TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/19 90/02/0160

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Veröffentlicht am 19.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gartner, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich von 7. Juni 1990, Zl. VerkR-12.678/2-1990-II/Fra, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren hinsichtlich der Barauslagen wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. Juni 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 21. Juli 1989 um 18.20 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der Mauernberger Bezirksstraße von Richtung Moosham zur Richtung mit der Eglseewald-Gemeindestraße und weiter zur Innviertler Ersatzstraße B 309 gelenkt habe, ohne bei dieser Fahrt im Besitz einer Lenkerberechtigung der Gruppe B gewesen zu sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß "im gegenständlichen Zusammenhang unbestritten ist, daß der tatgegenständliche Pkw am Tatort zur Tatzeit gelenkt wurde". Der Beschwerdeführer macht geltend, daß diese Feststellung unrichtig sei, und bezieht sich dabei auf seine schriftliche Eingabe an die Erstbehörde, die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, vom 19. September 1989, in der er auf Grund einer Aufforderung zur Rechtfertigung "mitteilte", daß sich der

gegenständliche Pkw "gelenkt von: S geb. .... in Bozen,

wh. ....... Bozen (Italien) befunden hatte", der Genannte beim

Beschwerdeführer auf Besuch gewesen sei und sie mit dem gegenständlichen Pkw am 17.7.1989 bis 22.7.1989 nach Italien gefahren seien, um Urlaub zu machen. Ungeachtet der teilweise nicht korrekten Diktion kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Beschwerdeführer damit die Behauptung aufgestellt hat, der betreffende Pkw habe sich (ebenso wie der Beschwerdeführer selbst) zur Tatzeit in Italien befunden, und nicht, S habe zur Tatzeit am Tatort diesen Pkw gelenkt. Nach Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (zeugenschaftliche Vernehmungen des Meldungslegers, eines weiteren, zur Tatzeit am Tatort Dienst versehenden Gendarmeriebeamten und der Freundin des Beschwerdeführers) erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 2. Jänner 1990, bei seinen Angaben vom 19. September 1989 zu bleiben; diese Erklärung wiederholte er auch in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 18. Jänner 1990, ohne sich mit seinem weiteren Vorbringen, in dem er sich hinsichtlich des Schuldspruches zu den Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten äußerte, damit in Widerspruch zu setzen. Zuletzt betonte er anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung als Beschuldigter am 12. April 1990, in der er zunächst abermals zu den (in der Zwischenzeit teils ergänzten) Angaben der beiden Gendarmeriebeamten Stellung nahm, abschließend, daß er "zu diesem Zeitpunkt nicht in Österreich, sondern wie schon des öfteren bekanntgegeben in Italien (Bozen) war" und "es daher unmöglich ist, daß ich zu diesem Zeitpunkt gesehen wurde". Da auch daraus nicht geschlossen werden kann, daß der Beschwerdeführer seine schon zu Beginn des Verwaltungsstrafverfahrens vorgebrachte Verantwortung geändert hat, ist die Annahme der belangten Behörde, es sei "unbestritten, daß der tatgegenständliche Pkw am Tatort zur Tatzeit gelenkt wurde", aktenwidrig. Diese Aktenwidrigkeit wäre nur dann nicht als wesentlich anzusehen, wenn die Feststellung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe das betreffende Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt - welche die Feststellung miteinschließt, daß sich das Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort (und nicht in Bozen) befunden habe -, auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffen worden wäre. Dies trifft allerdings im Hinblick darauf, daß der Sachverhalt diesbezüglich nicht genügend ermittelt worden ist (vgl. zur Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der behördlichen Beweiswürdigung insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053), nicht zu.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091, damit befaßt, welche Ermittlungspflichten die Behörde in einem Verwaltungsstrafverfahren treffen, wenn als Entlastungszeuge eine im Ausland lebende Person namhaft gemacht wird, und er ist

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unter Bedachtnahme auf § 25 Abs. 2 VStG, wonach die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die belastenden - zu der Auffassung gelangt, daß die Behörde in einem solchen Fall

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sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - den Versuch wird unternehmen müssen, mit dieser Person in der Form in Verbindung zu treten, daß die Behörde an sie ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet, und vom Ergebnis eines derartigen Versuches die weitere Vorgangsweise der Behörde bei Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes abhängt. Des näheren genügt diesbezüglich ein Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG.

Daraus ergibt sich, daß die Rüge des Beschwerdeführers, S hätte als Zeuge "vor der zuständigen Behörde in Bozen einvernommen" werden müssen, schon deshalb nicht berechtigt ist, weil es kein entsprechendes Rechtshilfeabkommen mit Italien gibt. Doch wäre die belangte Behörde demnach - nachdem dies von der Erstbehörde unterlassen worden war - zu einem Versuch der Kontaktnahme in der geschilderten Art mit S, auf den sich der Beschwerdeführers zu seiner Rechtfertigung (wenn auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag) berufen hat, verpflichtet gewesen. Darin, daß dies unterblieben ist, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren, das den Ersatz von "Barauslagen für Porto und Kopien (Strafakt BH Braunau)" in Höhe von S 162,-- betrifft, war mangels gesetzlicher Grundlage (§ 48 Abs. 1 VwGG) abzuweisen.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Beweismittel Zeugen Beweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärter Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990020160.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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