TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/20 91/19/0068

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Veröffentlicht am 20.06.1991
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §56;
EGVG Art2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 idF 1987/575;
PaßG 1969 §25 Abs1;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969 §28;
PaßG 1969 §29 Abs1;
PaßG 1969 §37;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Ankara vom 18. Februar 1991, Zl. 3.31.361/1/91, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Eingabe an die Österreichische Botschaft in Ankara (die belangte Behörde) vom 24. Jänner 1991 hatte der nunmehrige Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines "befristeten Wiedereinreise-Sichtvermerkes (Vorschlag: 2 Jahre)" gestellt. Begründend war dazu ausgeführt worden, daß er seit Dezember 1990 zusammen mit A je zu 50 % Gesellschafter der A Videogesellschaft m.b.H., die in D ein Videogeschäft betreibe, sei; er sei auch Mitarbeiter dieser Gesellschaft. Um seine Aufgaben als Mitarbeiter und Gesellschafter ausüben zu können, sei sein Aufenthalt in Österreich erforderlich. Auch eine Unterkunft stehe ihm zur Verfügung. Die persönlichen Interessen rechtfertigten die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung; öffentliche Interessen stünden nicht entgegen. Diesem Antrag waren der Reisepaß des Beschwerdeführers, eine "Unterkunftserklärung", der Abtretungsvertrag vom 18. Dezember 1990 (Notariatsakt) betreffend die Abtretung von Geschäftsanteilen an der A Video Gesellschaft m.b.H. unter anderem an den Beschwerdeführer, eine Liste der Gesellschafter vom 18. Dezember 1990 (in welcher der Beschwerdeführer mit einer Stammeinlage von S 250.000,-- aufscheint) und eine an das Landes- als Handelsgericht Feldkirch gerichtete Eingabe vom 18. Dezember 1990 "wegen Änderungen in der Geschäftsführung und bei den Gesellschaftern" angeschlossen.

2. Ohne weitere Ermittlungsschritte richtete die belangte Behörde daraufhin unter dem Datum 18. Februar 1991 an den Vertreter des Beschwerdeführers (den nunmehrigen Beschwerdevertreter) ein Schreiben folgenden Wortlautes:

"Sehr geehrter Herr RechtsanwaltÜ

Der Antrag Ihrer Mandatschaft N, 27.09.1972 gebr., auf Erteilung eines Sichtvermerkes wird abgelehnt.

Die Tatsache, daß Herr N Gesellschafter der Firma "A-VIDEO GesmbH", D, ist, rechtfertigt noch nicht die Erteilung eines Sichtvermerkes mit dem Zweck der Niederlassung in Österreich.

Eine Arbeitsaufnahme in Österreich ist nur nach den Bestimmungen des Abkommens zwischen Österreich und der Türkei über die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte und deren Beschäftigung in Österreich BGBl. Nr. 164/1964 möglich. Überdies trifft dem GesmbH-Gesellschafter aufgrund der Bestimmungen des GesmbH-Gesetzes keine Verpflichtung zur persönlichen Mitarbeit im Unternehmen. Herr N hat aufgrund des übermittelten Notariatsaktes vom 18.12.90 Gesellschaftsanteile an gennanter GesmbH erworben. Er hat sich zu diesem Zeitpunkt, wie aus dem Reisepaß (TR-F 143847) eindeutig hervorgeht, illegal in Österreich aufgehalten.

Anbei werden die mit Antrag übersandten Beilagen übermittelt.

Mit freundlichen Grüßen

Karl Zach

Botschaftssekretär"

3. Durch dieses vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Schreiben erachtet er sich in "seinem Recht verletzt, eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Sichtvermerk) für Österreich zu bekommen". Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten (in Ablichtung) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was zunächst die rechtliche Qualifizierung der angefochtenen Erledigung (oben I.2.) anlangt, so pflichtet der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer bei, daß mit dieser in normativer Weise über den von ihm gestellten Antrag vom 24. Jänner 1991 auf Ausstellung eines befristeten Sichtvermerkes abgesprochen worden ist, die besagte Erledigung somit als Bescheid zu werten ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 91/19/0067 und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Beschwerde ist demnach zulässig.

2. Gemäß § 23 Abs. 1 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969, (PaßG 1969) bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).

Im Beschwerdefall bedurfte der Beschwerdeführer eines Sichtvermerkes, da durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist: Die nach dem Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Türkischen Regierung über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, zulässige sichtvermerksfreie Einreise türkischer Staatsangehöriger in Österreich und ein anschließender drei Monate nicht übersteigender Aufenthalt war dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Kundmachungen des Bundeskanzlers vom 23. Jänner 1990, BGBl. Nr. 66, und vom 24. April 1990, BGBl. Nr. 222, mit denen das genannte Regierungsabkommen hinsichtlich türkischer Staatsangehöriger mit Ausnahme der Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen mit 17. Jänner 1990 aufgehoben bzw. die Aufhebung mit Wirkung ab 17. April 1990 bis auf weiteres verlängert wurde, nicht gestattet.

3.1. Nach § 25 Abs. 1 PaßG 1969 kann einem Fremden auf Antrag ein Sichtvermerk erteilt werden, sofern kein Versagungsgrund gemäß Abs. 3 vorliegt. Zufolge des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat die Behörde bei der Ausübung des ihr im Abs. 1 eingeräumten freien Ermessens auf die persönlichen Verhältnisse des Sichtvermerkswerbers und auf die öffentlichen Interessen, insbesondere auf die wirtschaftlichen und kulturellen Belange, auf die Lage des Arbeitsmarktes und auf die Volksgesundheit Bedacht zu nehmen. Gemäß § 25 Abs. 3 PaßG 1969 ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn (lit. d) die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

3.2. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, daß im vorliegenden Fall auf die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 PaßG 1969 nicht einzugehen sei, da sich die belangte Behörde "weder ausdrücklich noch schlüssig" auf einen in dieser Bestimmung angeführten Versagungsgrund bezogen habe. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht, kann doch der im angefochtenen Bescheid für die Versagung des Sichtvermerkes gegebenen tragenden Begründung, wonach sich der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erstellung des Notariatsaktes vom 18. Dezember 1990, wie aus dem Reisepaß eindeutig hervorgehe, "illegal in Österreich aufgehalten (hat)", unschwer die Bezugnahme auf den Tatbestand des § 25 Abs. 3 lit. d leg. cit. entnommen werden. War aber dieser Tatbestand als verwirklicht anzusehen - was in bezug auf die von der belangten Behörde als erwiesen angenommene sachverhaltsmäßige Grundlage zu prüfen sein wird -, so hatte die belangte Behörde dem klaren Wortlaut des § 25 Abs. 3 PaßG 1969 zufolge den begehrten Sichtvermerk zwingend zu versagen.

4.1. Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde gegen den Grundsatz des Parteiengehörs verstoßen habe. Hätte sie Parteiengehör gewährt, wäre "zum Vorschein gekommen", daß der Beschwerdeführer nicht nur Gesellschafter, sondern auch Mitarbeiter der genannten Gesellschaft sei; daß für die Mitarbeit die im bekämpften Bescheid angeführten gesetzlichen Bestimmungen nicht anzuwenden seien und auch keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich sei; daß der Beschwerdeführer im Dezember 1990 ordnungsgemäß beim Grenzübertritt Spielfeld nach Österreich eingereist sei und sich derzeit wieder in der Türkei befinde; daß den Beschwerdeführer die Verpflichtung zur persönlichen Mitarbeit im Unternehmen aufgrund der Gesellschafterbeschlüsse treffe; und daß auch die Gesellschafterstellung allein den fallweisen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich erfordere.

4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland in Sichtvermerksangelegenheiten zwar nicht das AVG, wohl aber die in diesem Gesetz niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens anzuwenden (vgl. etwa das Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 91/19/0067 und das dort zitierte Judikat). Zu diesen Grundsätzen zählt auch die Gewährung des Parteiengehörs (vgl. die bei HAUER-LEUKAUF, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Eisenstadt 1990, S. 329 unter 5. angeführten hg. Entscheidungen). Dessenungeachtet war im Beschwerdefall für die Anwendung des Grundsatzes des Parteiengehörs deshalb kein Raum, weil sich die Gewährung des rechtlichen Gehörs ausschließlich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme erstreckt (vgl. § 45 Abs. 3 AVG), von der belangten Behörde jedoch keine Beweise aufgenommen wurden.

Was den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich im Dezember 1990 anlangt, so behauptet der Beschwerdeführer in der Beschwerde, abweichend von der Feststellung der belangten Behörde, er sei "im Dezember 1990 ordnungsgemäß beim Grenzübertritt Spielfeld nach Österreich" eingereist. Diese Behauptung versteht der Verwaltungsgerichtshof vor dem normativen Hintergrund des § 2 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 190/1990, sowie im Hinblick darauf, daß die Beschwerde an anderer Stelle (Punkt III.2.1.) selbst vom Erfordernis eines Sichtvermerkes für den Beschwerdeführer für dessen rechtmäßige Einreise nach Österreich ausgeht, dahin, daß der Beschwerdeführer über den Grenzübergang Spielfeld mit einem österreichischen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei. Die so zu verstehende Behauptung findet allerdings in den Akten keine Deckung. Vielmehr zeigt der dem Gerichtshof in Ablichtung vorliegende Reisepaß des Beschwerdeführers TR-F No. 143847, daß dem Beschwerdeführer zur fraglichen Zeit (Dezember 1990) kein österreichischer Sichtvermerk ausgestellt worden ist. Damit aber begegnet der von der belangten Behörde aus diesem Sachverhalt gezogene Schluß, der Beschwerdeführer habe sich im Zeitpunkt des in seiner Anwesenheit geschlossenen Abtretungsvertrages (am 18. Dezember 1990 in D) nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten, keinen rechtlichen Bedenken, da unter Zugrundelegung der oben II.2. dargestellten Rechtslage im Dezember 1990 jede Einreise eines türkischen Staatsangehörigen - mit Ausnahme der Inhaber von Diplomaten- und Dienstpässen - in das österreichische Bundesgebiet, sei sie auch von noch so kurzer Dauer, nur mit einem österreichischen Sichtvermerk gestattet war.

Der - legt man das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde zugrunde - wissentliche Verstoß gegen das PaßG 1969 stellt keine als bloß geringfügig zu wertende Übertretung dar. Vielmehr mißt die Rechtsordnung der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung paßrechtlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliegt (so die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes; vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0154). Die von der belangten Behörde im Hinblick auf die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden würde (§ 25 Abs. 3 lit. d PaßG 1969), getroffene Entscheidung, dem Beschwerdeführer den begehrten (befristeten) Sichtvermerk zu versagen, entspricht demnach dem Gesetz.

6. Da nach dem Gesagten der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer nicht in dem vom Beschwerdepunkt (oben I.3.) erfaßten Recht verletzt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONBescheidcharakter BescheidbegriffParteiengehör AllgemeinVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Allgemein VwRallg10/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991190068.X00

Im RIS seit

06.08.2001

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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