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10/02 Ämter der Landesregierungen;Norm
AdLRegOrgG 1925;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. April 1990, Zl. 03-12 We 55-89/16, betreffend Interessenbescheinigung gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 des Mietrechtsgesetzes (mitbeteiligte Partei: A-GmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Eigentümerin der Liegenschaft Graz, X-Straße (die mitbeteiligte Partei), beabsichtigte, durch Umbau des vorhandenen Hauses im ersten Obergeschoß vier Wohnungen und im Dachgeschoß eine Wohnung zu errichten. Die nunmehrige Beschwerdeführerin ist Mieterin einer der beiden derzeit im Dachgeschoß bestehenden Wohnungen. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens beantragte die mitbeteiligte Partei beim Magistrat Graz gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 des Mietrechtsgesetzes (MRG), BGBl. Nr. 520/1981, bescheidmäßig festzustellen, daß der geplante Umbau im öffentlichen Interesse liege. Sie begründete ihren Antrag im wesentlichen damit, daß durch den Umbau neue Wohnungen geschaffen würden, die zur Beseitigung oder Milderung des im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet seien.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1989 stellte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz als Bezirksverwaltungsbehörde gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG fest, daß der Umbau des ersten Obergeschoßes und des Dachgeschoßes des Objektes X-Straße zum Zwecke der Schaffung von fünf Wohnungen entsprechend dem namens des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz ergangenen Baubewilligungsbescheide vom 4. August 1986 im öffentlichen Interesse liege, da dieser Umbau zusätzlich Wohnungen schaffe, die zur Milderung des im Stadtgebiet von Graz bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes geeignet seien.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit dem nun angefochtenen Bescheid keine Folge, änderte den erstinstanzlichen Bescheid jedoch dahin gehend, "daß gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG festgestellt wird, daß der Umbau des ersten Obergeschoßes und des Dachgeschoßes des Objektes X-Straße, der der Milderung des im Stadtgebiet von Graz bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes dient, zum Zwecke der Schaffung von sechs Wohnungen, entsprechend den am 15. Jänner 1990 ha. vorgelegten Plänen, im öffentlichen Interesse liegt".
Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefaßt auf das Wesentlichste - aus, sie habe in Ergänzung zum erstbehördlichen Verfahren Erhebungen vor Ort durchführen lassen, wobei der technische Sachverständige im wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt sei, daß sich ursprünglich sowohl im Obergeschoß als auch im Dachgeschoß je zwei Wohnungen befunden hätten. Aus den mit Bescheid vom 4. August 1986 bewilligten Bauplänen ergebe sich, daß durch die Umbauarbeiten im Obergeschoß drei Wohnungen entstehen sollten. Unabhängig davon würden über eine Stiege im Hof zwei Räume erreicht werden. Im Zuge des Berufungsverfahrens habe die mitbeteiligte Partei ihren Antrag modifiziert und gleichzeitig neue Pläne vorgelegt. Zum Unterschied vom erstinstanzlichen Bescheid, der sich auf vier Wohneinheiten im Obergeschoß und eine Wohneinheit im Dachgeschoß stütze, sei im Ermittlungsverfahren festgestellt worden, daß es sich auf Grund der bewilligten Baupläne des Baumeisters Ing. B vom 8. März 1986 im Obergeschoß um drei Wohnungen handle, "wobei zwei Räume im Südosten abgetrennt und über eine Stiege im Hof erreichbar werden. Diese Räume sind keiner der drei Wohnungen zuzuordnen. Der Konsenswerber hat im Zuge des Berufungsverfahrens sein Vorhaben abgeändert und nunmehr vier Wohneinheiten im Obergeschoß und zwei Wohneinheiten im Dachgeschoß dem Feststellungsverfahren zugrunde gelegt." Durch das Vorhaben würden zwei weitere Wohnungen (bisher vier) geschaffen, wodurch eine Milderung des in Graz bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes zu erwarten sei. Daß in Graz ein quantitativer Wohnfehlbestand bestehe, sei von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt worden. Es komme nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeine - auf die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum an. Es sei lediglich zu beurteilen gewesen, "ob Wohnungen vermehrt werden".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der "Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, aktenwidrige Annahme des Sachverhaltes durch die belangte Behörde und Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde" geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die von der Beschwerdeführerin behauptete "Unzuständigkeit der belangten Behörde" liegt nicht vor. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sagt die Kopfbezeichnung eines Bescheides "Amt der Steiermärkischen Landesregierung" nichts darüber aus, ob der Bescheid von der Landesregierung oder vom Landeshauptmann ausgeht, da das Amt der Landesregierung Geschäftsapparat beider Behörden ist. Maßgebend ist die Art der Unterfertigung. Der angefochtene Bescheid trägt die Fertigungsklausel "Für den Landeshauptmann:
Der Abteilungsvorstand: i.V. Dr. Frank eh.". Daraus ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - zweifelsfrei, daß der angefochtene Bescheid dem Landeshauptmann zuzurechnen ist (siehe unter anderem die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 bei § 18, S. 194 u. 195, angeführten Erkenntnisse). Daß diese Behörde aber zur Entscheidung über die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung zuständig war, wird von ihr nicht in Abrede gestellt. Aus dem von der Beschwerdeführerin angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1969, Zl. 997/67, kann schon deshalb nichts für ihren Standpunkt gewonnen werden, da es sich dort um einen anders gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.
Die Beschwerdeführerin bringt ferner - wie auch schon im Verwaltungsverfahren - vor, die geplanten Umbauarbeiten hätten keine Vermehrung des bereits vorhandenen Wohnraumes zur Folge. Es würde der derzeitige Zustand nur insofern eine Änderung erfahren, als bei gleichbleibender Wohnnutzfläche im ersten Obergeschoß statt derzeit zwei Wohnungen durch Teilung derselben drei Wohnungen entstünden. Im Dachgeschoß würde sogar die Anzahl der Wohnungen unverändert bleiben. Bei bloßer Vermehrung der Anzahl der in einem Haus vorhandenen Wohnungen ohne gleichzeitige Vermehrung der Wohnnutzfläche könne keine Rede davon sein, daß der Umbau im öffentlichen Interesse gelegen sei, da ein solcher Umbau nicht geeignet sei, einen im Ortsgebiet bestehenden Wohnungsbedarf oder Wohnfehlbestand zu beseitigen oder zu mildern.
Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht:
Nach § 30 Abs. 1 MRG kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen. Gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 leg. cit. - in der vor dem 2. Wohnrechtsänderungsgesetz, BGBl. Nr. 68/1991, geltenden Fassung - ist es als ein wichtiger Grund insbesondere anzusehen, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, daß der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs oder eines qualitativen Wohnfehlbestands geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird.
Diese Regelung ermöglicht Eingriffe in bestehende Mietrechte unter anderem dann, wenn mit dem Abbruch oder Umbau eines Hauses die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, der Mieter Ersatz erhält u n d die Behörde bescheidmäßig feststellt, daß das Bauvorhaben zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs geeignet sind - nur dieser Anwendungsfall des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG steht im Beschwerdefall zur Diskussion -, im öffentlichen Interesse liegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis vom 19. März 1986, Zl. 84/01/0075, Slg. Nr. 12.080/A, unter Hinweis auf weitere Judikatur dargelegt, daß schon aus dem Wortlaut der angeführten Gesetzesstelle, und weil es sich hiebei um eine auf die Einschränkung bestehender Privatrechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handelt, hervorgeht, daß der projektierte Neu- oder Umbau jedenfalls nach Art und Umfang geeignet sein muß, Wohnraum zu schaffen, der der Milderung der in einem bestimmten Ort bestehenden Wohnungsnot dient, und es solcherart rechtfertigt, im Interesse der Allgemeinheit auch bestehende Mietrechte einzelner aufzuheben. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, wenn Ziel der beabsichtigten Bauführung lediglich die Schaffung von Luxuswohnungen ist oder durch das Vorhaben die Anzahl der Wohnungen oder die gesamte Wohnfläche nur geringfügig vermehrt wird.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall trotz des diesbezüglichen Einwandes der Beschwerdeführerin keine Feststellungen darüber getroffen, in welchem Ausmaß durch den geplanten Umbau eine Vermehrung der dem Wohnzweck dienenden Nutzfläche eintreten würde und hat sich lediglich mit der Feststellung der Anzahl der im ersten Obergeschoß und im Dachgeschoß nach dem Umbau vorhandenen Wohnungen begnügt. Da die belangte Behörde dem Einwand der Beschwerdeführerin, es werde durch den Umbau nicht ein Quadratmeter mehr Wohnraum geschaffen, allein damit begegnet ist, daß sie meinte, es käme nicht auf die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum an, hat sie zu erkennen gegeben, daß der Einwand der Beschwerdeführerin den Tatsachen entspricht. Es kann daher als unbestritten angesehen werden, daß durch den beabsichtigten Umbau kein zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird, sondern nur durch Teilung der größeren der beiden im ersten Obergeschoß befindlichen Wohnungen eine Vermehrung der Anzahl der im ersten Obergeschoß gelegenen Wohnungen erreicht werden soll, zumal dies auch aus den von der mitbeteiligten Partei vorgelegten, von der belangten Behörde ihren Feststellungen zugrunde gelegten Bauplänen einwandfrei zu ersehen ist. Aus diesen Plänen ergibt sich überdies, daß auch die vierte im ersten Obergeschoß geplante Wohneinheit, die nur durch eine eigene vom Hof aus geführte Stiege zu erreichen sein wird, aus zwei bereits vorhandenen Räumen, zu welchen noch ein von der größeren Wohnung abzuteilender Raum hinzukommt, gebildet werden soll. Im Dachgeschoß, in der die von der Beschwerdeführerin gemietete Wohnung gelegen ist, soll durch den geplanten Umbau nicht einmal die Anzahl der derzeit dort befindlichen Wohnungen vermehrt werden.
Unterstellt man diesen Sachverhalt - von dem auch die belangte Behörde erkennbar bei ihrer Entscheidung ausgegangen ist - der vom Verwaltungsgerichtshof in dem angeführten Erkenntnis dargestellten Rechtslage, so kann im vorliegenden Fall von einer im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG rechtserheblichen, ins Gewicht fallenden "Vermehrung von Wohnungen" schon deshalb nicht gesprochen werden, weil durch den geplanten Umbau tatsächlich nur eine einzige kleine Wohnung neu entstünde, die überdies nur durch Unterteilung einer anderen etwas größeren Wohnung gewonnen werden würde.
Da die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde - ohne daß es noch eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, da einerseits Ersatz von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Ersatz von Schriftsatzaufwand nicht gebührt und andererseits Stempelgebühren nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden konnten.
Schlagworte
Behördenbezeichnung Fertigungsklausel Intimation Zurechnung von Bescheiden Zurechnung von Bescheiden IntimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990190492.X00Im RIS seit
24.11.2000