Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-Bank gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 9. Jänner 1990, GA 11 - 1587/89, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Bank schloß mit ihren Kreditnehmern O.M. und W.N. am 26. April 1985 einen Kreditvertrag über einen einmal ausnützbaren Kredit in der Höhe von S 917.000,--. Die über diesen Vertrag errichtete Urkunde enthält den Vermerk "gebührenfreie Umschuldung Kredit A.-Bank Zl. ...". Der Vermerk bezieht sich auf ein den Kreditnehmern am 24. November 1983 von der A.-Bank eingeräumtes und zugezähltes Hypothekardarlehen in der Höhe von S 920.000,--.
Die Beschwerdeführerin, der gemäß § 3 Abs. 4 GebG die Selbstberechnung der Gebühren bewilligt worden war, behandelte den am 26. April 1985 beurkundeten Kreditvertrag als gebührenfrei.
Das Finanzamt setzte im Zuge einer Gebührennachschau gemäß § 201 BAO gegenüber der Beschwerdeführerin für den Kreditvertrag vom 26. April 1985 eine Gebühr von S 7.336,-- und gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Erhöhung im Betrage von S 3.665,-- fest. Es führte aus, Gebührenfreiheit im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 5 GebG komme nicht zum Tragen, da es sich um eine Umschuldung eines Darlehensvertrages auf einen Kreditvertrag handle.
Mit der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin, soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, vor, im Hinblick auf die wirtschaftliche Gleichartigkeit und rechtliche Affinität von Darlehens- und Kreditverträgen sei die Auslegung, daß die Umschuldung eines Darlehens mit Hilfe eines Kredites nicht gebührenfrei sei, gleichheitswidrig und verfehlt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insoweit Folge, als die Gebührenerhöhung aufgelassen wurde. Im übrigen wies sie die Berufung als unbegründet ab. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat sie im wesentlichen die Auffassung, § 33 TP 19 Abs. 5 GebG lege die Voraussetzungen für eine gebührenfreie Umschuldung so eindeutig fest, daß für die von der Beschwerdeführerin gewollte, dem Wortlaut entgegenstehende "verfassungskonforme" Auslegung kein Raum bleibe. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin werde auf die Ausführungen von Glega (ÖStZ 1984, 194 ff), denen sich die belangte Behörde anschließe, verwiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 25. September 1990, Zl. B 194/90-7, ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag der Beschwerdeführerin mit Beschluß vom 5. November 1990 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit ergänzendem Schriftsatz macht die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, unterliegen gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 GebG einer (von der vereinbarten Kreditsumme zu berechnenden) Gebühr.
Nach § 33 TP 8 Abs. 1 leg. cit. unterliegen Darlehensverträge einer Gebühr nach dem Wert der dargeliehenen Sache.
Gemäß § 33 TP 19 Abs. 5 leg. cit. gilt bei Umschuldungen, wodurch ein Kreditvertrag aufgehoben, die Kreditsumme zurückgezahlt und als Ersatz ein Kreditvertrag mit einem anderen Kreditgeber abgeschlossen wird, der neue Kreditvertrag gebührenrechtlich als Nachtrag (Aufstockung, Prolongation) des ursprünglichen Kreditvertrages, wenn die Urkunde über den neuen Kreditvertrag einen Vermerk über die Umschuldung enthält und Aufhebung sowie Rückzahlung innerhalb eines Monates ab Beurkundung des neuen Kreditvertrages erfolgen.
Gemäß § 33 TP 8 Abs. 5 leg. cit. ist bei Umschuldungen von Darlehensverträgen § 33 TP 19 Abs. 5 sinngemäß anzuwenden.
Die Umschuldungsbegünstigung nach den zitierten Gesetzesstellen wurde durch die Gebührengesetzenovelle 1984, BGBl. NR. 127, eingeführt. Dafür waren nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (215 Blg. NR. XVI. GP.) folgende Überlegungen maßgeblich:
"Wird ein bestehender, in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise beurkundeter Kreditvertrag vorzeitig beendet und an dessen Stelle ein neuer Vertrag mit einem anderen Kreditinstitut abgeschlossen und beurkundet, so muß nach der geltenden Rechtslage der Vertrag zwischen den neuen Vertragspartnern selbständig und unabhängig davon, was vorher war, vergebührt werden. Wenn daher der Kreditnehmer aus wirtschaftlichen Gründen, etwa weil die Konditionen günstiger sind, seinen Kreditgeber wechseln will, muß er mit einer gewissen Belastung durch die Kreditvertragsgebühr rechnen. Um die Wahl der für den Kreditnehmer günstigsten Variante nicht zu beeinträchtigen, soll mit der vorgesehenen Begünstigung für Umschuldungen eine Rechtslage geschaffen werden, die gebührenrechtlich keinen Unterschied macht, ob der Kreditnehmer bei seinem Kreditgeber bleibt oder zu einem anderen überwechselt. Dies gilt gleichermaßen für Darlehensverträge."
Aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut des Gesetzes folgt somit ohne weiteres, daß ein neuer Kreditvertrag bei Umschuldungen, bei denen ein Kreditvertrag durch einen anderen Kreditvertrag "ersetzt" wird (§ 33 TP 19 Abs. 5 GebG), unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen als Nachtrag im Sinne des § 21 GebG gilt. Der neue Kreditvertrag unterliegt kraft der in der zitierten Gesetzesstelle liegenden "Nachtragsfiktion" somit keiner Gebühr, soweit damit keine zusätzlichen Rechte im Sinne des § 21 GebG begründet werden. Diese Regelung ist "bei Umschuldungen von Darlehensverträgen" sinngemäß anzuwenden.
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob sich die Umschuldungsbegünstigung nach § 33 TP 8 Abs. 5 iVm § 33 TP 19 Abs. 5 auch auf den Fall einer Umschuldung im Wege des "Ersatzes" eines Darlehensvertrages durch einen Einmalkreditvertrag erstreckt.
Die grammatikalische Interpretation der zitierten Vorschriften führt nicht zur eindeutigen Lösung dieser Frage. Zwar ist in § 33 TP 19 Abs. 5 vom "Ersatz" eines Kreditvertrages durch "einen anderen Kreditvertrag" und nicht etwa durch "einen anderen Kredit- oder Darlehensvertrag" die Rede; die Anordnung der sinngemäßen Anwendung der zuletzt zitierten Vorschrift "bei Umschuldungen von Darlehensverträgen" in § 33 TP 8 Abs. 5 läßt jedoch eine Auslegung, wonach die Nachtragsfiktion auch den Fall des Ersatzes eines umzuschuldenden Darlehensvertrages durch einen (insbesondere Einmal-)Kreditvertrag umfaßt, nicht ausgeschlossen erscheinen, weil "sinngemäße Anwendung" nicht bedeutet, daß das in § 33 TP 19 Abs. 5 mehrfach verwendete Wort "Kreditvertrag" durchwegs durch das Wort "Darlehensvertrag" zu ersetzen wäre. Ob bei Bejahung einer "Überkreuz-Umschuldungsbegünstigung" eine (allenfalls berichtigende) Auslegung von § 33 TP 19 Abs. 5 GebG geboten wäre, wonach auch die Umschuldung eines Kreditvertrages durch einen neuen Darlehensvertrag begünstigt wäre, kann bei der vorliegenden Fallkonstellation auf sich beruhen.
Die grammatikalische Interpretation der zitierten Begünstigungsvorschrift schließt somit ein Ergebnis, wonach die Umschuldung mittels Ersatzes eines Darlehensvertrages durch einen Einmal-Kreditvertrag der Nachtragsfiktion unterliege, - gemessen an den äußersten Grenzen des Wortsinnes - nicht aus. Es ist daher ausgehend vom Zweck der Begünstigung zu untersuchen, ob eine Gleichbehandlung der vorliegenden Umschuldung mit einer solchen geboten erscheint, bei der der "alte" Darlehensvertrag durch einen "neuen" Darlehensvertrag ersetzt wurde. Dabei ist auf die weitgehende wirtschaftliche und rechtliche Affinität von Darlehens- und (insbesondere Einmal-)Kreditverträgen Bedacht zu nehmen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Mai 1980, VfSlg. 8806 mit zahlreichen weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Eine verfassungskonforme, am Gleichheitssatz orientierte Auslegung von Gebührenvorschriften hat weiters zu beachten, daß - im Sinne der Verpflichtung des Gesetzgebers, bei rechtlicher Affinität der Erscheinungen wirtschaftliche Gleichartigkeiten zu beachten, wenn er gebührenrechtliche Folgen an wirtschaftiche Gegebenheiten anknüpft (vgl. neben dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes dessen Erkenntnis vom 2. Dezember 1985, VfSlg. 10714) - jenem Auslegungsergebnis der Vorzug zu geben ist, das zu einer mit dieser Verpflichtung in Einklang stehenden rechtlichen Lösung führt. Davon ausgehend steht hier im Vordergrund, daß sachliche Gründe für eine Differenzierung zwischen Umschuldungen von Darlehensverträgen, bei denen als Ersatz ein Einmal-Kreditvertrag abgeschlossen wird, und solchen, bei denen als Ersatz ein Darlehensvertrag abgeschlossen wird, nicht ersichtlich sind.
Umschuldungen, bei denen ein Darlehensvertrag durch einen Einmal-Kreditvertrag ersetzt wird, unterliegen somit - bei Zutreffen der weiteren Voraussetzungen - der Nachtragsfiktion im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 5 in Verbindung mit § 33 TP 8 Abs. 5 GebG.
Zu diesem Auslegungsergebnis gelangen auch Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, § 33 TP 19 Seite 30, und Arnold, Rechtsgebühren2 § 33 TP 19 Rz 36 sowie ÖStZ 1984, 78, 80. Dagegen vertreten Fellner (Stempel- und Rechtsgebühren, § 33 TP 19, Seite 28 N, und Gaier (GebG, ErgBd 1987, 49 f) - diese unter Berufung auf den Wortlaut des Gesetzes - sowie Glega (ÖStZ 1984, 194 f) - zusammengefaßt - die Auffassung, es könne gebührenfrei nur ein Kreditvertrag durch einen anderen Kreditvertrag bzw. ein Darlehensvertrag durch einen anderen Darlehensvertrag ersetzt werden; die "Auswechslung zwischen Darlehen und Kredit oder umgekehrt" sei gebührenrechtlich nicht begünstigt.
Die vom letztgenannten Autor für diesen Standpunkt vorgetragenen Argumente vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Er vertritt die Auffassung, aus der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung von Darlehen und Kredit könne keine Verpflichtung des Gesetzgebers abgeleitet werden, eine Regelung zu schaffen, die es erlaube, Darlehen und Kredit beliebig und gebührenbegünstigt auswechseln zu können.
Diese Überlegung wird der bestehenden Rechtslage unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht gerecht, weil außer Acht gelassen wird, daß Regelungen bestehen, die es erlauben, "altes und neues" Darlehen bzw. "alten und neuen" Kredit gebührenfrei "auszutauschen". Es kommt nicht darauf an, ob der Gesetzgeber - abstrakt, d.h. bei Fehlen von Vorschriften im eben erwähnten Sinn - verhalten wäre, eine Regelung zu schaffen, die es erlaubt, "Darlehen und Kredit beliebig und gebührenbegünstigt auswechseln zu können"; maßgeblich ist vielmehr, ob der Gesetzgeber angesichts des Bestehens einer Regelung, die es (unstrittig) erlaubt, Kreditvertrag gegen Kreditvertrag und Darlehen gegen Darlehen "auszutauschen", verhalten ist, auch eine solche Regelung zu schaffen, die den Ersatz eines Darlehensvertrages durch einen Einmal-Kreditvertrag begünstigt bzw. eine Auslegung der bestehenden Vorschriften im aufgezeigten Sinn geboten ist. Entscheidender Gesichtspunkt für die am Gleichheitssatz orientierte Auslegung ist somit, ob sich die Umschuldung eines Darlehensvertrages, bei der dieser durch einen neuen Darlehensvertrag ersetzt wird, im Tatsächlichen von einer Umschuldung unterscheidet, bei der der Darlehensvertrag durch einen Einmal-Kreditvertrag ersetzt wird. Solche Unterschiede sind jedoch, wie bereits erwähnt wurde, nicht ersichtlich.
Der in diesem Zusammenhang weiters vertretenen Auffassung, die Auswechslung des Rechtsgrundes anläßlich einer Umschuldung von Darlehens- und Kreditverbindlichkeiten stelle keinen Nachtrag, sondern eine Novation dar, für die bei Identität der Vertragsparteien gemäß § 24 GebG die Gebühr für das Rechtsgeschäft in Anwendung käme, in welches das frühere Rechtsgeschäft geändert worden sei, ist zweierlei entgegenzuhalten:
Der Gesetzgeber hat sich in § 33 TP 19 Abs. 5 GebG der Technik der Fiktion bedient. Voraussetzungen für den Eintritt dieser "Nachtragsfiktion" sind die in der zitierten Gesetzesstelle in Verbindung mit § 33 TP 8 Abs. 5 normierten Tatbestandsmerkmale, nicht aber, daß alle Tatbestandsmerkmale, die in § 21 GebG für das Vorliegen eines Nachtrages gefordert werden, erfüllt sind; dafür hätte es nicht der Fiktion bedurft.
Soweit mit den oben wiedergegebenen Ausführungen unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes auf die Gebührenpflicht einer Änderung des Rechtsgrundes der Ausleihung bei Identität der Parteien hingewiesen wird, ist darauf zu verweisen, daß zwischen einer einen Gläubigerwechsel und den Wechsel der Ausleihungsart umfassenden Umschuldung und einem bloßen Wechsel des Rechtsgrundes der Ausleihung bei Wahrung der Parteienidentität wesentliche Unterschiede im Tatsächlichen bestehen. Bei der Umschuldung steht der Wechsel des Kredit- (Darlehens-)Gebers (aus wirtschaftlichen Gründen) im Vordergrund; dieser Gesichtspunkt kommt beim bloßen Wechsel des Rechtsgrundes ohne Änderung der Person des Gläubigers nicht zum Tragen. Eine Gleichbehandlung der beiden Fallkonstellationen erscheint daher nicht geboten.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990150162.X00Im RIS seit
11.07.2001