TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/19 90/02/0216

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Veröffentlicht am 19.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gartner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. November 1990, Zl. I/7-St-K-902, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren hinsichtlich der Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. November 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 52 Z. 10a StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er als Fahrzeuglenker am 8. April 1989 um 19.10 Uhr im Ortsgebiet von Schwadorf auf der B 10 beim Haus Wienerstraße 14 in Fahrtrichtung Schwechat mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf Grund der gefahrenen Geschwindigkeit von 100 km/h überschritten habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat nie in Abrede gestellt, zur Tatzeit am Tatort das gegenständliche Fahrzeug gelenkt zu haben, sich jedoch schon bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 22. Juni 1989 damit verantwortet, am Tatort lediglich mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h gefahren zu sein und erst anschließend auf Höhe des Hinweiszeichens "Ortsende" (von Schwadorf) mit einem Überholvorgang, in dessen Zuge er die Fahrgeschwindigkeit erhöht habe, begonnen zu haben. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 12. Oktober 1989 hielt er trotz der gegenteiligen Darstellung des Meldungslegers seine bisherigen Angaben aufrecht und beantragte als Zeugin dafür die Einvernahme einer namentlich genannten Person, indem er gleichzeitig deren Adresse in der Bundesrepublik Deutschland bekanntgab. Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 7. November 1989, in der er u.a. das Unterbleiben der von ihm begehrten Zeugeneinvernahme rügte, wurde er über Veranlassung der belangten Behörde bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 18. April 1990 aufgefordert, "binnen 5 Monaten ab dem heutigen Tag gerechnet, eine gerichtlich oder notariell beglaubigte Aussage" der von ihm namhaft gemachten Person "als Zeugin direkt der BH Wien-Umgebung zu übermitteln, andernfalls" deren "Angaben im Verfahren nicht berücksichtigt werden können". Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach, worauf die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides der Verantwortung des Beschwerdeführers keinen Glauben schenkte, indem sie sich auf die (hinsichtlich der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung auf eine Schätzung beruhenden) Angaben des (auch als Zeugen vernommenen) Meldungslegers stützte.

Der Beschwerdeführer macht - unter Beachtung der dem Verwaltungsgerichtshof zustehenden Kontrollbefugnis hinsichtlich der behördlichen Beweiswürdigung (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) mit Recht - geltend, daß die Vorgangsweise der belangten Behörde in Ansehung der von ihm namhaft gemachten Zeugin einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, damit befaßt, welche Ermittlungspflichten die Behörde in einem Verwaltungsstrafverfahren treffen, wenn als Entlastungszeuge eine im Ausland lebende Person namhaft gemacht wird, und er ist

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unter Bedachtnahme auf § 25 Abs. 2 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden - zu der Auffassung gelangt, daß die Behörde in einem solchen Fall

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sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - den Versuch wird unternehmen müssen, mit dieser Person in der Form in Verbindung zu treten, daß die Behörde an sie ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet, vom Ergebnis eines derartigen Ersuchens die weitere Vorgangsweise der Behörde bei Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes abhängt und eine gesetzliche Grundlage dafür, eine schriftliche Erklärung des im Ausland befindlichen Entlastungszeugen in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form zu fordern, nicht gegeben sei. Des näheren genügt diesbezüglich ein Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG.

Daraus ergibt sich aber die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde - falls dies auf Grund des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, überhaupt geboten war - im Hinblick auf die Bestimmung des § 51 Abs. 5 VStG in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung, wonach der angefochtene Bescheid als aufgehoben gilt und das Verfahren einzustellen ist, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen wird, in Verbindung damit, daß diese Frist der Aktenlage nach am 28. November 1990 abgelaufen wäre, verpflichtet war, nach Inkrafttreten des genannten Vertrages mit 1. Oktober 1990 noch die vom Beschwerdeführer beantragte Zeugeneinvernahme im Rechtshilfeweg zu veranlassen. Verneint man nämlich diese Frage, so hätte sie demnach - nachdem dies von der Erstbehörde unterlassen worden war - jedenfalls den Versuch unternehmen müssen, (zeitgerecht) mit der vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Person in der Form in Verbindung zu treten, daß sie an diese Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das die Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einer einzigen Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Beweismittel Zeugenbeweis Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990020216.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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