TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/18 90/05/0239

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.1991
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3;
BauO NÖ 1976 §21 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der A gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems vom 22. Oktober 1990, Zl. MD-R-15/90, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1.) B, 2.) C und 3.) D, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Krems Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.510,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 30. Mai 1988 beantragten die Mitbeteiligten die Erteilung einer Baubewilligung zur Herstellung einer Dachsanierung und Vorbereitung für einen zukünftigen Dachausbau am bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. N1 in EZ X, KG Egelsee. Aus der Baubeschreibung und den beiliegenden Plänen geht hervor, daß das Dach bei gleichbleibender Dachneigung um 70 cm angehoben werden soll.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Krems vom 5. Dezember 1988 wurde den Mitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nicht zugestellt. Das Grundstück der Beschwerdeführerin liegt im Westen der zu bebauenden Liegenschaft, grenzt an diese aber nicht unmittelbar an, sondern ist von ihr durch einen schmalen Weg getrennt, der im Eigentum einer dritten Person steht.

Auf Antrag der Beschwerdeführerin wurde ihr die Baubewilligung vom 5. Dezember 1988 zugestellt. Auf Grund ihrer Berufung gegen diesen Baubewilligungsbescheid behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. Oktober 1989 den Bescheid vom 5. Dezember 1989 gemäß § 66 Abs. 2 AVG und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführerin komme Parteistellung zu; da die Beschwerdeführerin zur Bauverhandlung nicht geladen worden sei, erweise sich der vorliegende Sachverhalt als so mangelhaft, daß sich die Durchführung bzw. Wiederholung der mündlichen Bauverhandlung als unvermeidlich erweise. Dieser Bescheid blieb unangefochten.

In der Folge führte die Baubehörde erster Instanz über das Ansuchen der Mitbeteiligten am 13. März 1990 eine neue Bauverhandlung durch, zu der auch die Beschwerdeführerin als Nachbarin unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen wurde. In dieser Bauverhandlung wurde festgehalten, daß für das Gemeindegebiet Egelsee, in welchem das aufzustockende Haus Eweg 5 liegt, kein Bebauungsplan und auch kein vereinfachter Bebauungsplan existiert. Der Amtssachverständige nahm während der Verhandlung eine Beschreibung des Bauvorhabens vor, wonach innerhalb des bestehenden Wohnhauses, das am Rande des geschlossenen Ortskernes von Egelsee seinerzeit genehmigt worden sei, durch die Baumaßnahmen die Gebäudehöhe des Bestandes durch Krempelaufmauerung um 70 cm angehoben werden solle. Der Amtssachverständige erachtete es für die Erteilung der Baubewilligung als erforderlich, den gesetzlichen Mindestabstand zur (östlichen) Grundgrenze durch Grenzverlegung gemäß § 16 der Niederösterreichischen Bauordnung herzustellen. Nach baubehördlicher Durchführung dieser Grenzverlegung bestehe kein Einwand gegen die beabsichtigten Maßnahmen, wenn bei der Baubewilligungserteilung Auflagen hinsichtlich der äußeren Gestaltung, der Feuerdämmung sowie des Abstellplatzes vorgeschrieben und eingehalten würden. Zur Beurteilung des Bauvorhabens im Zusammenhang mit der Wahrung des Orts- und Landschaftsbildes führte der Amtssachverständige aus, daß das bestehende Objekt, für das ein rechtsgültiger Konsens vorliege, durch die beabsichtigten Maßnahmen unwesentlich verändert werde, bzw. durch die geplante Verkleidung des Giebels eher dem Landschaftscharakter und dem ländlichen Ortsbild angepaßt werde, sodaß kein Widerspruch zur umgebenden Bebauung abgeleitet werden könne. Dies umso weniger, als sich das Vorhaben, wie schon festgehalten, am Rande des geschlossenen Ortskernes von Egelsee, also außerhalb des gewachsenen Bereiches innerhalb der offen zu verbauenden Grundstücke befinde. Als Beurteilungsraum wurde hiefür das Gebiet zwischen dem Eweg, Fstraße, Gstraße und den östlichen Grundgrenzen der Parzellen Nr. P/2, P/1, P/3, P/4, P/6, P/7, P/8 und P/9, alle KG Egelsee, festgelegt. Der Amtssachverständige führte weiters aus, die zu bebauende Liegenschaft Eweg 5, bestehend aus der Gartenparzelle P/10 und der Bauparzelle X, beide KG Egelsee, liege innerhalb des Bauland-Wohngebietes und werde von Süden her durch die öffentliche Verkehrsfläche (Eweg Parzelle Nr. P/11) aufgeschlossen. Entlang der westlichen Grundgrenze bestehe ein Zufahrtsweg, der sich im Eigentum der Anrainer W. im Norden des Areals und der Beschwerdeführerin sowie des R. und der E.S. befinde, wobei die Grundgrenze annähernd in der Hälfte des in der Natur gegebenen, einerseits durch die Einfriedungsmauer, anderseits durch den Einfriedungszaun begrenzten Weg, verlaufe. Auf der Liegenschaft Eweg 5 befinde sich ein Wohnhaus in Massivbauweise, in dem derzeit bereits zwei in sich geschlossene Wohneinheiten vorhanden seien, und ein Nebengebäude, in dem Mehrzweckräume und diverse Nebenräume untergebracht seien. Das Wohnhaus und das Nebengebäude seien unmittelbar an der nördlichen Außenmauer des Wohnhauses zusammengebaut und hier durch einen Windfang im Eingangsbereich des Wohnhauses verbunden. Dieses Nebengebäude sei gegenüber dem derzeit zweigeschoßigen Wohnhaus nur ebenerdig und gelange unmittelbar an der westlichen Grundgrenze, d.h. in Verlängerung der bestehenden Einfriedungsmauer entlang der westlichen Grundgrenze zur Ausführung. Der Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte während der Verhandlung, daß grundsätzlich ein Einwand gegen die Baumaßnahmen erhoben werde, da das Wohnhaus zusammen mit dem Nebengebäude eine bauliche Einheit darstelle und damit die 15 m Baufront überschritten werde, wodurch die gesamte Gebäudehöhe als Bauwich einzuhalten sei. Weiters wies er darauf hin, daß durch die zusätzliche Wohneinheit die bestehende Heizungsanlage erweitert werden müsse, wodurch zusätzliche Immissionen auf die Anrainergrundstücke befürchtet würden. Weiters brachte er vor, daß ein erforderlicher Kfz-Abstellplatz für die zusätzliche Wohneinheit auf eigenem Grund und Boden nicht geschaffen werden könne, er verlangte außerdem, daß sämtliche Baumaßnahmen direkt vom südlichen angrenzenden öffentlichen Gut aus erfolgen müßten und nicht vom strittigen Zufahrtsweg entlang der westlichen Grundgrenze aus.

Mit Bescheid vom 16. August 1990 erteilte der Magistrat der Stadt Krems den Mitbeteiligten die beantragte Baubewilligung für die Durchführung eines Dachgeschoßausbaues einschließlich der Dachsanierung. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Nichtbeachtung des gesetzlichen Mindestbauwiches sowie die zu erwartenden erhöhten Immissionen durch die Erweiterung der bestehenden Heizungsanlage und die Einwendung betreffend den erforderlichen Kfz-Stellplatz wurden zurückgewiesen. Die Einwendung betreffend die Durchführung der Baumaßnahme vom öffentlichen Gut aus, wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Mitbeteiligten hätten die Löschung der Grundstücke N 1 und P 10 und Vereinigung mit dem Grundstück P 12 beantragt. Dieses sei mit Grundbuchsbeschluß vom 4. Juli 1990 durchgeführt worden, wodurch die Einhaltung eines gesetzlichen Mindestabstandes zur ehemaligen Grundgrenze (im Osten) vor der Vereinigung der Parzellen nicht mehr entscheidend sei. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend die Einhaltung des Bauwichs wurde ausgeführt, daß das Wohnhaus mit dem Nebengebäude keinen baulichen Zusammenhang aufweise, sodaß das Wohnhaus, in dem die Baumaßnahmen beabsichtigt seien, allein zur Beurteilung im Bezug auf die Gebäudefront und den damit verbundenen Bauwich heranzuziehen sei.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin die Berufung ein, in der sie ausführte, das Wohnhaus bilde zusammen mit dem anschließenden Nebengebäude eine bauliche Einheit, womit die 15 m-Baufront überschritten werde, weshalb die gesamte geplante Bauhöhe als Bauwich einzuhalten sei. Nach § 10 der Niederösterreichischen Bauordnung bedürfe die Grundabteilung, wozu auch die Vereinigung von Grundstücken gehöre, einer Bewilligung der Baubehörde. Im gegenständlichen Fall seien die erforderlichen Erhebungen für die Bewilligung der Grundabteilung nicht durchgeführt worden.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 1990 gab der Stadtsenat der Stadt Krems der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit dem Vorbringen, daß das gegenständliche Wohnhaus zusammen mit dem daran anschließenden Nebengebäude eine bauliche Einheit bilde und damit die 15 m-Baufront überschritten werde, wodurch die gesamte geplante Bauhöhe als Bauwich einzuhalten sei, verweise die Beschwerdeführerin auf die Bestimmung des § 21 Abs. 4 der Niederösterreichischen Bauordnung. Das Wohnhaus bilde mit dem Nebengebäude aus näher ausgeführten Gründen keine Einheit, es sei daher, ohne auf die Frage der Bauklasse näher eingehen zu müssen, davon auszugehen, daß im gegenständlichen Fall der Bauwich zur Beschwerdeführerin nur die halbe Gebäudehöhe betragen müsse, zumal die Länge des betroffenen Gebäudes (Wohngebäude) außer Streit stehe.

Eine Verletzung subjektiver Nachbarrechte liege somit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Die Mitbeteiligten beantragten in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Beschwerdevorbringen, nach § 10 der Niederösterreichischen Bauordnung bedürfe die Grundabteilung, wozu auch die Vereinigung von Grundstücken gehöre, einer Bewilligung der Baubehörde, die Bestimmungen des § 10 Abs. 5 und 6 der Niederösterreichischen Bauordnung seien nicht eingehalten worden, ist festzustellen, daß die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte geltend macht. Auch für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, inwiefern die Beschwerdeführerin durch die Vereinigung des zu bebauenden Grundstückes mit dem westlich daran anschließenden Grundstück in einem subjektiv-öffentlichen Recht berührt werden könnte. Auf das sich hierauf beziehende Vorbringen war daher nicht näher einzugehen.

Mit dem Beschwerdeeinwand, das Wohngebäude bilde mit dem Nebengebäude eine bauliche Einheit, weshalb der Bauwich zum Grundstück der Beschwerdeführerin die gesamte Gebäudehöhe betragen müsse, verkennt die Beschwerdeführerin ebenso wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtslage.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß im Hinblick auf Art. II Abs. 2 der Novelle zur NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-6, diese Bauordnung in der am 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden ist. § 21 Abs. 4 erster Satz BO bestimmt, daß dann, wenn im Bebauungsplan nicht durch eine Baufluchtlinie ein größerer seitlicher oder hinterer Bauwich festgelegt (§ 4 Abs. 2 Z. 3) und der hintere Bauwich auch nicht gemäß § 5 Abs. 7 aufgehoben ist, der Bauwich jeweils die Hälfte der Gebäudehöhe beträgt, mindestens aber 3 m. Zu der im wesentlichen gleichartigen Regelung vor der zuletzt genannten Novelle hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht, daß der Nachbar dann, wenn kein Bebauungsplan in Geltung steht, aus § 21 Abs. 4 BO kein subjektiv-öffentliches Recht ableiten kann, weil diese gesetzliche Regelung das Bestehen eines Bebauungsplanes, nämlich die Festsetzung einer Bebauungsweise, in der ein Bauwich einzuhalten ist, voraussetzt (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. November 1971, Slg. N.F. Nr. 8114/A, vom 27. Mai 1986, Zl. 84/05/0197, BauSlg. Nr. 688, vom 14. November 1989, Zl. 88/05/0268, u.a.). Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß weder ein Bebauungsplan noch ein vereinfachter Bebauungsplan gegeben ist, sodaß § 21 Abs. 4 BO nicht anzuwenden ist.

Nach der Übergangsbestimmung des § 120 Abs. 4 BO ist in einer Gemeinde, in der noch kein Bebauungsplan und auch kein vereinfachter Bebauungsplan gilt, eine Bewilligung gemäß § 92 oder § 93 zu versagen, wenn das geplante Vorhaben einer Bestimmung des Abs. 3 widerspricht.

Nach § 120 Abs. 3 BO ist eine Bewilligung in Gemeinden, in denen nur ein vereinfachter Bebauungsplan gemäß Abs. 1 gilt - abgesehen von § 100 Abs. 2 -, zu versagen, wenn 1. das geplante Vorhaben zur bestehenden Bebauung in einem auffallenden Widerspruch steht; 2. das Vorhaben außerhalb eines zusammenhängend bebauten Ortsgebietes geplant ist und die geordnete Entwicklung der Bau- und Siedlungstätigkeit der Gemeinde gefährdet.

Angesichts der Lage der zu bebauenden Grundfläche am Rande des geschlossenen Ortskernes war ausschließlich die Frage zu beantworten, ob bei einem so geringfügigen Bauvorhaben, wie es die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Aufmauerung darstellt, überhaupt von einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung die Rede sein kann. Aus dem bereits zitierten Gutachten des Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 13. März 1990 geht hervor, daß aus der geplanten Baumaßnahme kein Widerspruch zur umgebenden Bebauung abgeleitet werden könne.

Da sohin im Beschwerdefall die Einhaltung eines Seitenabstandes nach § 21 Abs. 4 BO nicht in Betracht kommt und die bewilligte Aufstockung zur bestehenden Bebauung auch in keinem AUFFALLENDEN Widerspruch im Sinne des § 120 Abs. 3 BO steht, wurde die Beschwerdeführerin durch die erteilte Baubewilligung - auch wenn die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat - im Ergebnis in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, da im pauschalierten Aufwandersatz die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990050239.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten