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L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO OÖ 1976 §61 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Linz gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. November 1990, Zl. BauR-010476/2-1990 Pö/Hd, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft m. b.H. & Co. KG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. September 1989 erteilte der Magistrat Linz der Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Auftrag, die auf den Grundstücken Nr. N1 und N2, KG Katzbach, errichtete Lagerhalle binnen zwölf Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Im Spruch des Bescheides wurde noch festgehalten, daß die Länge der Lagerhalle 40,10 m, die Breite 8,60 m und die Traufenhöhe 3,50 m beträgt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß das zweifelsfrei bewilligungspflichtige Bauwerk ohne Erwirkung der hiefür erforderlichen Baubewilligung errichtet worden sei. Dadurch, daß der nordöstliche Teil der Lagerhalle außerhalb der im rechtswirksamen Bebauungsplan vorgesehenen Baufluchtlinien liege, sei nach § 61 der O.ö. Bauordnung (BO) die Möglichkeit, nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen, nicht einzuräumen gewesen.
Die dagegen von der Mitbeteiligten erhobene Berufung wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 19. April 1990 ab. Die Berufungsbehörde teilte im wesentlichen die Auffassung der Baubehörde erster Instanz.
Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Vorstellung gab die O.ö. Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid Folge, sie behob den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtsenat. Die Gemeindeaufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, daß die gegenständliche Lagerhalle nur an einer Ecke die Baufluchtlinie überrage. Ein unbedingter Entfernungsauftrag dürfe sich, sofern es sich nicht um ein unteilbares Objekt handle, nicht gegen jenen Teil richten, der grundsätzlich genehmigungsfähig sei. Das sei aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1984, Zl. 84/05/0090, abzuleiten, wobei es sich damals allerdings um die Entfernung einer nicht bewilligungspflichtigen baulichen Anlage (Werbetafel) gemäß § 61 Abs. 5 BO gehandelt habe. Bei einem grundsätzlich bewilligungspflichtigen Gebäude bedeute dies, daß hinsichtlich des Teiles, der dem Bebauungsplan entspreche, die Möglichkeit einzuräumen wäre, binnen einer bestimmten Frist um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen. Dies gelte allerdings nur unter der Voraussetzung, daß das Objekt teilbar sei, sodaß der eine Teil unabhängig vom anderen ohne größeren technischen Aufwand entfernt werden könnte. Der verbleibende Teil müßte trotzdem wirtschaftlich nutzbar bleiben. Sollte eine Teilbarkeit vorliegen, wofür im gegenständlichen Fall einiges zu sprechen scheine (Stahlleichthalle mit im Verhältnis zur Breite großer Länge), wäre der Abbruchauftrag ohne Möglichkeit des Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung nur hinsichtlich des die Baufluchtlinie überragenden Teiles zu erlassen gewesen. Hinsichtlich des innerhalb der Baufluchtlinie gelegenen Teiles wäre aber die Möglichkeit, um nachträgliche Baubewilligung anzusuchen, einzuräumen gewesen. Da dieser Sachverhalt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des erteilten Auftrages von wesentlicher Bedeutung sei, verletze ein in dieser Hinsicht mangelhaft festgestellter Sachverhalt Rechte der Mitbeteiligten. Die O.ö. Landesregierung begründete sodann noch eingehend, aus welchen Überlegungen die weiteren Ausführungen der Mitbeteiligten in ihrer Vorstellung die Rechtmäßigkeit eines baupolizeilichen Auftrages nicht in Zweifel ziehen können.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der Mitbeteiligten erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 61 Abs. 1 der O.ö. Bauordnung (BO), LGBl. Nr. 35/1976, hat die Baubehörde, wenn sie feststellt, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, dem Eigentümer mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist um die Baubewilligung anzusuchen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen. Die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß die zweifelsfrei bewilligungspflichtige Lagerhalle zum Teil auf Grundflächen steht, die nach dem Bebauungsplan von einer Bebauung freizuhalten sind (Überschreiten der vorderen Baufluchtlinie). Die im Akt erliegende Planskizze zeigt, daß der nordöstliche Teil der Lagerhalle in der Weise die Baufluchtlinien überragt, daß etwas mehr als eine Länge und eine Breite des Gebäudes vor der Baufluchtlinie zu liegen kommt. Bei dem Gebäude handelt es sich um ein einheitliches Bauwerk, sodaß die Beschwerdeführerin zu Recht die Auffassung vertritt, daß keine Gesichtspunkte dafür sprechen, eine Teilbarkeit des Objektes in einen bewilligungsfähigen und einen nicht bewilligungsfähigen Teil anzunehmen. Zutreffend verweist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1989, Zl. 89/05/0045, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht hat, daß entgegen der Meinung der O.ö. Landesregierung bei einem einheitlichen Zubau, der teilweise eine vordere Baufluchtlinie überragte (0,34 m), die Frage der Trennbarkeit in einen bewilligungsfähigen und einen nicht bewilligungsfähigen Teil nicht aufzuwerfen ist. Schon in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom 2. Oktober 1984, Zl. 84/05/0090, hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß im Hinblick auf den anders gelagerten Sachverhalt (Plakattafel) für den Standpunkt der belangten Behörde nichts zu gewinnen ist. Bei einem einheitlichen Bauwerk, so führte der Gerichtshof damals weiters aus, sei eben grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand eines baupolizeilichen Auftrages, mag auch ein Teil davon bei einer anderen Projektsgestaltung einer nachträglichen Baubewilligung zugänglich sein. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung fest, zumal im Beschwerdefall keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Trennbarkeit im aufgezeigten Sinne gegeben sind (anders als etwa in den Erkenntnissen vom 23. Jänner 1990, Zl. 88/06/0218, und vom 29. Mai 1990, Zl. 89/05/0239).
Zu dem Argument der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß dann, wenn ein unbedingter Beseitigungsauftrag erlassen worden sei, aus dem Gesetz nicht ableitbar sei, daß durch die zweifelsohne mögliche nachträgliche Genehmigung eines Bauwerksteiles die durch den Entfernungsauftrag geschaffene unbedingte Verpflichtung hinsichtlich dieses Teiles nachträglich aufgehoben werden kann, ist ganz allgemein festzustellen, daß die Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages in einem solchen Fall jedenfalls nur insoweit zulässig ist, als nicht eine nachträgliche Baubewilligung vorliegt. Aus § 61 Abs. 1 BO läßt sich jedenfalls kein Argument für die Auffassung ableiten, daß jene Teile eines Objektes, die als Gegenstand eines neuen Projektes einer nachträglichen Baubewilligung zugänglich sein könnten, nicht Gegenstand eines unbedingten Beseitigungsauftrages sein können. Es darf in diesem Zusammenhang ja nicht übersehen werden, daß der durch einen baupolizeilichen Auftrag Verpflichtete auch dann die Möglichkeit besitzt, ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung zu stellen, wenn ihm diese Möglichkeit im baupolizeilichen Auftrag nicht eingeräumt worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof stimmt auch der Ansicht der Mitbeteiligten nicht zu, daß schon Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes zu einer Auslegung des § 61 BO führen müßten, daß nur jener Teil eines (einheitlichen) Bauwerkes Gegenstand eines unbedingten Beseitigungsauftrages sein dürfte, für den eine nachträgliche Baubewilligung überhaupt nicht in Betracht kommt. So führt schon eine grammatikalische Auslegung des Gesetzestextes zu dem Ergebnis, daß die Möglichkeit, nachträglich um die Baubewilligung anzusuchen, nur dann einzuräumen ist, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage für das zu beseitigende Objekt eine Baubewilligung erteilt werden kann. Dieses Auslegungsergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, bewilligungslose bauliche Anlagen im öffentlichen Interesse zu beseitigen. Von einem dem Eigentümer auferlegten Opfer, welches über das unbedingt notwendige Ausmaß hinausgeht, kann in diesem Zusammenhang schon deshalb keine Rede sein, weil es dem Eigentümer ja frei steht, ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für jene Teile des Bauvorhabens (als neues Projekt) einzubringen, für die eine nachträgliche Baubewilligung in Betracht kommt. Daß aber die Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrages dann nicht in Betracht kommt, wenn ein Ansuchen um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung anhängig ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe etwa das Erkenntnis vom 15. Juni 1970, Slg. N.F. Nr. 7813/A). Auf diese Weise besitzt der Eigentümer eines Bauwerkes ausreichend die Möglichkeit, den Schutz seines Eigentumes wahrzunehmen. Daß auch bei der Errichtung einer provisorischen Montagehalle die Bauvorschriften einzuhalten sind, hat die belangte Behörde dem Vorbringen der Mitbeteiligten schon in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend entgegengehalten.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführerin bei, daß die Baubehörden der Landeshauptstadt Linz im Beschwerdefall kein Ermittlungsverfahren zur Frage der Teilbarkeit der Lagerhalle in einen bewilligungsfähigen und einen nichtbewilligungsfähigen Teil durchzuführen hatten. Da die belangte Behörde dies jedoch rechtsirrig annahm, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet; der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990050246.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
23.07.2010