Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §34 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des Stefan H in W, vertreten durch Dr. Peter Lambert, Rechtsanwalt in Wien I, Singerstraße 6-9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. November 1989, Zl. 127583/13-IV/10/89, betreffend Unterbrechung des ordentlichen Zivildienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Februar 1989 wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 1. Juni 1989 bis 31. Jänner 1990 dem Rettungskrankentransport- und Katastrophendienst des Österreichischen Roten Kreuzes, Landesverband Wien, zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes (Grundzivildienst) zugewiesen. Bei dieser Einrichtung hatte der Beschwerdeführer Hilfsdienste im Rettungs-, Krankentransport-, Katastrophen- und Blutspendedienst sowie bei der Hauskrankenpflege zu leisten.
Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juli 1989 wurde der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 12. Juli 1989 bis 31. Jänner 1990 der Krankenpflegeanstalt für chronisch Kranke des Institutes Haus der Barmherzigkeit in Wien XVIII zur weiteren Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Erbringung von "Pflegediensten als Stationshelfer" zugewiesen.
Am 17. Oktober 1989 richtete das genannte Institut an die belangte Behörde ein Schreiben, in dem es heißt: "Wir melden hiemit mangelnden Bedarf an und ersuchen Sie, den genannten Zivildiener von unserer Institution abzuziehen". Begründet wurde dies damit, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner (im einzelnen angegebenen) häufigen Krankenstände und der damit verbundenen Dienstplanänderungen in der Einrichtung sehr schwer einzusetzen sei. Es sei nicht vorherzusehen, wann er Dienst mache, was gerade in dieser Einrichtung große Schwierigkeiten hervorrufe.
Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Oktober 1989 (die schriftliche Ausfertigung stammt vom 7. November 1989) wurde gemäß § 19 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Z. 2 des Zivildienstgesetzes 1986 in der Fassung der ZDG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 598, (ZDG) die Leistung des ordentlichen Zivildienstes (Grundzivildienst) mit Wirkung vom 1. November 1989 unterbrochen. Ferner wurde ausgesprochen, daß die Entscheidung über die noch zu leistende restliche Dienstzeit nach Abschluß des anhängigen Verfahrens betreffend die Feststellung nicht einrechenbarer Zeiten ergehen werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Gemäß § 19 Abs. 3 ZDG hat der Bundesminister für Inneres, wenn im Falle des § 18 die Voraussetzungen der Z. 1, 2 oder 3 vorliegen, eine geeignete andere Einrichtung aber nicht zu finden ist, den Dienst des Zivildienstleistenden zu unterbrechen. Für die verbleibende Dienstzeit hat so bald wie möglich eine weitere Zuweisung zu erfolgen.
Nach § 18 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen einer anderen Einrichtung zuzuweisen, wenn die bisherige Einrichtung keinen Bedarf mehr an den Dienstleistungen des Zivildienstpflichtigen hat, sofern eine Verfügung nach § 17 Z. 2 nicht in Betracht kommt.
Gemäß § 17 Z. 2 ZDG hat der Bundesminister für Inneres den Zivildienstpflichtigen zu einer anderen Dienstleistung in derselben Einrichtung zu verpflichten, wenn die Einrichtung keinen Bedarf mehr an seinen Dienstleistungen der bisherigen Art hat.
Gemäß § 8 Abs. 3 dritter Satz ZDG hat das Bundesministerium für Inneres den Rechtsträger aufzufordern, innerhalb eines Monats eine Bedarfsanmeldung für den nächsten Zuweisungstermin zu erstatten. Gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 ZDG ist der Rechtsträger der Einrichtung - unbeschadet der Bestimmungen des § 65 - verpflichtet, unverzüglich das Bundesministerium für Inneres zu verständigen, wenn der Zivildienstleistende die ihm nach den §§ 22 und 23 obliegenden Pflichten vernachlässigt oder wenn die Voraussetzungen für eine Änderung des Zuweisungsbescheides nach den §§ 17 und 18 eintreten.
2. Vorweg ist festzuhalten, daß der Zivildienstpflichtige einen Anspruch darauf hat, den ordentlichen Zivildienst in Form des Grundzivildienstes (§ 7 Abs. 1 und 3 ZDG) - abgesehen von den in § 7 Abs. 1 ZDG genannten Ausnahmen - ohne Unterbrechung zu leisten, und er daher durch eine rechtswidrige Unterbrechung des Grundzivildienstes in seinen Rechten verletzt wird (vgl. das zu § 7 Abs. 2 ZDG in der Fassung vor der Novelle 1988 ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1988, Zl. 88/11/0011). Die ZDG-Novelle 1988 hat die insoweit maßgebenden Bestimmungen inhaltlich unverändert gelassen. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von seiner im genannten Erkenntnis dargelegten Rechtsauffassung abzugehen. Gegen sie spricht insbesondere auch nicht, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, daß § 7 Abs. 1 ZDG taxativ aufgezählte Fälle kennt, in denen die ununterbrochene Leistung des Grundzivildienstes nicht Platz greift. Daraus läßt sich lediglich ableiten, daß den Zivildienstpflichtigen in den bezeichneten Ausnahmefällen kraft gesetzlicher Anordnung der besagte Rechtsanspruch nicht zusteht.
3.1. Der angefochtene Bescheid beruht auf der Annahme des Zutreffens der Voraussetzung nach § 18 Z. 2 ZDG und führt dazu aus, der Rechtsträger habe mit Schreiben vom 17. Oktober 1989 den mangelnden Bedarf an weiteren Dienstleistungen des Beschwerdeführers gemeldet und dies im wesentlichen mit dessen häufigen Krankenständen und der hiedurch verursachten Notwendigkeit kurzfristiger Dienstplanänderungen begründet. Im Hinblick auf diese Meldung des Rechtsträgers sei der weitere Verbleib des Beschwerdeführers bei der bisherigen Einrichtung nicht möglich gewesen. Da aufgrund seiner "Versetzung" (gemeint ist die mit Bescheid vom 11. Juli 1989 ausgesprochene Zuweisung des Beschwerdeführers) und seiner häufigen Dienstabwesenheiten eine geeignete andere Einrichtung zur weiteren Leistung des ordentlichen Zivildienstes nicht habe gefunden werden können, sei dessen Unterbrechung auszusprechen gewesen.
3.2. Mit Verfügung vom 24. Jänner 1991 teilte der Verwaltungsgerichtshof den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens seine vorläufige Ansicht mit, wonach der Anlaß für die Unterbrechung des ordentlichen Zivildienstes des Beschwerdeführers, nämlich sein durch häufige Krankenstände gekennzeichneter Gesundheitszustand, darauf hindeute, daß es im Beschwerdefall nicht um mangelnden Bedarf, sondern um die mangelnde Eignung des Beschwerdeführers zur weiteren Dienstleistung in der Einrichtung gehen könnte. Bei Bestehen von Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zur weiteren Dienstleistung in der Einrichtung wäre aber zunächst gemäß § 19 Abs. 2 ZDG ein Gutachten des zuständigen Amtsarztes hierüber einzuholen gewesen.
Der Beschwerdeführer brachte dazu vor, schon aus der Gegenschrift der belangten Behörde vom 12. September 1990 gehe hervor, daß "tatsächlich keineswegs "mangelnder Bedarf" an Zivildienstleistungen beim Rechtsträger bestand", sondern dieser nur mit der Person des Beschwerdeführers nicht einverstanden gewesen sei. Diesfalls könne aber nur von "mangelnder Eignung" gesprochen werden, was im Sinne des § 19 ZDG zur Einholung eines Gutachten des Amtsarztes über die gesundheitliche Eignung zur weiteren Dienstleistung hätte führen müssen.
Die belangte Behörde äußerte sich zusammengefaßt dahingehend, daß die vorgelegten ärztlichen Bestätigungen über die jeweils kurzfristigen Dienstverhinderungen des Beschwerdeführers keinesfalls die Annahme einer bei ihm bestehenden, dauernden gesundheitlichen Einschränkung, die Zweifel an seiner Dienstfähigkeit hätte auslösen können, erlaubt hätten. Auch aus den Aussagen des Beschwerdeführers zu seinen Krankheitsbildern sei nicht abzuleiten gewesen, daß etwa durch seine Tätigkeit im Haus der Barmherzigkeit eine gesundheitliche Beeinträchtigung eingetreten sei. Es habe daher kein Zweifel an seiner gesundheitlichen Eignung zur weiteren Dienstleistung bestanden.
3.3. Die vorläufige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß es im Beschwerdefall um die mangelnde gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers für Dienstleistungen bei der Einrichtung (§§ 17 Z. 1, 18 Z. 3 ZDG) gegangen sein könnte, trifft nicht zu. Die dazu erstattete Äußerung der belangten Behörde läßt erkennen, daß ungeachtet der häufigen Krankenstände des Beschwerdeführers kein Grund gegeben war, seine gesundheitliche Eignung zur weiteren Dienstleistung ernstlich in Zweifel zu ziehen. Das bedeutet, daß der angefochtene Bescheid nicht etwa wegen Unterbleibens der in § 19 Abs. 2 ZDG vorgesehenen Einholung eines Gutachtens eines Amtsarztes rechtswidrig ist.
3.4. Zu prüfen bleibt daher die Berechtigung der Annahme der belangten Behörde betreffend mangelnden Bedarf bei der Einrichtung, der der Beschwerdeführer zuletzt zugewiesen war (Voraussetzung gemäß § 18 Z. 2 ZDG). Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21. Februar 1991 unter Hinweis auf die Gegenschrift der belangten Behörde (vom 12. September 1990) bestritten. Dort hat die belangte Behörde ausgeführt, die Dienstabwesenheiten des Beschwerdeführers hätten zu einer solchen Beeinträchtigung des Dienstbetriebes in der Einrichtung geführt, daß sein weiterer Verbleib nicht mehr möglich gewesen sei. Damit übereinstimmend heißt es in der Stellungnahme der belangten Behörde vom 18. Februar 1991, das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Einrichtung habe zu einer schweren Beeinträchtigung des für einen geordneten Dienstbetrieb erforderlichen organisatorischen Ablaufs der Diensteinteilung geführt, weshalb "die Meldung des Rechtsträgers ausschließlich als mangelnde Bedarfsmeldung angesehen werden konnte".
Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
Aufgrund der Erstattung einer Bedarfsmeldung des Rechtsträgers gemäß § 8 Abs. 3 ZDG ist vom Vorliegen eines Bedarfes bei der betreffenden Einrichtung auszugehen, solange nicht bei der Zivildienstbehörde eine gegenteilige Mitteilung einlangt. Zu dieser Mitteilung ist der Rechtsträger der Einrichtung gemäß § 39 Abs. 1 Z. 1 ZDG verpflichtet, da er nach dieser Bestimmung unverzüglich das Bundesministerium für Inneres unter anderem dann zu verständigen hat, wenn die Voraussetzungen für eine Änderung des Zuweisungsbescheides nach den §§ 17 und 18 ZDG eintreten. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die Einrichtung an den Dienstleistungen des Zivildienstpflichtigen keinen Bedarf mehr hat, und zwar sowohl in dem Fall, daß (nur) kein Bedarf nach den Dienstleistungen der bisherigen Art mehr besteht (wohl aber nach solchen anderer Art - § 17 Z. 2), als auch dann, wenn überhaupt kein Bedarf mehr an den Dienstleistungen des Zivildienstpflichtigen besteht (§ 18 Z. 2). Unter "Dienstleistungen" sind im gegebenen Zusammenhang, wie sich aus dem Zusammenhalt mit § 11 Abs. 1 ZDG ergibt, die gemäß dieser Gesetzesstelle im Zuweisungsbescheid der Art nach angeführten Dienstleistungen zu verstehen. Ob ein Bedarf nach solchen Dienstleistungen weiterhin besteht, hängt von den Gegebenheiten in der Einrichtung ab, nicht aber von Eigenschaften oder vom Verhalten des jeweiligen Zivildienstleistenden. Daher ist es ausgeschlossen, mit dem Hinweis auf allein in der Person des Zivildienstleistenden gelegene Umstände und allenfalls dadurch verursachte Störungen im Dienstbetrieb den Wegfall von Bedarf im Sinne der §§ 17 Z. 2 und 18 Z. 2 ZDG zu begründen.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie das Schreiben des Instituts Haus der Barmherzigkeit vom 17. Oktober 1989 wegen der darin angeführten häufigen Krankenstände des Beschwerdeführers und der dadurch verursachten Störungen im Dienstbetrieb als "mangelnde Bedarfsmeldung" gewertet hat. Da auch der sonstige Inhalt dieses (im Sachverhaltsteil wiedergegebenen) Schreibens keinen Anhaltspunkt für die Annahme bietet, es sei in der gegenständlichen Einrichtung der Bedarf nach Dienstleistungen der im Zuweisungsbescheid des Beschwerdeführers angeführten Art nachträglich weggefallen, kann dieses Schreiben trotz der Wendung "melden hiemit mangelnden Bedarf an" nicht als Mitteilung im Sinne des § 39 Abs. 1 Z. 1 ZDG über den Wegfall des Bedarfs an Zivildienstleistungen in der gegenständlichen Einrichtung angesehen werden. Das bedeutet, daß die auf dieses Schreiben gestützte Ansicht der belangten Behörde über das Vorliegen der Voraussetzung des § 18 Z. 2 ZDG nicht berechtigt ist. Der angefochtene Bescheid erweist sich damit als rechtswidrig und ist deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 21. Februar 1991 gestellte Kostenbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nur für die Beschwerde gebührt und Stempelgebühren im Hinblick auf die mit dem hg. Beschluß vom 17. November 1989, Zl. VH 89/11/0027, gewährte einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Stempelgebühren nicht zu entrichten waren.
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990110072.X00Im RIS seit
25.06.1991