TE Vfgh Erkenntnis 1988/10/8 V53/87

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Veröffentlicht am 08.10.1988
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Index

95 Technik
95/07 Dampfkesselrecht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
DampfkesselV 1986
Erlaß Nr 68 des Bundesministers für Bauten und Technik vom 06.12.71 idF des Erlasses Nr 128 vom 11.12.78 und Nr 160 vom 26.06.85
BGBlG 1972 §2 Abs1 litf
DampfkesselV 1948 (= DKV) §37 Abs1
DampfkesselV 1948 (= DKV) §45 Abs4
VerwaltungsentlastungsG Art48
VfGG §57 Abs1
VfGG §57 Abs2

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; denkunmögliche Annahme der Präjudizialität der DampfkesselV 1948 - ausschließliche Rechtsgrundlage der angefochtenen Erlässe ist Art48 VerwaltungsentlastungsG; offenkundig unrichtige Annahme der Präjudizialität der DampfkesselV 1986 - Eingehen auf neue Rechtslage ist dem ASt. Gericht infolge Bindung an die Entscheidung des Rekursgerichtes verwehrt Erl. des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 68 idF der Erl. Nr. 128 und 160 über Ausnahmebestimmungen für Handfeuerlöscher; ausreichende Verlautbarung; verpflichtender Charakter; trotz des formell auf Verwaltungsorgane beschränkten Adressatenkreises inhaltlich Gestaltung der Rechtslage für alle Personen, die Handfeuerlöscher besitzen - Rechtsverordnung; Feststellung der Gesetzwidrigkeit wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung iS des §2 Abs1 litf BG über das Bundesgesetzblatt

Spruch

1. Der Antrag des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau, die §§37 Abs1 und 45 Abs4 der Dampfkesselverordnung vom 17. April 1948, BGBl. 83/1948, zuletzt in der Fassung BGBl. 444/1984, ferner ArtI §37 Abs1, §§45, 49 und 78 sowie ArtII, weiters die Anlage 10, insbesondere deren

Abschnitte C 12 und D 6 der Dampfkesselverordnung vom 28. Juli 1986, BGBl. 510/1986, als gesetzwidrig aufzuheben bzw. festzustellen, daß die genannten Bestimmungen gesetzwidrig waren, wird zurückgewiesen.

2. Der Erlaß des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 68 vom 6. Dezember 1971, Zl. 557.174-III/21/71, in der Fassung der Erlässe Nr. 128 vom 11. Dezember 1978, Zl. 43014/14-IV/3/77 und Nr. 160 vom 26. Juni 1985, Zl. 43210/2-IV/3/85, war gesetzwidrig.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Feststellung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit seiner am 24.9.1986 beim Kreisgericht Krems a.d. Donau eingelangten Klage beantragte der Kläger L B, den Beklagten

P E schuldig zu erkennen, gegenüber dritten Personen die Behauptung zu unterlassen, daß der Kläger zur Instandsetzung, Prüfung und Füllung von Handfeuerlöschern weder geeignet noch gesetzlich berechtigt sei. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.1.1987 schränkte der Kläger sodann sein Klagebegehren auf Kosten ein und begründete diese Einschränkung mit einer zwischenzeitigen Rechtsänderung durch Inkrafttreten der Dampfkesselverordnung vom 28. Juli 1986, BGBl. 510/1986, (DKV 1986), zufolge welcher ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht mehr zustehe. Gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau, mit dem der Kläger für schuldig erkannt wurde, dem Beklagten die mit S 13.470,82 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen, richtete sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Beklagten lediglich Kosten in Höhe von S 7.497,82 zuerkannt werden mögen.

Diesem Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien mit seinem Beschluß vom 7.4.1987 Folge, hob die Kostenentscheidung im angefochtenen Umfang auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung auf. Das Oberlandesgericht Wien hielt es für entscheidend, ob das Klagebegehren zunächst, also vor Inkrafttreten der DKV 1986 berechtigt gewesen war. Es führte aus:

"Hätte die Klage ohne die eingetretene Rechtsänderung zum Erfolg geführt, stünde dem Kläger Anspruch auf Ersatz der ihm bis zum Zeitpunkt der Rechtsänderung erwachsenen Kosten zu. ... Das Erstgericht ließ ausgehend von einer vom Rechtsmittelgericht nicht geteilten Rechtsansicht die wesentliche Frage der ursprünglichen Berechtigung des Unterlassungsbegehrens ungeprüft. ... In seiner neuerlichen Entscheidung wird das Erstgericht allenfalls nach Verfahrensergänzung - vorerst den zur Beurteilung der vormaligen Berechtigung des Unterlassungsbegehrens wesentlichen Sachverhalt festzustellen und einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen haben."

2. Mit Beschluß vom 30.4.1987 beantragte das Kreisgericht Krems a.d. Donau beim VfGH gem. Art89 Abs2 und 3 sowie Art139 B-VG, "§37 Abs1 und §45 Abs4 der Dampfkesselverordnung vom 17. April 1948, BGBl. 1948/83 in der Fassung BGBl. 1981/132 und 1983/578 und ArtI §37 Abs1, §§45, 49 und 78 sowie ArtII, weiters die Anlage 10, insbesondere deren Abschnitt C 12 und D 6 der Dampfkesselverordnung vom 28. Juli 1986, BGBl. 1986/510, weiters den Erlaß Nr. 68 des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 6. Dezember 1971, Zl. 557.174-III/21/71, den Erlaß 128 des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 11. Dezember 1978, Zl. 43014/14-IV/3/77 und den Erlaß Nr. 160 des Bundesministeriums für Bauten und Technik vom 26. Juni 1985, Zl. 43210/2-IV/3/85 gemäß Art139 B-VG als gesetzwidrig auf(zu)heben bzw.

- soweit diese Vorschriften schon außer Kraft getreten sind fest(zu)stellen, daß sie gesetzwidrig waren."

Begründend führt das Kreisgericht Krems a.d. Donau aus, daß es unter Bindung an die Rechtsanschauung des Oberlandesgerichtes Wien trotz Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten zu prüfen habe,

"ob die seinerzeit erhobene Klage nach der damaligen Rechtslage berechtigt war. Eine Folge dieser im Aufhebungsbeschluß vertretenen Rechtsansicht ist die Präjudizialität der im Spruch des vorliegenden Beschlusses angeführten Verordnungen und Erlässe. Wenn nämlich nun zu prüfen ist, ob die Klage nach der alten Rechtslage (Rechtslage aufgrund der alten Dampfkesselverordnung) berechtigt war, dann muß die alte Dampfkesselverordnung und es müssen die aufgrund der alten Dampfkesselverordnung ergangenen Erlässe angewendet werden. Aber auch die Rechtslage, die durch die neue Dampfkesselverordnung geschaffen wurde, ist für die zu treffende Entscheidung präjudiziell: Denn es muß ja geprüft werden, ob die neue Rechtslage eine solche Änderung ergeben hat, daß gerade diese Änderung der Rechtslage eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten berechtigt erscheinen läßt."

Als präjudiziell bezeichnet das Kreisgericht Krems a.d.

Donau

"in erster Linie die drei im Spruch zitierten Erlässe:

Denn in diesen Erlässen sind die Vorschriften über die Löscherwarte, über die periodischen Überprüfungen und über die Geltung der Ö-Normen enthalten; und diese Ö-Normen enthalten dann ihrerseits wieder detaillierte Vorschriften über die Löscherwarte und die Löscherwartprüfungen, über die Durchführung der periodischen Überprüfungen und über die Beurkundung der periodischen Überprüfungen (Überprüfungsplaketten). Die bezüglichen Bestimmungen sind im vorliegenden Fall deswegen präjudiziell, weil ja der Beklagte gegen den Kläger den Vorwurf erhoben hat, seine Feuerlöscherüberprüfungen seien nicht gültig und er dabei auf die mangelnde Löscherwartprüfung und die Form der Prüfplaketten hingewiesen hat, während der Kläger behauptet, der Beklagte habe diese Vorwürfe zu Unrecht erhoben".

Die Präjudizialität des §37 Abs1 der Dampfkesselverordnung vom 17. April 1948, BGBl. 83, (DKV 1948), begründet das Kreisgericht Krems a.d. Donau damit, daß sich die angeführten Erlässe auf §37 Abs1 dieser DKV berufen. Dazu komme aber noch §45 Abs4 DKV 1948, da tatsächlich auch diese zuletzt genannte Verordnungsstelle als Grundlage für die Erlässe herangezogen werden könnte.

Die im Spruch des Beschlusses angeführten Bestimmungen der "neuen Dampfkesselverordnung" 1986 seien deswegen präjudiziell, weil §37 Abs1 DKV 1986, praktisch den gleichen Inhalt wie §37 Abs1 der "alten Dampfkesselverordnung" 1948 habe und daher Grundlage für die Erlässe sein müßte:

"Die §§45 und 49 der neuen Dampfkesselverordnung enthalten Vorschriften über die wiederkehrenden Untersuchungen und über die Überwachungsorgane. §78 der neuen Dampfkesselverordnung ordnet an, daß die angeschlossenen Anlagen zur V einen integrierenden Bestandteil der V bilden. ArtII zitiert die Ö-Normen und in der Anlage 10 sind dann die Einzelheiten über die Druckbehälter und ihre Überprüfung enthalten (insbesondere C 12 und D 6). ... Die Präjudizialität der neuen Dampfkesselverordnung ergibt sich also nicht nur bei der Prüfung der Frage, ob eine für den gegenständlichen Rechtsstreit erhebliche Änderung der Rechtslage erfolgt ist, sondern auch im Zusammenhang mit der Frage, ob die neue Dampfkesselverordnung eine Grundlage für die Erlässe darstellt."

Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angeführten Erlässe und Teile von Verordnungen, die das Kreisgericht Krems a. d. Donau äußert, gründen ausschließlich darauf, daß in allen diesen Bestimmungen ÖNORMEN für verbindlich erklärt werden. Etwas derartiges sei zwar in §5 Normengesetz 1971, BGBl. 240, vorgesehen. Der Normenausschuß (gemeint ist offenbar das Österreichische Normungsinstitut) sei aber ein privater Verein, dem mit Bescheid die Befugnis verliehen worden sei, von ihm geschaffene Normen als ÖNORMEN zu bezeichnen. Nach §6 Abs6 Normengesetz seien neue ÖNORMEN sowie die Zurückziehung oder Änderung von ÖNORMEN im Amtsblatt der Wiener Zeitung zu verlautbaren; allerdings würden sie dort nicht im vollen Wortlaut verlautbart; dies ergebe sich aus §7 Abs1 Normengesetz; denn nach dieser Bestimmung wäre ja die Wiener Zeitung nicht befugt, diese ÖNORMEN zu vervielfältigen; dieses Recht stehe vielmehr ausschließlich dem Normenausschuß (richtig: dem Österreichischen Normungsinstitut) zu. Daraus ergebe sich, daß die Kundmachung der ÖNORMEN in einem allgemeinen öffentlichen Publikationsorgan fehle. Damit würden aber auch Bestimmungen über den zeitlichen Geltungsbereich der ÖNORMEN fehlen, nämlich über das Inkrafttreten und Außerkrafttreten der ÖNORMEN. Dem Rechtsstaatsprinzip des Art18 B-VG widerspreche es, wenn eine allgemein verbindliche Norm nicht in einem amtlichen Publikationsorgan zu verlautbaren sei, (wobei diese Verlautbarung dem vollen Inhalt nach erfolgen müßte !), wenn der zeitliche Geltungsbereich einer Norm nicht hinreichend genau geregelt sei und wenn dem Verordnungsgeber die Befugnis eingeräumt werde, etwas, was ein privater Verein geschaffen habe, für allgemein verbindlich zu erklären und das noch dazu, wenn der zeitliche Geltungsbereich nicht geregelt werde.

Ausdrücklich weist das Kreisgericht Krems a.d. Donau darauf hin, daß sich "die Verbindlicherklärung der Ö-Normen ... in der neuen Rechtslage in der V (neue Dampfkesselverordnung) (findet); nach der alten Rechtslage war eine derartige Bestimmung zwar nicht in der V (alte Dampfkesselverordnung) enthalten, wohl aber in den auf Grund dieser alten V ergangenen Erlässe(n)".

3. In seiner Äußerung vom 4.9.1987 beantragt der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, den Antrag des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau als unzulässig zurückzuweisen, soweit er sich auf die Erlässe Nr. 68, 128 und 160 bezieht, im übrigen aber den Antrag abzuweisen.

Die Zurückweisung der Anfechtung der genannten drei Erlässe beantragt der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten deshalb, weil den Erlässen jenes Mindestmaß an Verlautbarung ermangle, das erforderlich sei, um sie als Verordnungen zum Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung zu machen. Eine derartige Kundmachung der Erlässe in einem allgemein zugänglichen Publikationsorgan sei im Hinblick auf ihre bloß mittelbaren Auswirkungen auf die Normunterworfenen auch nicht durch das Publizitätsgebot des dem Art18 B-VG innewohnenden Rechtsstaatlichkeitsprinzips geboten. Außerdem hätten die auf den Bestimmungen der DKV 1948 fußenden Erlässe durch das Inkrafttreten der DKV 1986 ihre Gültigkeit verloren.

Zu den inhaltlichen Bedenken des Kreisgerichtes Krems a. d. Donau führt der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten aus, daß die Bestimmungen des Normengesetzes "als Musterbeispiel einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Konstruktion der Verbindlicherklärung technischer Regelwerke anzusehen" seien. Für die rechtliche Beurteilung des zeitlichen Geltungsbereiches verbindlich erklärter ÖNORMEN komme "es ausschließlich darauf an, welchen zeitlichen Geltungsbereich die Verbindlicherklärungsnorm aufweist, nicht jedoch darauf, welchen zeitlichen Geltungsbereich die (verwiesenen) ÖNORMEN besitzen".

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Antrag eines Gerichtes auf Aufhebung einer Verordnung oder auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit bereits außer Kraft getretener Verordnungen ist gem. §57 Abs2 VerfGG 1953 nur dann zulässig, "wenn die V vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden oder wenn die Gesetzmäßigkeit der V eine Vorfrage für die Entscheidung der bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache ist".

Der VfGH ist zwar nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist aber ein Antrag im Sinne des Art139 B-VG dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückzuweisen, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (z.B. VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11569/1987).

2. Der VfGH ist der Meinung, daß es offenkundig unrichtig und daher denkunmöglich ist, daß das Kreisgericht Krems a. d. Donau die §§37 Abs1 und 45 Abs4 der Dampfkesselverordnung 1948, BGBl. 83, zuletzt idF BGBl. 444/1984, (DKV 1948), im Anlaßfall anzuwenden hat.

Das Kreisgericht Krems a.d. Donau begründet die von ihm angenommene Präjudizialität damit, daß die §§37 Abs1 und 45 Abs4 DKV 1948 die Grundlage für die von ihm "in erster Linie" anzuwendenden drei Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik bilden. Dies ist jedoch nicht der Fall, weil (wie noch darzulegen sein wird, s.u. 4.b.) sich diese Erlässe ausschließlich auf die Vorschrift des Art48 Verwaltungsentlastungsgesetz, BGBl. 277/1925 idF BGBl. 55/1948, stützen.

Der Umstand, daß sich die ebenfalls angefochtenen Erlässe Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik ausdrücklich auf §37 Abs1 DKV 1948 berufen, vermag an der mangelnden Präjudizialität dieser Bestimmung für den Anlaßfall nichts zu ändern.

Der Antrag des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau, die §§37 Abs1 und 45 Abs4 DKV 1948 als gesetzwidrig aufzuheben, ist daher mangels Präjudizialität der betreffenden Bestimmungen vom VfGH zurückzuweisen.

Zurückzuweisen ist der Antrag des Kreisgerichtes Krems a. d. Donau hinsichtlich der angeführten Bestimmungen der DKV 1948 aber auch deshalb, weil "die gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken", die das antragstellende Gericht gem. §57 Abs1 VerfGG 1953 "im einzelnen darzulegen" hat, ausschließlich dahin gehen, daß "in diesen Bestimmungen Ö-Normen für verbindlich erklärt werden" und daher - vor allem auch im Hinblick auf den zeitlichen Geltungsbereich der ÖNORMEN - dem Rechtsstaatsprinzip des Art18 B-VG widersprochen würde. Diese Bedenken beziehen sich schon von ihrem Inhalt her ausschließlich auf die eingangs angeführten Erlässe Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik sowie auf die (neue) DKV 1986. Weder §37 Abs1 noch §45 Abs4 der (alten) DKV 1948 beschäftigen sich hingegen mit der Verbindlicherklärung von ÖNORMEN. Diese Vorschriften können zu den dargelegten Bedenken gegen die Verbindlicherklärung von ÖNORMEN auch nicht in Beziehung gebracht werden. Das antragstellende Kreisgericht Krems a.d. Donau hat sohin in Wahrheit gegen die §§37 Abs1 und 45 Abs4 DKV 1948 entgegen der Vorschrift des §57 Abs1 VerfGG 1953 keine hinlänglichen, für einen Prüfungsantrag erforderlichen Bedenken ob ihrer Gesetzmäßigkeit dargelegt. Der Prüfungsantrag war sohin insoweit auch aus diesem Grunde als unzulässig zurückzuweisen (VfSlg. 4340/1962, 9747/1983, 11569/1987).

3. Der VfGH ist ferner der Auffassung, daß es angesichts des Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien vom 7.4.1987, an den das Kreisgericht Krems a.d. Donau bei seiner (neuerlichen) Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache gebunden ist, offenkundig unrichtig ist, daß die vom Kreisgericht Krems a.d. Donau in seinen Antrag miteinbezogenen Bestimmungen der (neuen) DKV 1986 eine Voraussetzung seiner (neuen) Entscheidung bilden. Aufgrund der oben wiedergegebenen Rechtsmeinung des Oberlandesgerichtes Wien kommt es nämlich "für die Entscheidung der bei diesem Gericht (d.i. das Kreisgericht Krems a.d. Donau) anhängigen Rechtssache" ausschließlich darauf an, daß "die Klage ohne die eingetretene Rechtsänderung zum Erfolg geführt" hätte. Dem Kreisgericht Krems a.d. Donau ist mithin laut dem Beschluß des Rekursgerichtes lediglich aufgetragen, "den zur Beurteilung der vormaligen Berechtigung des Unterlassungsbegehrens wesentlichen Sachverhalt festzustellen und einer rechtlichen Würdigung zu unterziehen". Damit ist dem Kreisgericht Krems a.d. Donau ein Eingehen auf die neue, durch die DKV 1986 bewirkte Rechtslage in Zusammenhang mit der Feuerlöscher-Prüfungsbefugnis des Klägers verwehrt.

Zur Beurteilung der Rechtsfrage der "vormaligen Berechtigung" des Klägers, auf die sich das Kreisgericht Krems a. d. Donau im fortgesetzten Verfahren zu beschränken hat, ist es denkunmöglich, die Gesetzmäßigkeit der (neuen) DKV 1986 als Vorfrage im Sinne des §57 Abs2 VerfGG 1953 heranzuziehen.

ArtI §37 Abs1, §§45, 49 und 78 sowie ArtII, weiters die Anlage 10, insbesondere deren Abschnitt C 12 und D 6, der DKV 1986 sind sohin nicht präjudiziell. Der Antrag des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau war auch insoweit zurückzuweisen.

4. Voraussetzung für die vom Kreisgericht Krems a.d. Donau beantragte Prüfung der Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 68, 128 und 160 ist, daß es sich dabei um Verordnungen im Sinne des Art139 B-VG handelt.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten bestreitet im Gegensatz zum antragstellenden Kreisgericht Krems a. d. Donau die Verordnungsqualität der Erlässe sowohl deshalb, weil sie jenes Mindestmaßes an Verlautbarung ermangeln, das erforderlich ist, um sie als Verordnungen zum Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung zu machen (dazu a), als auch deshalb, weil sie sich inhaltlich lediglich "an die Dampfkesselüberwachungsorgane (§49 DKV)" richten und "als technische Richtlinie den Maßstab für die technische Beurteilung konkreter Einzelfälle durch die Dampfkesselüberwachungsorgane" bezeichnen (dazu b).

a. Der Erlaß Nr. 68, Zl. 557.174-III/21/71 des Bundesministers für Bauten und Technik vom 6.12.1971 wurde in der Nr. 1/1972 der "Amtlichen Nachrichten des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie und des Bundesministeriums für Bauten und Technik" unter der Z3 veröffentlicht. Eine derartige Verlautbarung reicht jedenfalls aus, daß die im Erlaß Nr. 68 enthaltene Regelung in den Rechtsbestand eingegangen ist (vgl. VfSlg. 6422/1971, 6945/1972, 8649/1979).

Die den Erlaß Nr. 68 ergänzenden und ändernden Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 128 vom 11.12.1978, Zl. 43014/14-IV/3/77, und Nr. 160 vom 26.6.1985, Zl. 43210/2-IV/3/85, wurden über Veranlassung der Behörde in der Zeitschrift "ÖNORM" in den Nummern 4/1979 und 8-9/1985 veröffentlicht. Zusätzlich zur Publikation in der Zeitschrift "ÖNORM" wurden ferner alle drei Erlässe vom Bundesminister für Bauten und Technik den Landeshauptleuten mit der Einladung zugeleitet, "hievon die unterstehenden Dampfkesselprüfungskommissäre umgehend verständigen zu lassen." Ferner wurde der Technische Überwachungs-Verein Wien vom Inhalt dieser Erlässe benachrichtigt. Damit liegt auch bezüglich der Erlässe Nr. 128 und Nr. 160 eine Verlautbarung in einem solchen Maße vor, daß die darin enthaltenen Regelungen in den Rechtsbestand eingegangen sind (vgl. ähnlich schon VfSlg. 8649/1979, sowie insbesondere das E. v. 29.2.1988, V11/87, demzufolge es für das Vorliegen einer V als ausreichend angesehen wurde, daß der in Frage stehende behördliche Akt faktisch bekannt und von den Normadressaten zur Kenntnis genommen wurde.)

b. Die Erlässe Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik regeln die Beschaffenheit und die Überprüfung von Handfeuerlöschern, das sind Druckgefäße oder Druckbehälter im Sinne der ZI. 1. und 2. des Art48 des Verwaltungsentlastungsgesetzes. Sie weichen damit von den auf ZVIII. des Art48 des Verwaltungsentlastungsgesetzes gestützten Regelungen der DKV 1948 ab und beruhen selbst auf derselben Bestimmung des Verwaltungsentlastungsgesetzes, wonach auch die näheren Bestimmungen "über Ausnahmen und Erleichterungen ... durch V getroffen" werden. Mit Rücksicht auf diese Rechtsgrundlage und angesichts des generell umschriebenen Kreises von Amtsträgern, an welchen die Erlässe ausdrücklich gerichtet sind, steht deren generelle Natur außer Zweifel.

Der Erlaß des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 68 in der Fassung der Erlässe Nr. 128 und 160 über Ausnahmebestimmungen für Handfeuerlöscher ist sohin eine V gem. Art139 B-VG.

5. Die als Verordnungen zu qualifizierenden Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik Nr. 68, 128 und 160 bilden ferner auch mindestens insoweit eine denkmögliche Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden Kreisgerichtes Krems a. d. Donau in der bei ihm anhängigen Rechtssache, als diese Erlässe - unter anderem durch Verbindlicherklärung der ÖNORM F 1052 - die Voraussetzungen benennen, die Personen erfüllen müssen, damit sie als "Löscherwarte" zur Instandsetzung und periodischen Überprüfung von Handfeuerlöschern geeignet und befugt sind.

Da es jedenfalls denkmöglich ist, daß das Kreisgericht Krems a.d. Donau bei seiner Entscheidung, ob der Kläger vor Inkrafttreten der (neuen) DKV 1986 zur Instandsetzung und Prüfung von Handfeuerlöschern geeignet und gesetzlich berechtigt war, die genannten drei Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik anzuwenden hat, ist der Antrag des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau auf Überprüfung der Erlässe gem. Art139 B-VG durch den VfGH zulässig.

6. Die Erlässe Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik treffen eine die Rechtslage verändernde Regelung und haben verpflichtenden Charakter. Der die Rechtslage ändernde Charakter der Erlässe läßt sich schon daraus entnehmen, daß dadurch für Handfeuerlöscher spezielle, von der allgemein für Druckgefäße verbindlichen DKV 1948 abweichende Sondervorschriften getroffen wurden. Der verpflichtende Charakter ergibt sich eindeutig aus den Formulierungen der Erlässe: So "müssen" gemäß Pkt. 2.8.1 des Erlasses Nr. 68 in der Fassung des Erlasses Nr. 128 "um die Sicherheit und Einsatzbereitschaft der im Gebrauch stehenden Löscher zu erhalten, ... diese längstens alle zwei Jahre durch geeignete, fachkundige und hiezu berechtigte Personen überprüft werden; als solche gelten Löscherwarte gemäß Pkt. 2.9.". Die Überprüfung "ist" gemäß demselben Pkt. "vom Besitzer des Löschers zu veranlassen." Löscherwarte "müssen" gem. Pkt. 2.9.1 "die in der ÖNORM F 1052 enthaltenen Anforderungen erfüllen".

Angesichts dieser Regelungen erweisen sich die Erlässe Nr. 68, 128 und 160 trotz ihres scheinbar auf Verwaltungsorgane begrenzten formellen Adressatenkreises ihrem Inhalt nach als eine Gestaltung und Veränderung der Rechtslage für alle Personen, welche Handfeuerlöscher besitzen, oder welche die Funktion eines Löscherwarts auszuüben beabsichtigen. Die Erlässe sind mithin Rechtsverordnungen (vgl. z.B. VfSlg. 8648 und 8649/1979).

Als Rechtsverordnungen sind die Erlässe Nr. 68, 128 und 160 vom Bundesminister für Bauten und Technik nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden. Rechtsverordnungen eines Bundesministers müssen nämlich gem. §2 Abs1 litf des BG über das Bundesgesetzblatt 1985, BGBl. 200, im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden. Da eine solche Kundmachung nicht stattgefunden hat, erweisen sich die angeführten drei Erlässe des Bundesministers für Bauten und Technik in gesetzwidriger Weise kundgemacht und sind damit schon die Bedenken des Kreisgerichtes Krems a.d. Donau im Hinblick auf das Rechtsstaatsgebot bestätigt.

7. Mit dem Inkrafttreten der DKV 1986 am 26. September 1986, deren Anlage 10 unter C 12 liti und D 6 litd auch die bisher von den drei Erlässen Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik geregelten Vorschriften über Handfeuerlöscher und ihre Überprüfung enthält, haben die Regelungen der drei Erlässe kraft materieller Derogation ihre Gültigkeit verloren.

Da sohin im Zeitpunkt der Fällung dieses Erkenntnisses die mittels der Erlässe Nr. 68, 128 und 160 des Bundesministers für Bauten und Technik erlassenen Verordnungen bereits außer Kraft getreten sind, hat der VfGH gem. Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß diese Erlässe gesetzwidrig waren. Dieser Ausspruch umfaßt gemäß dem sinngemäß anzuwendenden Art139 Abs3 litc B-VG die angeführten Erlässe zur Gänze.

Die Verpflichtung zur Kundmachung dieses Ausspruchs stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gem. §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 abgesehen werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Dampfkesselwesen, VfGH / Antrag, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, Normenwesen, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verordnungsbegriff, Verordnung Kundmachung, Derogation materielle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V53.1987

Dokumentnummer

JFT_10118992_87V00053_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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