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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Mai 1990, Zl. IIb2-V-8069/2-1990, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. Mai 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 1. Juli 1989 um 23.57 Uhr auf der A-12 bei km 46,2 in Stanz im Gegenverkehrsbereich einem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw Richtung Westen gelenkt und die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 50 km/h überschritten. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z 10a StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bestritt im Verwaltungsstrafverfahren die ihm zur Last gelegte Tat mit dem Einwand, Lenkerin des Fahrzeuges zur Tatzeit sei die von ihm nach Namen und Anschrift genannte, in Ungarn wohnhafte Person gewesen. Zur Aufforderung der belangten Behörde, dafür zu sorgen, daß sich die von ihm namhaft gemachte Lenkerin auf eigene Kosten einer österreichischen Verwaltungsbehörde zur Aussage zur Verfügung stelle und, sollte dies nicht möglich sein, eine eidesstattliche Erklärung dieser Person, welche beglaubigt unterschrieben sei und in der der gesamte Vorgang dargestellt werde, beizubringen, teilte der Beschwerdeführer mit, daß die von ihm vorgenommenen Kontaktversuche mit der angeführten Person nicht aufgenommen worden seien.
Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides nahm die belangte Behörde als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer der Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe nämlich in seiner ersten Rechtfertigung, welche erfahrungsgemäß der Wahrheit am nächsten komme, angegeben, daß er selber zum gegenständlichen Zeitpunkt den Pkw gelenkt und aus Unachtsamkeit die gegenständliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen habe. Erst im Einspruch gegen die wegen der gegenständlichen Übertretung gegen ihn erlassene Strafverfügung habe der Beschwerdeführer angegeben, daß nicht er der Lenker gewesen sei, sondern die von ihm bekanntgegebene Person. Eine Bestätigung über den Aufenthalt der betreffenden Lenkerin in Österreich habe der Beschwerdeführer ebensowenig beibringen können wie eine Erklärung der angeblichen Lenkerin. Nachdem die Lenkerin auch keiner österreichischen Verwaltungsbehörde zur Aussage zur Verfügung stehe, habe von der Aktenlage ausgegangen werden müssen, zumal die erste Behauptung des Beschwerdeführers, er habe zur Tatzeit das Kraftfahrzeug gelenkt, durchaus glaubwürdig sei und dafür, daß eine andere Person das Kraftfahrzeug gelenkt habe, keinerlei Beweismittel oder Zeugen hätten aufgefunden werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, in teilweiser Abgehung von seiner bisherigen Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Behörde in einem Verwaltungsstrafverfahren, in dem der Beschuldigte als Entlastungszeugen eine Person bezeichnet, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält, jedenfalls den Versuch unternehmen muß, mit dieser Person - sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - dadurch in Verbindung zu treten, daß sie an sie ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Darüberhinaus treffen die Behörde die weiteren im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1989, Zl. 88/02/0210, dargestellten Ermittlungspflichten. Der Verwaltungsgerichtshof sah sich ferner in diesem Zusammenhang im Erkenntnis des verstärkten Senates vom 4. Juni 1991 veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß eine gesetzliche Grundlage, die schriftliche Erklärung des im Ausland befindlichen Entlastungszeugen in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form zu fordern, nicht besteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Im vorliegenden Fall unterließ es die belangte Behörde, den Versuch zu unternehmen, mit der vom Beschwerdeführer als Entlastungszeugin genannten, angeblich in Ungarn - mit welchem Staat ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen nicht besteht - wohnhaften Person in der geschilderten Art in Verbindung zu treten, was vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zu Recht gerügt wird. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastete sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren auf Ersatz der Umsatzsteuer war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes abzuweisen. Stempelgebühren waren lediglich im Ausmaß von S 270,-- zuzusprechen, weil die Beschwerde lediglich in zweifacher Ausfertigung einzubringen und pro Ausfertigung mit S 120,-- zu vergebühren war und der angefochtene Bescheid lediglich in einfacher Ausfertigung und im vorliegenden Fall nur mit S 30,-- zu vergebühren war. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Stempelgebühren war daher ebenfalls gemäß § 58 Abs. 2 VwGG abzuweisen.
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Diverses Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990030174.X00Im RIS seit
11.07.2001