Geschäftsvolumens" dispositionsbefugt und es sei dem Partner nicht zumutbar, eventuell von der Aufnahme von Krediten Abstand zu nehmen, um dem anderen die Erfüllung seiner Wehrpflicht zu ermöglichen, nichts zu ändern. Denn der Umstand, daß ein Partner an einem gemeinschaftlichen Unternehmen bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen auf die besagte Harmonisierungspflicht des anderen nicht Bedacht nimmt, kann jedenfalls nicht dazu führen, daß im Falle dadurch entstehender Schwierigkeiten für den wehrpflichtigen Partner dessen wirtschaftliche Interessen deshalb besonders rücksichtswürdig werden.

Mit dem Argument, daß "ein Unternehmer ausschließlich daran interessiert ist, Gewinn zu machen, und entsprechende unternehmerische Dispositionen hinsichtlich der Ausweitung seines Betriebes ergreifen muß", ist für den Beschwerdeführer deshalb nichts zu gewinnen, weil eben dieses durchaus berechtigte Bestreben im Falle eines Wehrpflichtigen eine Einschränkung durch die besagte Harmonisierungspflicht erfährt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung und die damit verbundene Konsequenz, daß aus ihrer Nichtbeachtung resultierende wirtschaftliche Schwierigkeiten keine besonders rücksichtswürdigen Interessen im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 WG begründen können, ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob mit der Einberufung des Beschwerdeführers "ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil", der sich allenfalls nicht mehr in "erträglichen Grenzen" hält, verbunden sein kann. Daher vermag der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe zu erkennen gegeben, daß seine Einberufung derartige Nachteile nach sich ziehen könnte, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Das Vorbringen, die vom Beschwerdeführer und seiner Ehegattin geführten Betriebe dienten dem "Interesse der Nahversorgung" und es liege daher auch ein volkswirtschaftliches Interesse vor, läßt keine wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers, auf die es bei einer Entscheidung nach § 36 Abs. 2 Z. 2 WG allein ankommt, erkennen. Bei den erwähnten Interessen handelt es sich vielmehr um "sonstige öffentliche Interessen" im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 1 WG, die gegebenenfalls die Grundlage für die Befreiung eines Wehrpflichtigen von der Präsenzdienstpflicht von Amts wegen bilden können. Eine Befreiung gemäß § 36 Abs. 2 Z. 1 WG ist aber nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht auch kein subjektives Recht eines Wehrpflichtigen auf Setzung einer Maßnahme nach dieser Gesetzesstelle (vgl. die Ausführungen zu § 37 Abs. 2 lit. a des Wehrgesetzes 1978, nunmehr § 36 Abs. 2 Z. 1 WG, im Erkenntnis vom 30. April 1991, Zl. 90/11/0075, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als nicht berechtigt. Da bereits ihr Inhalt erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den mit dieser Beschwerde verbundenen (zu Zl. AW 91/11/0015 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

2. Zu Zl. 91/11/0061:

Die Beschwerde gegen den Einberufungsbefehl des Militärkommandos Wien begründet der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seine zu Zl. 91/11/0062 protokollierte Beschwerde und den mit ihr verbundenen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung; damit würden die Voraussetzungen für den angefochtenen Einberufungsbefehl nicht vorliegen. Dazu ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Umstand, daß über einen die Befreiung von der Wehrdienstpflicht versagenden, formell rechtskräftigen Bescheid eine Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde anhängig ist, der Erlassung eines Einberufungsbefehls nicht entgegensteht (vgl. etwa das zu § 36 des Wehrgesetzes 1978, nunmehr § 35 WG, ergangene Erkenntnis vom 16. Jänner 1990, Zl. 89/11/0291). Daher ist auch die gegenständliche Beschwerde nicht berechtigt. Da bereits ihr Inhalt erkennen läßt, daß die insoweit behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, ist auch diese Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den mit dieser Beschwerde verbundenen (zu Zl. AW 91/11/0014 protokollierten) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991110061.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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