TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/19 90/02/0169

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Veröffentlicht am 19.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
StVO 1960 §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Gartner, über die Beschwerde des Christian L in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. August 1990, Zl. I/7-St-L-90108, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. August 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil er am 15. Dezember 1989 gegen 15.30 Uhr an einem näher bezeichneten Tatort in Höflein an der Donau einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt habe, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unbestritten steht fest, daß eine Untersuchung des dem Beschwerdeführer (mit seiner Zustimmung) um 19.40 Uhr des Tattages abgenommenen Blutes, bezogen auf diesen Zeitpunkt, einen Blutalkoholwert von 0,95 Promille ergeben hat. Dies würde - nach dem Gutachten des Amtsarztes der Erstbehörde "unter Bedachtnahme des minimalen stündlichen Alkoholabbaues von 0,1 Promille durch die Leber" - rein rechnerisch bedeuten, daß der Blutalkoholwert des Beschwerdeführers zur Tatzeit "mindestens 1,35 Promille und höchstens 1,55 Promille" betragen hat. Der Beschwerdeführer hat sich allerdings auf einen sogenannten Nachtrunk berufen, indem er in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 21. März 1990 ausführte, daß er "vor dem Unfall lediglich ein Glas Sekt getrunken" habe, "aus welchem jedoch eine zur Verkehrsuntüchtigkeit führende Alkoholisierung nicht gegeben ist", und daß die "mit 0,95 Promille festgestellte Alkoholisierung daher fast ausschließlich aus dem Konsum von 1/4 Glühwein rot, und zwar um etwa 18.30 Uhr resultiert". Dies stimmt mit den aktenkundigen Angaben des Beschwerdeführers unmittelbar nach dem Unfall, wonach er vor Antritt der Fahrt gegen 12.00 Uhr ein Glas Sekt und erst nach dem Unfall gegen 18.30 Uhr zu Hause 1/4 l Glühwein getrunken habe, überein. Dazu wurde im bereits genannten amtsärztlichen Gutachten bemerkt, daß der Konsum von einem Glas Sekt zu dem vom Beschwerdeführer angegebenen Zeitpunkt "bestenfalls" eine Alkoholkonzentration von 0,1 Promille habe hervorrufen können und zur Tatzeit "diese Konzentration aber längst abgebaut gewesen wäre, sodaß 0,0 Promille vorgelegen wäre", sowie weiters, daß das "Viertel Glühwein um 18.30 des gleichen Tages unter Berücksichtigung des Körpergewichtes, einer eventuell raschen Resorption maximal 0,3 Promille Blutalkoholkonzentration ergeben hätte", um 19.40 Uhr aber eine Blutalkoholkonzentration von 0,95 Promille festgestellt worden sei, diese "aber höchstens 0,15 Promille hätte betragen können, wenn es sich so verhalten hätte, wie der Beschuldigte den Sachverhalt angibt". Der Sachverständige zog daraus den Schluß, daß "deshalb weit größere Mengen Alkohol konsumiert worden sein müssen, um diesen Wert zu erreichen". Daraufhin brachte der Beschwerdeführer in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 18. Juni 1990 vor, daß der Amtssachverständige "von unrichtigen Voraussetzungen" ausgegangen sei, zumal in einem denselben Vorfall betreffenden gerichtlichen Strafverfahren mit der für ein solches Verfahren "notwendigen Sicherheit festgestellt" worden sei, "daß jene Alkoholmenge nach dem Verkehrsunfall vom 15.12.89 konsumiert wurde, die dem Blutalkoholwert von über 0,8 Promille erzeugt hat". Es sei vom Beschwerdeführer um

18.30 Uhr nicht nur 1/4 l Glühwein konsumiert worden, sondern man werde "im gegenständlichen Fall auf Grund des vom Gericht begutachteten Gefäßes mindestens eine Menge von 0,33 l Alkohol annehmen müssen, was einer Blutalkoholkonzentration von etwa 0,5 bis 0,6 Prozent entspricht". Daß der Beschwerdeführer "mittags mehr als 1 Glas Sekt getrunken" habe, stehe "außer Zweifel"; "offensichtlich" habe "er sich an den weiteren Konsum nicht mehr so genau erinnern können". "Auf Grund des Nachtrunks um 18.30 Uhr" sei "aber zum Zeitpunkt des Unfalles die relevante Alkoholkonzentrationsschwelle von 0,8 Promille nicht überschritten gewesen, sondern durch die Konsumation um

18.30 Uhr anläßlich der Blutabnahme um 19.40 um rund 0,5 bis 0,6 Promille erhöht worden".

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht davon ausgegangen, daß die Verwaltungsbehörden an die Feststellung des Strafgerichtes "über die Alkoholisierung der Partei" nicht gebunden sind, weil es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, daß die Verwaltungsbehörden frei und unabhängig von den Gerichten zu beurteilen haben, ob eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, und daher eine derartige Bindung nicht besteht (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 20. Juni 1990, Zl. 90/02/0021, und vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0135). Sie hat - offenbar in Abweichung von der strafgerichtlichen Beurteilung - dem späteren Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich eines Nachtrunkes von mehr als 1/4 l Glühwein keinen Glauben geschenkt, weil es eine Erfahrungstatsache darstelle, "daß diejenigen Angaben, die vom Beschuldigten sofort zum Tatzeitpunkt gemacht werden, bei weitem eher der Wahrheit entsprechen als ein Vorbringen, welches erst nach sehr langen Überlegungszeiten gemacht wird", und sie hat daraus die Schlußfolgerung abgeleitet, daß dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung seiner im Verfahren gemachten ursprünglichen Angaben der Nachweis darüber, daß die relevante Alkoholisierung ausschließlich durch den Nachtrunk hervorgerufen worden sei, nicht gelungen sei. Dabei handelte es sich um einen Akt der Beweiswürdigung, die der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur in der Richtung unterliegt, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die diesbezüglich angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Unter diesem Gesichtspunkt vermag zwar der Verwaltungsgerichtshof der (grundsätzlich schlüssigen) Argumentation der belangten Behörde, weshalb sie ihrer Entscheidung nicht die erst nach Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens geänderten Trinkangaben des Beschwerdeführers zugrundegelegt hat, nicht zu folgen, weil aus dem späteren Vorbringen des Beschwerdeführers mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, daß er behauptet, sich ursprünglich über die Menge des von ihm getätigten Nachtrunkes geirrt zu haben, was durch einen Augenschein des dabei verwendeten Trinkgefäßes und die Vernehmung einer näher genannten Zeugin - ebenso wie im gerichtlichen Strafverfahren - hätte erwiesen werden können. Aus diesem Grund ist auch die Ansicht der belangten Behörde, die Einvernahme dieser Zeugin sei entbehrlich gewesen, weil "von dieser lediglich eine subjektive Darstellung hinsichtlich einer bei Ihnen allenfalls bestehenden Alkoholisierung hätte erfolgen können, welche aber keinen anderen Sachverhalt herbeigeführt hätte", verfehlt. Der Umstand, daß die belangte Behörde keine weiteren Ermittlungen durchgeführt hat, ist aber kein wesentlicher Verfahrensmangel, wäre doch für den Standpunkt des Beschwerdeführers auch auf dem Boden seines späteren Vorbringens nichts zu gewinnen. Selbst wenn man unterstellt, daß der nachträgliche Konsum von 0,33 l Glühwein den Blutalkoholgehalt des Beschwerdeführers um 0,5 Promille erhöht hat - wobei eine größere Auswirkung mit Rücksicht auf das vom Beschwerdeführer für den Fall, daß seine früheren Angaben herangezogen werden können, unbekämpft gebliebene amtsärztliche Gutachten, wonach der Konsum von 0,25 l Glühwein um 18.30 Uhr nur maximal 0,3 Promille Blutalkoholkonzentration ergeben hätte", sowie im Hinblick auf die bis zur Blutabnahme verstrichene Zeit jedenfalls nicht angenommen werden kann -, sodaß von dem um 19.40 Uhr festgestellten Blutalkoholwert von 0,95 Promille 0,5 Promille in Abzug zu bringen wären, was bedeutet, daß ohne diesen Nachtrunk der Blutalkoholwert im Zeitpunkt der Blutabnahme lediglich 0,45 Promille betragen hätte, so gelangt man nämlich im Wege der Rückrechnung bei einem stündlichen Alkoholabbau (im günstigsten Falle für den Beschwerdeführer) von 0,1 Promille gleichfalls dazu, daß zur Tatzeit um 15.30 Uhr die Grenze von 0,8 Promille erreicht und sogar überschritten gewesen wäre, weshalb der Zustand des Beschwerdeführers auch in diesem Falle gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO 1960 als von Alkohol beeinträchtigt zu gelten gehabt hätte. Daran vermag die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte "Amtskenntnis des Gerichtes", auf Grund welcher es zu einem anderen Ergebnis gekommen sei, nichts zu ändern.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht Verwaltungsbehörde Verfahrensrecht Gericht Verwaltungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990020169.X00

Im RIS seit

24.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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