TE Vfgh Beschluss 2006/11/28 V68/06

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Veröffentlicht am 28.11.2006
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan 2004 der Marktgemeinde Brixlegg. Änderung vom 20.07.04

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer bereits außer Kraft getretenen Flächenwidmungsplanänderung wegen Fehlens der auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderlichen Antragslegitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragstellerin begehrt in ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag "den geänderten Flächenwidmungsplan gemäß dem Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde Brixlegg vom 20.07.2004, die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt am 24.09.2004, kundgemacht vom 05.10.2004 bis 19.10.2004, zur Gänze" oder in eventu in näher bezeichneten Teilen als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Zur Darlegung ihrer Legitimation führt die Antragstellerin aus, sie sei Eigentümerin des von der Änderung des Flächenwidmungsplanes betroffenen Grundstückes Nr. 40/2, EZ 498, KG Brixlegg.

Die angefochtene Flächenwidmungsplanänderung greife unmittelbar in ihre Rechtssphäre ein und beeinträchtige diese aktuell, weil der von ihr bezüglich der genannten Liegenschaft abgeschlossene Pachtvertrag mit der K. P. A. GmbH zwecks Betreibung einer Tankstelle wegen dieser Änderung des Flächenwidmungsplanes bereits vom Pächter aufgelöst worden sei. Dieser Vertrag sei nämlich von der Erlangung der notwendigen behördlichen Genehmigung für die Errichtung dieser Tankstelle abhängig gewesen.

Der vorliegende Flächenwidmungsplan verletze die verfassungs- und einfachgesetzlich garantierten Rechte der Antragstellerin.

Es sei kein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren mehr anhängig, in welchem durch die Anregung eines Antrages auf Normenkontrolle bzw. durch die Einbringung einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes möglich sei. Die Antragstellerin habe den Instanzenzug voll ausgeschöpft und versucht, ihre Rechte im ordentlichen Rechtsweg geltend zu machen.

Im Tir RaumOG 2001 sei keine angemessene Entschädigung für die durch diese Änderung des Flächenwidmungsplanes entstehende Wertminderung ihres Eigentums vorgesehen. Es liege auch keine entschiedene Sache vor, sodass sie zur Antragstellung legitimiert sei.

Darüber hinaus enthält der Antrag eine Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung sprechenden Bedenken.

3. Die Marktgemeinde Brixlegg legte jeweils in Kopie das Deckblatt des angefochtenen Flächenwidmungsplanes, den aufsichtsbehördlichen Genehmigungsbescheid dieser Verordnung sowie das Deckblatt des Flächenwidmungsplanes aus dem Jahr 2006 vor und erstattete eine Äußerung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung des Antrages beantragte. Die angefochtene Verordnung sei nicht mehr existent, weil im Jahr 2006 ein neuer Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet der Marktgemeinde Brixlegg erlassen worden sei, der die ursprüngliche Verordnung abgelöst habe, sodass es der Antragstellerin an der Beschwer mangle.

Es sei sachlich geradezu absurd, dass die Antragstellerin eine riesige LKW-Tankstelle im Gemeindegebiet von Brixlegg errichten wolle, weil dieses laut einer Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über belastete Gebiete eines sei, in dem die Immissionsgrenzwerte des Immissionsschutzgesetzes Luft wiederholt und auf längere Zeit überschritten würden. Der Flächenwidmungsplan entspreche genau den Zielsetzungen der zitierten Verordnung, sodass er niemals einen rechtswidrigen Eingriff in Rechte der Antragstellerin darstellen könne. Außerdem liege er im Interesse der Bevölkerung der Marktgemeinde Brixlegg und sohin im öffentlichen Interesse. Der Antragstellerin mangle es daher auch an der Antragslegitimation.

4. Die Tiroler Landesregierung legte die Verordnungsakten vor und erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie die Zurückweisung des Antrages begehrte. Mit Beschluss vom 31. Jänner 2006 habe der Gemeinderat der Marktgemeinde Brixlegg in Entsprechung seiner Verpflichtung gemäß §107 Abs1 zweiter Satz Tir RaumOG 2001 den Flächenwidmungsplan neu erlassen. Dieser sei mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 30. Mai 2006, Ve 1-2-506/2-5vA, aufsichtsbehördlich genehmigt worden und durch öffentlichen Anschlag in der Zeit vom 6. Juli 2006 bis 21. Juli 2006 gemäß §67 Abs1 Tir RaumOG 2006 (das Tir RaumOG 2001 sei mit Wirkung vom 1. März 2006 als Tir RaumOG 2006 wieder verlautbart worden) kundgemacht worden. Dieser Flächenwidmungsplan, der sich auf das gesamte Gemeindegebiet beziehe, sei nach Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist am 21. Juli 2006 in Kraft und zur Gänze an die Stelle des vormaligen, von der Antragstellerin bekämpften Flächenwidmungsplanes getreten, welcher bereits im Zeitpunkt der Einbringung des vorliegenden Antrages nicht mehr dem Rechtsbestand angehört habe. Der Antragstellerin mangle es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes an der unmittelbaren und aktuellen Betroffenheit iSd Art139 B-VG, die grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation sei.

Der Vollständigkeit halber weise die Tiroler Landesregierung aber auch darauf hin, dass die Antragslegitimation der Antragstellerin selbst dann nicht gegeben wäre, wenn die bekämpfte Widmungsfestlegung noch dem Rechtsbestand angehören würde. Die Antragstellerin hätte eine Teilfläche ihres Grundstückes zum Zweck der Errichtung einer Tankstelle verpachtet, wobei der Bestandsvertrag im Zeitpunkt der Einbringung des vorliegenden Antrages bereits aufgelöst gewesen sei. Sie behaupte nicht, den in Rede stehenden Bauplatz selbst in irgendeiner Weise baulich nutzen zu wollen, weshalb die Antragstellerin auch aus diesem Grund nicht aktuell und unmittelbar betroffen sei und ihr die Antragslegitimation fehle.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrages:

1.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).

1.2. Die Antragstellerin bekämpft die Änderung des Flächenwidmungsplanes 2004, die durch die Erlassung eines Gesamtflächenwidmungsplanes im Jahr 2006 verdrängt wurde, sodass ausgeschlossen werden kann, dass die erste Verordnung unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreift. Der Antragstellerin fehlt daher die nicht bloß im Zeitpunkt der Antragstellung sondern auch in dem der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes erforderliche Legitimation zur Anfechtung (vgl. VfSlg. 14.629/1996).

1.3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:V68.2006

Dokumentnummer

JFT_09938872_06V00068_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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