Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des Dkfm. Gustav W in N, vertreten durch Dr. W Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1990, Zl. Ge-47.797/3-1990/Sch/Th, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 12. November 1990 wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsrechtszug schuldig erkannt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Gustav W Gesellschaft m.b.H. zu verantworten, daß die Wiederaufbereitungsanlage (Kläranlage) am 5. März 1990, am 19. März 1990, am 23. April 1990 und am 24. April 1990 ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben worden sei; diese Wasseraufbereitungsanlage sei in den Jahren 1972 bis 1974 als Änderungs- bzw. Ausbaumaßnahme der bestehenden genehmigten Lederfabriksanlage (in N) errichtet und in Betrieb genommen worden; diese Anlage sei bei ihrem Betrieb, insbesondere bei mangelnder Sauerstoffzufuhr in den Belebungsbecken oder bei Funktionsstörungen, geeignet, geruchstragende Stoffe zu emittieren, welche in die Umgebung gelangten und bei den Nachbarn Geruchsbelästigungen hervorriefen, weshalb die Anlage gemäß § 81 GewO 1973 genehmigungspflichtig sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 366 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit den §§ 74 ff und 81 GewO 1973 und in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 verletzt. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 4 und § 370 Abs. 2 GewO 1973 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Betrieb der Abwasserreinigungsanlage an den bezeichneten vier Tagen sei als solcher unbestritten. Als unbestrittener Sachverhalt sei den Verfahrensunterlagen weiters zu entnehmen, daß die Abwasserreinigungsanlage als Ausbau und Änderung der bestehenden genehmigten Lederfabriksanlage in den Jahren 1972 bis 1974 errichtet und in Betrieb genommen worden sei. Die mechanische Reinigungsstufe sei 1973, die biologische 1974 in Betrieb genommen worden. Die wasserrechtliche Bewilligung sei mit dem Bescheid vom 13. Dezember 1971 erteilt worden. Die in der Chromgerberei anfallenden Abwässer würden seit 1985 im Kreislauf geführt; im übrigen werde laut Angabe des Beschwerdeführers die Anlage unverändert betrieben. Bis zum Jahre 1988 seien vereinzelt Beschwerden aus der Nachbarschaft über Geruchsbelästigungen aktenkundig; seit 1988 würden verbreitet Beschwerden erhoben. Der Beschwerdeführer sei bereits 1985 von der Erstbehörde auf die gewerbebehördliche Genehmigungspflicht hingewiesen worden. Zur Klarstellung der Genehmigungspflicht habe die Erstbehörde am 8. August 1988 einen Ortsaugenschein unter Beiziehung eines Amtssachverständigen für technische Chemie durchgeführt. In der über das Ergebnis dieser Überprüfung aufgenommenen Niederschrift sei festgehalten worden, "daß die Äscher- und Färbeabwässer in die Kläranlage gepumpt werden, während die Wässer der Chromgerberei in Kreislauf gefahren werden. Die Äscherabwässer werden in 4 Sammelsilos zu je 75 m3 einer Kalkfällung unterzogen. Der gefällte Schlamm werde einer thermischen Konditionierung unterzogen, der Filterkuchen werde in einer zu errichtenden Halle gelagert und für den Verkauf bereitgehalten." Für die Konditionierung des ausgefällten Schlammes (Herstellung von Düngemitteln aus organischen Substanzen der tierischen Haut einschließlich der Errichtung einer Lagerhalle) sei die gewerbebehördliche Genehmigung mit dem Bescheid vom 6. April 1989 erteilt worden. Bei der Überprüfung am 9. November 1989 sei festgestellt worden, daß eine ursprünglich vorgesehene Abluft- und Biofilteranlage nicht errichtet worden sei. Von der Antragstellerin sei dies damit begründet worden, daß die in Beschwerde gezogenen Geruchsbelästigungen von der Kläranlage stammten. Hinsichtlich der Kläranlage sei in der Niederschrift weiters festgehalten worden, daß es sich um eine aerobe Biologie handle, bestehend aus drei Belebungsbecken, und zwar einem geschlossenen Vorbelüftungsbehälter und zwei offenen Oberflächenbelüftungsbecken; solange der freie Sauerstoffgehalt in bestimmten Konzentrationsbereichen aufrecht erhalten werde, sei nicht mit geruchserregendem Austreten von Abluft aus dem Becken zu rechnen; bei störungsfreiem Betrieb seien nicht die Belebungsbecken, sondern jene Anlagenteile für Geruchsbelästigungen verantwortlich, in denen die Abwässer aus dem Betrieb gesammelt würden und in denen die Kalkfällung durchgeführt werde; ebenso Schlammkonditionierer bzw. Drehfilter. In der Niederschrift sei weiters festgehalten (Seite 3 Mitte), daß die Vertreter der Betriebsinhaberin erklärt hätten, ein Projekt ausarbeiten und zusammen mit einer Projektsdarstellung der gesamten Kläranlage um die gewerbebehördliche Genehmigung einkommen zu wollen. Als Frist sei der 30. November 1988 festgelegt worden. Aus den vorzitierten Feststellungen ergebe sich eindeutig, daß die Kläranlage geeignet sei, Geruchsbelästigungen für die Nachbarn hervorzurufen; somit sei ein Tatbestandsmerkmal für die Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 erfüllt, während sich die Auffassung des Beschwerdeführers lediglich aus dem Tatbestand nach § 74 Abs. 2 Z. 5 Gew0 1973 ableite. Hinsichtlich der Beurteilung der Schutzinteressen, denen die Strafdrohung diene, werde das Auftreten von unzumutbaren Geruchsbelästigungen nicht bestritten; diese seien durch die Beschwerden und Aufzeichnungen der Nachbarn sowie durch behördliche Feststellungen und das Gutachten des Amtsarztes hinreichend dokumentiert. Hingegen sei der Auffassung der Erstbehörde, daß bestimmte Gesundheitsbeeinträchtigungen, die vom Amtsarzt bei Bewohnern der Nachbarschaft festgestellt worden seien, kausal auf Emissionen der Kläranlage zurückzuführen seien, nicht zu folgen; diese Vermutung des Amtsarztes sei nicht hinreichend belegt; wie oben zitiert, sei der Amtssachverständige für technische Chemie der Auffassung, daß für Geruchsbelästigungen bei störungsfreiem Betrieb nicht die Belebungsbecken verantwortlich zu machen seien, sondern eher Schlammkonditionierer und Drehfilter, wobei überhaupt klarzustellen wäre, welche Anlagenteile der Abwasserreinigungsanlage zugerechnet werden.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und dafür nicht bestraft zu werden.
Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die belangte Behörde habe in dem modifizierten Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses dem Beschwerdeführer vorgeworfen, eine Wasseraufbereitungsanlage (Kläranlage) in N, durch die eine bewilligte Anlage geändert worden sei, mangels Bewilligung konsenslos zu betreiben; die Anlage sei bewilligungspflichtig, da sie geeignet wäre, Geruchsbelästigungen hervorzurufen. Die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auf die im Kreislauf geführten Chromwässer verwiesen; die übrigen Änderungen bezögen sich auf die Schlammkonditionierung, welche samt Zusatzanlagen mit Bescheid vom 6. April 1989 genehmigt worden sei.
Andere Änderungen der bereits bestehenden genehmigten Betriebsanlage hätten nicht angeführt werden können.
Es sei weiters erwiesen, daß die bestehende Abwasseranlage bereits 1973 fertiggestellt worden sei. Seitdem seien jedoch Betriebsanlagengenehmigungsverfahren und mehrere Überprüfungen durchgeführt und Bewilligungsbescheide erlassen worden, ohne daß eine Beanstandung der gegenständlichen Abwasseranlage erfolgt wäre. Wenn nunmehr die belangte Behörde auf dem Standpunkt stehe, daß die Kläranlage eine bewilligungspflichtige Betriebsanlage sei, sei darauf hinzuweisen, daß im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren die Gewerbebehörde nicht beigezogen worden sei, da von dieser ebenfalls die Auffassung vertreten worden sei, daß es sich hiebei nicht um eine gewerbliche Betriebsanlage handle, sondern sie ausschließlich der wasserrechtlichen Überprüfung zu unterziehen sei. Anrainer seien deshalb als Parteien ausdrücklich abgewiesen worden. Es wäre Angelegenheit der belangten Behörde bzw. der Erstbehörde gewesen, bereits anläßlich der Überprüfung der Betriebsanlage im Jahre 1981 (erliegend im Gewerbeakt) eine Untersuchung vorzunehmen, ob aus gewerberechtlicher Sicht eine Betriebsanlagengenehmigung notwendig gewesen wäre. Aufgrund der seinerzeit vom Behördenorgan geäußerten Ansicht, daß dies nicht zuträfe, sowie aufgrund der Tatsache, daß auch die Wasserrechtsbehörde eine Befassung der Gewerberechtsbehörde selbst im wasserrechtlichen Verfahren ausdrücklich abgelehnt habe, habe der Beschwerdeführer davon ausgehen können, daß tatsächlich keine gewerberechtlich bewilligungspflichtige Anlage bzw. Änderung einer genehmigten Anlage vorliege, wobei eine nachfolgende Änderung der Ansicht der Gewerbebehörde keine rechtliche Wirkung mehr haben könne.
Wie der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung ausgeführt habe, unterliege die gegenständliche Abwasseranlage nicht der gewerberechtlichen Genehmigungspflicht. Da der technische Amtssachverständige in der Niederschrift vom 8. August 1988 ausdrücklich von einer nachteiligen Einwirkung auf das Grundwasser gesprochen habe, sei klargestellt, daß die Anlage nur einer wasserrechtlichen Bewilligung bedurft habe, während keinerlei Hinweise für eine Änderung der Betriebsanlage gemäß den Bestimmungen der Gewerbeordnung vorgelegen seien. Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 nicht erfüllt. Die jetzt dargestellte Möglichkeit, Geruchsbelästigungen könnten auftreten, habe bereits seit 1971 bestanden.
Mangels eines Bescheides, mit dem die gewerbliche Bewilligungspflicht festgestellt worden wäre, habe der Beschwerdeführer auf die zuvor geäußerte und praktizierte Rechtsauffassung der Behörde vertrauen können und nicht wegen der lange nach Genehmigung erfolgten und informell geäußerten Änderung der Ansicht der Behörde tätig werden müssen, weshalb ihm ein schuldhaftes Verhalten nicht vorzuwerfen sei. Damit sei jedoch eine weitere Voraussetzung einer Bestrafung des Beschwerdeführers nicht gegeben, weshalb der Bescheid auch aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sei.
Nach § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung u.a., wer (Z. 4) eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, (Z. 2) die Nachbarn u.a. durch Geruch zu belästigen.
Wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf im Grunde des § 81 Abs. 1 GewO 1973 auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen.
Als die den Anknüpfungspunkt des über den Beschwerdeführer gefällten Schuldspruches bildende Änderung der Betriebsanlage (nämlich der Lederfabrik in N) wurde im Spruch des angefochtenen Bescheides die Errichtung der Wiederaufbereitungsanlage (Kläranlage) in den Jahren 1972 bis 1974 bezeichnet. Nähere Darlegungen finden sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wo die die Kläranlage bildenden drei Belebungsbecken näher beschrieben wurden. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde auch die Eignung des im Wege der Änderung hinzugekommenen Anlagenteiles, nämlich der Kläranlage, die Nachbarn durch Geruch zu belästigen, festgestellt, worüber sich ebenfalls nähere Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides finden. Die in der Beschwerde enthaltene Rüge, von der belangten Behörde sei eine dem Tatbestand des § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 (in Verbindung mit den §§ 47 Abs. 2 Z. 1 und 81 GewO 1973) zu unterstellende Anlagenänderung nicht angeführt worden, trifft somit nicht zu.
Daß die zuständige Behörde die Genehmigungspflicht der Wiederaufbereitungsanlage (Kläranlage) früher nicht erkannt hatte, stellt keinen Umstand dar, der die Tatbestandsmäßigkeit des festgestellten Verhaltens des Beschwerdeführers entsprechend einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 ausschließen würde. Darin, daß die belangte Behörde den Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung als erfüllt ansah, liegt im Sinne der vorstehenden Ausführungen zur Anlagenänderung, an welche die belangte Behörde anknüpfte, in Verbindung mit der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes in Ansehung des Betreibens der Wiederaufbereitungsanlage (Kläranlage) keine Rechtswidrigkeit.
Wegen eines gleichartigen Tatverhaltens wurde der Beschwerdeführer bereits mit Straferkenntnis der Erstbehörde vom 26. Februar 1990 - dem Beschwerdeführer zugestellt am 1. März 1990 - schuldig erkannt. Schon im Hinblick auf diese Bestrafung, die durch Bescheid der belangten Behörde vom 28. Juni 1990 im Verwaltungsrechtszug bestätigt wurde (siehe hiezu das hg. Beschwerdeverfahren Zl. 90/04/0229), durfte die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde legen, daß dem Beschwerdeführer zur nunmehr festgestellten Tatzeit eine unverschuldete Unkenntnis der Rechtslage im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG 1950 nicht zugute zu halten war.
Schließlich ist dem Beschwerdevorbringen entgegenzuhalten, daß die Frage der Genehmigungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren als Hauptfrage zu beurteilen war, und daß es vor Bestrafung wegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 4 GewO 1973 einer bescheidmäßigen Feststellung der Genehmigungspflicht nicht bedurfte.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen der Antragstellung auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040001.X00Im RIS seit
25.06.1991