TE Vwgh Erkenntnis 1991/6/25 91/04/0040

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Veröffentlicht am 25.06.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des Vereines "Freizeitclub M" in S, vertreten durch Dr.N, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 13. Dezember 1990, Zl. 5/01-621/1-1990, betreffend Anordnung gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 26. Februar 1990 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 aufgetragen, die Gaststätte in S mit Wirkung vom 15. Februar 1990 ab 20.30 Uhr geschlossen zu halten und die unbefugte Ausübung des Gastgewerbes (Betriebsart "Bar") zu unterlassen.

Einer dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Salzburg mit Bescheid vom 13. Dezember 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge und bestätigte den Spruch des erstbehördlichen Bescheides mit der Maßgabe, daß dieser folgendermaßen zu lauten habe:

"Gemäß § 360 Abs. 1 2. Fall GewO wird die Schließung des Lokales des Vereins "Freizeitclub M" in S, wegen des offenkundigen Verdachtes der fortdauernden unbefugten Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart "Bar" (Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO) verfügt."

Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, in der Berufung werde zunächst vorgebracht, Rechtsanwalt Dr. N, der nunmehrige Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, sei zum Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides nicht bevollmächtigt gewesen, sodaß der Bescheid an den Obmann des Vereines, Helmut R, selbst zuzustellen gewesen wäre. Erst nachdem dieser vom Bescheid Kenntnis erlangt gehabt habe, sei Dr. N eine Vollmacht erteilt worden. Die getroffene Maßnahme gelte im übrigen als aufgehoben, da innerhalb der im § 360 GewO 1973 angeführten Zweiwochenfrist der Bescheid nicht an die Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt worden sei. Hiezu sei unter Hinweis auf § 360 Abs. 1 zweiter Fall GewO 1973 auszuführen, daß im vorliegenden Fall am 15. Februar 1990 eine Schließung des Betriebes der Beschwerdeführerin durch die Erstbehörde mündlich angeordnet worden sei. Der darauf Bezug habende schriftliche Bescheid sei am 27. Februar 1990, also innerhalb der Zweiwochenfrist, an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Dr. N, zugestellt worden. Zu dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Vollmachtsmangel sei nicht nur auf das im erstbehördlichen Akt befindliche Schreiben Dris. N vom 25. Jänner 1990 ("Ich vertrete rechtsfreundlich den Freizeitclub M bzw. dessen Obmann, Herrn Helmut R ....") hinzuweisen, sondern auch auf eine schriftliche Erklärung des Helmut R vom 6. Dezember 1990 des Inhaltes, daß er Herrn Dr. N bereits vor dem 27. Dezember 1989 mit der Vertretung im Verwaltungsverfahren beauftragt habe. Bei diesem Verfahren habe es sich um ein Verwaltungsstrafverfahren gegen Helmut R als Obmann der Beschwerdeführerin wegen unbefugter Gastgewerbeausübung im Lokal des Vereines am X-Platz gehandelt. Dieses Verfahren sei der Anlaß für das Einschreiten der Behörde gemäß § 360 GewO 1973 gewesen, die beiden Verfahren stünden also in einem unmittelbaren Zusammenhang. Die erstinstanzliche Behörde sei daher zutreffenderweise von einer Vertretungsbefugnis des Dr. N im Zustellzeitpunkt ausgegangen, sodaß der schriftliche Bescheid als rechtzeitig erlassen anzusehen sei. Die weiteren Begründungsausführungen enthalten meritorische Darlegungen zu den als erfüllt angenommenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 360 Abs. 1 zweiter Fall GewO 1973.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Nichtausspruch der in Rede stehenden, in diesbezüglicher Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides auf § 360 Abs. 1 zweiter Fall GewO 1973 gestützten Maßnahme, verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften u.a. vor, am 15. Februar 1990 sei von der Erstbehörde im Rahmen einer Amtshandlung "vor Ort" die Schließung des angeblich von ihr betriebenen Gastgewerbebetriebes mündlich angeordnet worden. Der schriftliche Bescheid vom 26. Februar 1990 sei ihrem nunmehr ausgewiesenen Vertreter am 27. Februar 1990 zugestellt worden. Zum Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei aber der genannte Rechtsvertreter von ihr in dieser Sache nicht bevollmächtigt gewesen. Der betreffende Bescheid sei an sie weitergeleitet worden und sie habe diesen tatsächlich erst am 5. März 1990 erhalten. Sie habe daraufhin ihrem Rechtsvertreter in dieser Angelegenheit Vollmacht erteilt und gegen den erstbehördlichen Bescheid sodann am 8. März 1990 Berufung erhoben. Auf Grund des Umstandes, daß ihr somit der Bescheid erst am 5. März 1990 zugekommen sei, sei die von der Erstbehörde getroffene Maßnahme gemäß den Bestimmungen des § 360 Abs. 1 GewO 1973 mangels rechtzeitiger Erlassung des schriftlichen Bescheides als aufgehoben anzusehen, weshalb der verspätet erlassene erstbehördliche Bescheid von der belangten Behörde hätte behoben werden müssen. Ihr nunmehriger Rechtsvertreter sei zum Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides (27. Februar 1990) in dieser Angelegenheit nicht bevollmächtigt gewesen. Sie habe ihrem Rechtsvertreter lediglich Vollmacht dahingehend erteilt gehabt, das seinerzeitige Schreiben des Magistrates Salzburg vom 18. Jänner 1990 zu beantworten. Dies sei auch mit Schreiben ihres Rechtsvertreters vom 25. Jänner 1990 geschehen. Zu weiteren Vertretungshandlungen in dieser Sache sei ihr nunmehriger Rechtsvertreter nicht bevollmächtigt gewesen. Daß ihr Rechtsvertreter lediglich das Schreiben vom 18. Jänner 1990 beantworten sollte, gehe auch aus der Formulierung des Antwortschreibens vom 25. Jänner 1990 hervor, worin einleitend festgehalten worden sei, daß das Behördenschreiben vom 18. Jänner 1990 ihm zur Beantwortung übergeben worden sei. Die weiteren Beschwerdeausführungen betreffen damit nicht im Zusammenhang stehende meritorische Verfahrensrügen.

Die belangte Behörde verwies in ihrer Gegenschrift auf die entsprechenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Demnach habe Rechtsanwalt Dr. N selbst in einem Schreiben vom 25. Jänner 1990 darauf hingewiesen, daß er den Freizeitclub M bzw. dessen Obmann Helmut R rechtsfreundlich vertrete. Dies sei vom Genannten auch schriftlich bestätigt worden. Bei einer gegenteiligen Auffassung müßte hingegen davon ausgegangen werden, daß Rechtsanwalt Dr. N nach wie vor nicht zur Vertretung des Vereines bzw. dessen Obmannes befugt sei. Die der Berufungsschrift vom 8. März 1990 beigelegte Vollmacht mit Datum 6. März 1990 sei nämlich nur von Helmut R persönlich als Vollmachtgeber unterzeichnet; ein Hinweis auf seine Eigenschaft als Obmann des Vereines "Freizeitclub M" fehle, sodaß diese Vollmachtsurkunde auch nicht als Beurkundung des Vollmachtsverhältnisses für das gegenständliche Verfahren anerkannt worden sei, sondern daß dies vielmehr aus den angeführten Kriterien entspringe.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 kann die Behörde, wenn bei einer Tätigkeit offenkundig der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 oder Z. 2 gegeben ist und wenn mit Grund anzunehmen ist, daß die solchermaßen gesetzwidrige Gewerbeausübung weiter betrieben wird, auch ohne vorausgegangenes Verfahren und vor Erlassung eines Bescheides die zur Unterbindung dieser Gewerbeausübung notwendigen Maßnahmen, insbesondere auch die Beschlagnahme von Waren, Werkzeugen, Maschinen, Geräten und Transportmitteln an Ort und Stelle treffen; darüber ist jedoch binnen zwei Wochen ein schriftlicher Bescheid zu erlassen, widrigenfalls die getroffene Maßnahme als aufgehoben gilt. Nach dem dritten Satz dieser Gesetzesstelle gilt der Bescheid auch dann als erlassen, wenn er gemäß § 19 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, wegen Unzustellbarkeit an die Behörde zurückgestellt worden ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 Zustellgesetz sind Sendungen, die weder zugestellt werden können noch nachzusenden sind oder die zwar durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht abgeholt worden sind, der Behörde zurückzustellen.

Gemäß § 10 AVG 1950, in seiner im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novellierung durch BGBl. Nr. 357/1990 (Art. IV leg. cit.), können sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Gemäß Abs. 2 richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis nach den Bestimmungen der Vollmacht; hierüber auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Behörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 13 Abs. 3 von Amts wegen zu veranlassen.

Nach der dargestellten Gesetzeslage war daher maßgebliches Kriterium für die Beantwortung der Frage der rechtswirksamen Bescheiderlassung innerhalb der im § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 normierten zweiwöchigen Frist - Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sachverhaltes im Sinne des dritten Satzes dieser Gesetzesstelle ergeben sich nach den Darlegungen im angefochtenen Bescheid nicht -, daß die nach Darstellung der belangten Behörde am 27. Februar 1990 durchgeführte Zustellung des erstbehördlichen Bescheides an den durch entsprechende Bevollmächtigung (schriftlich oder durch mündliche Erteilung vor der Behörde) ausgewiesenen Rechtsanwalt erfolgt wäre. Daß aber in dem dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren ein derartiger Vollmachtsnachweis vorgelegen wäre, läßt sich aus den im Zusammenhang damit getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht erkennen, da es zur Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzung insbesondere nicht als ausreichend angesehen werden kann, daß sich Dr. N in seinem Schreiben vom 25. Jänner 1990 darauf berufen hatte, er vertrete rechtsfreundlich die Beschwerdeführerin bzw. deren Obmann. Sofern sich aber die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf die im angefochtenen Bescheid bezeichnete, in einem Verwaltungsstrafverfahren abgegebene "schriftliche Erklärung" des Obmannes der Beschwerdeführerin beruft, so ist darauf zu verweisen, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde nicht berechtigt ist, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache eine allgemeine Vollmacht des Machtgebers vorgelegt hat, diesen im Verfahren über eine andere bereits schwebende oder erst später anhängige Rechtsangelegenheit als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln, es sei denn, daß die Partei ihren Willen, sich in einer weiteren Rechtssache eben dieses Vertreters zu bedienen, unmißverständlich zu erkennen gab (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1990, Zl. 90/04/0128). Anhaltspunkte für die Zulässigkeit einer derartigen Annahme ergeben sich aber aus den Feststellungen des angefochtenen Bescheides in Ansehung der Beschwerdeführerin nicht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon in Hinsicht darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher - ohne daß sich das Erfordernis der Erörterung weiterer meritorischer oder verfahrensrechtlicher Fragen ergab - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den für "Barauslagen" angesprochenen Betrag, da solche im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entstanden sind.

Schlagworte

Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilung Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter Zurechnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991040040.X00

Im RIS seit

25.06.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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