TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/25 87/05/0197

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Veröffentlicht am 25.06.1991
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §60 Abs1 litg;
BauO Wr §79 Abs6;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1987, Zl. MDR-B XXIII-16/87, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nachdem die Bewilligung einer anderen Anschüttung auf dem Grundstück des Beschwerdeführers durch Berufungsbescheid der Bauoberbehörde für Wien rechtskräftig versagt worden war, suchte der Beschwerdeführer am 15. Juni 1983 neuerlich um die Erteilung der Baubewilligung für eine Gartengestaltung mit damit verbundener Niveauänderung des Hanges auf dem unteren Teil seines Grundstückes an. Aus dem vorgelegten Bauplan ergibt sich, daß unter Einhaltung eines Abstandes von 6 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück des mitbeteiligten Nachbarn eine parallel zur Grundstücksgrenze verlaufende, jedoch unter dem gewachsenen Niveau liegende Fundierung errichtet werden soll, von der aus in einem Winkel von 55 Grad eine Ebenseer-Böschungsbefestigung angebracht werden soll, um die oberhalb davon liegende, an das bestehende Wohnhaus angrenzende ebene Fläche um etwa 8 m in der Tiefe zu vergrößern; dies jedoch gegenüber den seitlichen Grundgrenzen so abgeschrägt, daß dort die Höhenlagen unverändert bleiben.

Vor der hierüber anberaumten Bauverhandlung erhob die mitbeteiligte Partei Einwendungen, wonach die Lage der oberen Kante der geplanten Anschüttung vom vorangegangenen Projekt übernommen worden sei, sodaß sich aus der Sicht seines südseitig tiefergelegenen Grundstückes nichts verändert habe, die Böschung vielmehr eher steiler als bisher ausgefallen sei. Eine solche Bauführung hätte aber Auswirkungen im bebaubaren Bereich der Liegenschaft.

Mit Bescheid vom 19. März 1984 erteilte der Magistrat der Stadt Wien X entsprechend den Plänen die Baubewilligung dafür, daß das Niveau des südlichen Gartenteiles, und zwar ab 6 m von der linken Grundgrenze, auf das bestehende Niveau steiler verlaufend abgeändert werde. Die Einwendung des Mitbeteiligten wurde als unbegründet abgewiesen. Dabei wurde unter anderem vorgeschrieben, daß mindestens ein Monat vor Beginn der Arbeiten an der Hanganschüttung dem Magistrat ein bodenmechanisches Gutachten über die Rutschsicherheit der Hanganschüttung und der Hangbefestigung vorzulegen sei. Die Abweisung der Anrainereinwendungen begründete die Baubehörde damit, daß im Unterschied gegenüber jenem Projekt, dessen Bewilligung mit Berufungsbescheid vom 26. August 1982 versagt wurde, die Niveauänderung nun ab 6 m von der Grundgrenze des Nachbarn vorgenommen werden solle, weshalb eine Hangbefestigung nicht gemäß § 79 Abs. 6 der Bauordnung für Wien (BO) zu beurteilen sei. Der Bebauungsplan weise im Bereich der projektierten Geländeanschüttung zum überwiegenden Teil die Widmung "G", das sei die Anordnung der gärtnerischen Ausgestaltung, aus und sei daher dieser Bereich von jeder Bebauung freizuhalten; sie sei daher auch nicht als Grundlage für die Berechnung der zulässigen Gebäudehöhe allfälliger Neubauten zu werten.

Über die vom Mitbeteiligten dagegen erhobene Berufung entschied die Bauoberbehörde für Wien dahin, daß das Ansuchen wegen res iudicata zurückgewiesen werde; diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. März 1987, Zl. 84/05/0234, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, da die Berufungsbehörde zu Unrecht das Vorliegen einer entschiedenen Sache angenommen habe; durch die Einhaltung des Abstandes von 6 m sei gegenüber der gemeinsamen Grundgrenze eine wesentliche Änderung des Projektes gegenüber dem versagten Projekt eingetreten.

Daraufhin änderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid auf Grund der Berufung des Mitbeteiligten den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid dahin ab, daß die vom Beschwerdeführer angestrebte Bewilligung versagt werde. Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, daß für das Bauvorhaben eine Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen nicht erforderlich und daher jene Fassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes maßgeblich sei, die im Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsbescheides gelte. Dies sei das Plandokument Nr. 5558, genehmigt mit Beschluß des Wiener Gemeinderates vom 14. Dezember 1978. Danach gelte für die Liegenschaft des Beschwerdeführers die Widmung Wohngebiet, die Bauklasse I mit der Beschränkung der Gebäudehöhe auf 7,50 m, die offene Bauweise und eine Beschränkung der Bebaubarkeit auf 17 Prozent der Bauplatzfläche. Überdies sei die Bebaubarkeit durch innere Baufluchtlinien begrenzt. Die außerhalb der unmittelbar bebaubaren Fläche gelegenen Teile der Liegenschaft seien gärtnerisch auszugestalten. Aus einer schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgenommenen Eintragung der Bebauungsbestimmungen in dem vom Bauwerber vorgelegten Lageplan ergebe sich, daß die geplante Veränderung der Höhenlage des Geländes Auswirkungen auch in jenem Teil der Liegenschaft habe, der innerhalb der Baufluchtlinie liege und damit der unmittelbaren Bebauung offenstehe. Auch in dem genannten Bereich wirke sich die Anschüttung aus, sodaß die Veränderung der Höhenlage auch eine Veränderung der Bemessungsgrundlage für den Fall bedeute, daß ein neues Gebäude auf der Liegenschaft C-Weg errichtet werde. Die Veränderung der Höhenlage erweise sich als Nachteil für den Nachbarn und Mitbeteiligten, weil durch diese Veränderung die zumindest theoretische Möglichkeit eröffnet werde, unmittelbar an der der Nachbarliegenschaft nächstgelegenen Baufluchtlinie ein Gebäude zu errichten, das eine größere Höhe aufweise als jene Gebäudehöhe, die unter Zugrundelegung des früheren Geländeniveaus zulässig gewesen wäre. Insoweit verletze die Veränderung der Geländehöhe subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn, was für sich allein schon zur Versagung der Baubewilligung führen müsse. Dies auch dann, wenn nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der unmittelbar bebaubaren Grundfläche angeschüttet werde und die Auswirkungen daher eher geringfügig seien. Die Veränderung der Höhenlage sei somit wegen Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte nicht gemäß § 70 der Bauordnung für Wien genehmigungsfähig. Angesichts des aus der Berufung erkennbaren Widerstandes des Nachbarn komme auch eine Bewilligung nach § 71 BO nicht in Betracht.

Dazu komme, daß die geplante Böschungsbefestigung als Stützmauer zu qualifizieren sei, wobei auf den Berufungsbescheid vom 26. August 1982 verwiesen wurde. Einem damals eingeholten Sachverständigengutachten zufolge bedürfe die fachgerechte Herstellung der Hangbefestigung durch Betongittersteine (Ebenseer-Böschungsbefestigung) eines wesentlichen Maßes bautechnischer Kenntnisse. Grund hiefür sei die notwendige Berücksichtigung bodenmechanischer Gutachten. Die Böschungsbefestigung sei demnach als Stützmauer zu werten.

Wie sich aus der Überschrift des § 79 BO ergebe (Vorgärten, Abstandsflächen und gärtnerisch auszugestaltende Flächen), gelte auch Abs. 6 nicht bloß für Vorgärten und Abstandsflächen, wie sie in den Abs. 1 und 3 vorgesehen seien, vielmehr habe die Bestimmung auch dort Anwendung zu finden, wo die Bebaubarkeit durch Baufluchtlinien eingeschränkt sei und für den nicht von Baufluchtlinien umfaßten Bauplatzteil die gärtnerische Ausgestaltung im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausdrücklich gefordert werde. Wenn Bauführungen daher außerhalb jenes Bereiches erfolgten, der im § 79 Abs. 3 BO genannt sei, dennoch jedoch auf einer den Nachbarn zugekehrten gärtnerisch auszugestaltenden Fläche, so habe dieser Nachbar ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, daß mit § 79 Abs. 6 BO unvereinbare Bauführungen unterblieben. Im vorliegenden Fall sei die geplante Herstellung der Ebenseer-Böschungsbefestigung nach der letztgenannten Gesetzesstelle nicht zulässig, weil sie nicht unbedingt erforderlich sei. Die Böschungsbefestigung diene vielmehr ausschließlich einer vom Bauwerber gewollten neuen Gartengestaltung. Damit würde ein weiteres Mal in subjektiv-öffentliche Rechte des Mitbeteiligten eingegriffen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte

Partei erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. g der Bauordnung für Wien (BO) ist die Veränderung der Höhenlage einer Grundfläche bewilligungspflichtig, soweit sie von Einfluß auf bestehende bauliche Anlagen auf eigenen oder benachbarten Grundflächen oder deren widmungsgemäße Verwendung ist. Hingegen normiert der Gesetzgeber nicht, unter welchen Voraussetzungen die Bewilligung zu erteilen sei. Im vorliegenden Fall ist selbst die belangte Behörde davon ausgegangen, daß nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der unmittelbar bebaubaren Grundfläche des Grundstückes des Beschwerdeführers angeschüttet werden solle und daher die Auswirkungen "eher geringfügig" seien. Die Veränderung eröffne "zumindest theoretische Möglichkeiten", ein Gebäude zu errichten, das eine größere Höhe aufweise als jene Gebäudehöhe, die unter Zugrundelegung des früheren Geländeniveaus zulässig gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof kann nun dem daraus gezogenen Schluß der belangten Behörde, daß schon dadurch subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn verletzt würden, nicht folgen. Mangels einer eindeutigen Regelung des Gesetzgebers kann nicht davon ausgegangen werden, daß theoretische Möglichkeiten für geringfügige Nachteile des Nachbarn auf Grund späterer Verbauung bereits der Bewilligung einer Veränderung der Höhenlage entgegenstehen. Eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte kann in diesem Zusammenhang nur durch konkrete Beeinträchtigungen angenommen werden. Diese hat aber selbst die belangte Behörde nicht angenommen.

Der Abs. 6 des § 79 BO in der Fassung der Novelle 1976, LGBl. Nr. 18, mit der Überschrift "VORGÄRTEN, ABSTANDSFLÄCHEN UND GÄRTNERISCH AUSZUGESTALTENDEN FLÄCHEN" lautet:

"(6) Vorgärten und Abstandsflächen sind, soweit auf diesen Flächen zulässige Baulichkeiten, Gebäudeteile oder bauliche Anlagen nicht errichtet werden, gärtnerisch auszugestalten und in gutem Zustand zu erhalten. Befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässig."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich der Ansicht der belangten Behörde an, daß diese Bestimmung auch außerhalb von Vorgärten und Abstandsflächen, daher auch im vorliegenden Fall, anzuwenden ist. Wie jedoch der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 1981, Zl. 05/1285/80 (Geuder-Hauer, Das Wiener Baurecht, 3. Aufl., Nr. 6 zu § 79), ausgesprochen hat, dürfen die Worte "unbedingt erforderlich" nicht so ausgelegt werden, daß befestigte Wege und Zufahrten, Stützmauern, Stufenanlagen, Rampen u.ä. nur dann errichtet werden dürfen, wenn die Errichtung an anderer Stelle des Bauplatzes unmöglich, weil technisch undurchführbar, sei. Es ist daher auch ohne Bedeutung, ob die vorliegenden Baumaßnahmen als "Stützmauern" im eigentlichen Sinn zu qualifizieren sind oder nicht. Wesentlich für die Zulässigkeit von Einbauten ist die Vereinbarkeit mit dem vom Gesetzgeber angestrebten Ziel gärtnerischer Ausgestaltung, nämlich die Erhaltung von Grünflächen unter möglichster Einschränkung von als solchen erkennbaren Bauten. Unter diesen Umständen kann aber weder eine unterirdische Fundierung noch eine Ebenseer-Böschungsbefestigung durch Betongittersteine die gärtnerische Ausgestaltung beeinträchtigen, weil sie ja nach dem entsprechenden Anwachsen von Pflanzen für eine entsprechende Begrünung der gesamten Fläche sorgt.

Es liegt daher auch dieser von der belangten Behörde herangezogene Versagungsgrund nicht vor.

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtslage verkannt hat, war der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987050197.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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