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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §850;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde des Josef und der B gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 12. August 1987, Zl. II/2-5-8353/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. C, 2. Marktgemeinde Maria Enzersdorf am Gebirge, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben anteilig dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 26. Juli 1979 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Rechtsvorgängern des Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses, eines Autoabstellplatzes sowie eines Kanalanschlusses auf der Liegenschaft EZ N1 KG. Maria Enzersdorf am Gebirge mit dem Grundstück Nr. X (Y-Straße Nr. 8) erteilt. Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 27. Dezember 1979 wurden die Berufungen der nunmehrigen Beschwerdeführer und zweier anderen Nachbarn als unbegründet abgewiesen; die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. November 1980 abgewiesen. Die dagegen von den nunmehrigen Beschwerdeführern erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit dessen Erkenntnis vom 10. Oktober 1984, Zl. B 668/80-23, abgewiesen; die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die allfällige Verletzung einfachgesetzlicher Rechte abgetretene Beschwerde wurde von diesen mit Erkenntnis vom 26. Februar 1985, Zlen. 85/05/0015, AW 85/05/0005, als unbegründet abgewiesen; ebenso wurde ein von den Beschwerdeführern gestellter Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens mit Beschluß vom 2. Juli 1985, Zl. 85/05/0076, abgewiesen.
Mit der am 12. Juni 1981 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingelangten Eingabe beantragten die Beschwerdeführer und zwei weitere Nachbarn "Bauaufsichtsmaßnahmen" durchzuführen und insbesondere die Einstellung und Abtragung des begonnenen Bauwerks zu verfügen. Dabei stützten sie sich darauf, daß anstelle des vorgesehenen Bauwichs von 3 m das Grundmauerwerk des ersten Geschoßes zur Grenze der Beschwerdeführer nur 2,90 bzw. 2,92 m betrage, ohne daß noch das Anbringen eines Verputzes berücksichtigt werde. Überdies sei für den Garagenabstellplatz ein Fundament errichtet worden, das nicht dem Bauplan entspreche. Schließlich seien im Wohnhaus Fensteröffnungen vorgesehen, die nicht bewilligt worden seien. In der Folge legten sie den Plan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen D vor, während sich die Rechtsvorgänger des Erstmitbeteiligten auf einen Plan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen E beriefen. In der Folge fand hiezu am 30. September 1981 eine mündliche Verhandlung zur Überprüfung der Bauführung statt. Bei dieser wies der Vertreter der Beschwerdeführer darauf hin, daß bei Anbringen von Verputzmaterial allenfalls Wärmedämmung der Bauwich noch geringer werde und daher jedenfalls eine Überschreitung des bisherigen Konsenses vorliege. Die Konsenswerber hingegen wiesen darauf hin, daß nach dem genehmigten Einreichplan eine vordere Gebäudefront von 7,80 m eingereicht und bewilligt worden sei. Diese 7,80 m wurden um 5 mm bei der Bauausführung überschritten. Laut Feldskizze und Einreichplan habe der zu bebauende Grund an der Straßenfront eine Länge von 13,80 m. Unter Abziehung beiderseitiger Seitenabstände von je 3 m ergebe sich somit eine Bauwichunterschreitung, bezogen auf die Feldskizze, um 5 mm. Wie bei der Vermessung des E festgestellt worden sei, sei der Einfriedungssockel der Beschwerdeführer offensichtlich 4 cm tief auf dem zu bebauenden Grundstück errichtet worden. Daher werde einer Seitenwichmessung zum bestehenden Sockel als Grundgrenze nicht zugestimmt, dies umso weniger, als dieser Sockel von den Beschwerdeführern in Eigenregie und ohne Baumeister ausgeführt worden sei. Es werde daher die Seitenwichmessung bis zur tatsächlichen Grundgrenze verlangt. Auch bei der weiteren mündlichen Verhandlung am 9. November 1981 kam es über die Grundgrenzen zu keiner Einigung. Die Konsenswerber legten weiters entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer dar, daß selbst nach Abstemmung von 3 bis 6 cm von der 30 cm starken Hohlblockmauer die statischen Verhältnisse des Einfamilienhauses nicht beeinträchtigt würden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. November 1981 wurde gemäß § 109 und § 116 der NÖ Bauordnung den Rechtsvorgängern des Erstmitbeteiligten der baubehördliche Auftrag erteilt, den gegen die Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführer zwingend vorgeschriebenen Seitenabstand von 3,00 m genauest einzuhalten, bzw. innerhalb von drei Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides die konsenswidrige Überschreitung dieses Abstandes zu beseitigen. Bezüglich der widersprüchlichen Vermessungsergebnisse der vorgelegten Geometeraufnahmen und der damit im Zusammenhang stehenden Frage der richtigen Grenzfeststellung hinsichtlich der Liegenschaften wurde auf den Zivilrechtsweg verwiesen (ohne festzulegen, wer von den Parteien auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde). Aus der Begründung ergibt sich, daß, abgesehen von der möglichen geringfügigen Unterschreitung des Bauwichs, keine weiteren Abweichungen vom Baukonsens festgestellt werden konnten, insbesondere auch die Fundierung des Autoabstellplatzes dem genehmigten Bauplan entspreche. Daher sei eine Einstellung der Bauführung nicht gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Bauwerber als auch die Beschwerdeführer Berufung.
Auch im Berufungsverfahren wurde vergeblich versucht, zu einer einvernehmlichen Klarstellung der Grenze zu kommen; in diesem Zusammenhang liegt eine Stellungnahme des E im Akt, der darauf verwies, daß die Grundlage für die Grenzermittlung die Feldskizze Nr. 26 der Neuvermessung aus dem Jahre 1931, eine exakte Rekonstruktion dieser Grenzen jedoch deshalb problematisch sei, weil zwar eine koordinative Absteckung der Grenzen auf Zentimeter-Genauigkeit möglich sei, jedoch die heutigen Fixpunkte, von denen die Vermessung auszugehen habe, koordinativ verbessert (sprich verändert) worden seien. Nach der Erfahrung des Ingenieurkonsulenten betrügen die Differenzen zwischen altem System und neuem Koordinatensystem in der Katastralgemeinde Maria Enzersdorf bis zu 15 cm. Daher könne eine Grenze nur in Übereinstimmung mit den Gegebenheiten in der Natur mit den technischen Unterlagen und nach Angaben der Grundeigentümer festgelegt werden.
Am 3. März 1983 erging ein Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde mit nachstehendem Spruch:
"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 (AVG 1950, BGBl. Nr. 172 in der derzeit gültigen Fassung) in Verbindung mit § 116 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200-1, wird den Berufungen der Rechtsanwälte ... als Vertreter der Anrainer ..."
(=Beschwerdeführer) "sowie der Bauwerber ..., nunmehr deren Rechtsnachfolger ..." (Erstmitbeteiligter) "gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Ma am Geb. als Baubehörde I. Instanz vom 26.11.1981, Zl. 32/1981, betreffend Baumängel auf der Liegenschaft EZ N1 GSt. Nr. X KG Ma Enzersdorf am Geb. insofern Folge gegeben, als die Anrainer ..."
(Beschwerdeführer) "beide vertreten durch ... mit ihren Einwendungen, die Ausmessung des Bauplatzes und der damit in Zusammenhang stehenden richtigen Grenzfeststellung hinsichtlich der Liegenschaft des Bauwerbers GSt. Nr. X einerseits und der Liegenschaft der Anrainer ..." (Beschwerdeführer) "GSt. Nr. N2 andererseits, auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, und die übrigen Einwendungen, die Feststellung von Baumängeln betreffend, als unbegründet abgewiesen werden, und der Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 26. November 1981 dahingehend abzuändern ist."
Als Begründung ist dem Bescheid zu entnehmen, daß wegen der Divergenzen der Geometerpläne eine Nichteinhaltung des Bauwichs von der Baubehörde nicht festgestellt werden könne, da der genaue Grenzverlauf strittig sei. Daher könne den Bauwerbern bzw. deren Rechtsnachfolger nicht aufgetragen werden, den Seitenwich von 3 m genauestens einzuhalten, zumal das Ausmaß des Bauwichs und eine angebliche allfällige Über- oder Unterschreitung nicht feststehe. Baumängel und konsenswidrige Abweichungen von der Baubewilligung vom 30. Juli 1980 lägen nicht vor.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 1984 gab die Gemeindeaufsichtsbehörde der gegen den Berufungsbescheid der Gemeinde erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zurück. Dabei wurde in der Begründung wörtlich ausgeführt:
"Über diesen Sachverhalt hat die Vorstellungsbehörde im Rahmen einer mündlichen Verhandlung festgestellt:
Bei einer Besichtigung an Ort und Stelle wurde erhoben, daß die vorgelegten Pläne nicht der tatsächlichen Ausführung entsprechen jedoch aus anderen Gründen als in der Vorstellung angeführt. An der Ostseite des Gebäudes sollte das Gelände im hofseitigen Bereich leicht abfallend ausgeführt werden, tatsächlich wurde jedoch eine Niveauänderung durchgeführt, wodurch das an das Haus angrenzende Niveau auf eine Länge von ca. 15 m waagrecht verläuft. Zur genauen Feststellung der Gebäudehöhe sind daher der tatsächlichen Ausführung entsprechende Pläne erforderlich, die auch Niveaukoten zu enthalten haben. die ostseitige Gebäudefront bildet keine Ebene, sondern weist im Dachbodenbereich, aber auch im Bereich des Schlafraumes im Dachgeschoß, eine Auskragung im Ausmaß von ca. 0,25 m auf. In diesem Bereich (Schlafraum) ist gemäß den Bestimmungen des § 2 Z. 9 leg. cit. diese Auskragung der bebauten Fläche hinzuzurechnen und ist daher der Seitenabstand hier um das Ausmaß der Auskragung geringer. Unter Zuhilfenahme der Einreichpläne wurde die verglichene Gebäudehöhe an der Ostseite mit 6,87 m errechnet. Mangels Koten ist diese Feststellung jedoch als ungenau anzusehen. Bei Zugrundelegung der tatsächlichen Ausführung, wobei auch hier die genauen Koten unbekannt sind, wurde die Gebäudehöhe mit 6,35 m ermittelt. Hiezu wird bemerkt, daß die erwähnte Niveauveränderung nicht genehmigt bzw. dafür noch kein Ansuchen eingebracht wurde.
Aus diesem Sachverhalt sind folgende rechtlichen Schlüsse abzuleiten:
Wenn der Vorstellungswerber unter Punkt 1. seiner Vorstellung mangelndes Parteiengehör geltend macht und dies damit begründet, daß im Zuge des Berufungsverfahrens ein Eigentumswechsel stattgefunden habe, so ist zu diesem Einwand festzuhalten, daß durch einen Eigentumswechsel keine Verletzung subjektiv-öffentlichher Rechte des Vorstellungswerbers eintreten konnte.
Wenn der Vorstellungswerber in weiterer Folge die Behandlung der nunmehr in Vorstellung gezogenen Berufung in nichtöffentlicher Sitzung rügt, so ist darauf hinzuweisen, daß auf Grund der Gesetzeslage, die Behandlung der Berufung in nichtöffentlicher Sitzung, da ihr Parteienrechte abgesprochen wurde, notwendig war (Art. 20 B-VG und § 27 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung, LGBl. 1000-4).
Wenn der Vorstellungswerber in weiterer Folge geltend macht, daß entgegen den Bauplänen ein Bauwich von 3 m in der Natur fehle, so ist zu dieser Behauptung auf die Begründung des Gemeinderates zu verweisen, die darin gipfelt, daß auf Grund der widersprechenden Gutachten eine Differenz hinsichtlich der Ermittlung des Bauwichs von einigen Zentimetern in jeder Richtung offen bleibe, die mit den Mitteln der Baubehörde rechtskräftig nicht beseitigt werden kann. Mit dieser Feststellung irrtt jedoch der Gemeinderat. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt entschieden hat, setzt die Beurteilung der gesetzlichen Abstände die Grenzfeststellung als Vorfragenentscheidung voraus, die vom Gemeinderat eindeutig zu treffen gewesen wäre (siehe zuletzt Verwaltungsgerichtshof vom 5. Oktober 1976, Zl. 915/76-5).
Es ist daher der Verweisung auf den Zivilrechtsweg in diesem Rahmen zu Unrecht erfolgt.
Aus allen diesen angeführten Überlegungen ist deshalb der Vorstellung Folge zu geben.
Die Gemeinde wird überdies im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, inwieweit die anläßlich der örtlichen Verhandlung durch die Vorstellungsbehörde festgestellten Änderungen bewilligungspflichtig sind zbw. ob für diese Änderungen eine Bewilligung überhaupt erteilt werden kann."
Im fortgesetzten Berufungsverfahren erstellte ein weiterer Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, F, einen Lage- und Höheplan im Maßstab 1:100 zur Darstellung des Grenzverlaufs zwischen den Grundstücken X in der EZ N1 und N2 in der EZ N3 KG Maria Enzersdorf. Dabei hielt er fest, daß die Genauigkeit der Naturaufnahme in Lage und Höhe zwar +/- 1 cm betrage, daß jedoch, da die alte Grenzvermarkung (Grenzsteine laut Anmeldungsbogen und Feldskizze aus 1931) im Laufe der Jahre verlorengegangen sei, die Grenze nur mit einer Genauigkeit von +/- 7 cm angegeben werden könne. Der Grenzverlauf sollte nach Feldskizze und Anmeldungsbogen gerade sein. Durch die Errichtung eines Zaunes sei jedoch eine Ausbuchtung in Richtung zum Grundstück X (Grundstück des Erstmitbeteiligten) entstanden und zwar bei Punkt 25 2 cm, bei Punkt 27 3 cm und bei Punkt 80 5 cm.
In der fortgesetzten mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Juni 1986 führte der Bausachverständige aus, daß die Abänderungen im Kellergeschoß (Entfall der Sauna mit Vorraum) über die Geländeveränderung im nordöstlichen Bereich des Gebäudes mit einer Höhe von ca. 50 cm bewilligungsfähig seien. Die Gebäudehöhe, die als Grundlage für die Ermittlung des Bauwichs herangezogen werde, sei laut Erkenntnes des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1985 durch Bezugnahme auf das Niveau der angrenzenden Verkehrsfläche festgehalten. Eine Berücksichtigung des Niveaus zum Nachbargrundstück lasse das Gesetz nicht zu. Somit müsse der Bauwich mindestens 3,00 m betragen. Auf Grund der unterschiedlichen Geometerpläne, insbesondere auch durch die Überprüfung des F, der festgestellt habe, daß nur mehr eine Genauigkeit von +/- 7 cm angegeben werden könne, könne eine Unterschreitung des Bauwichs von 3,00 m und somit ein Mangel in der Bauausführung nicht festgestellt werden, da gleichzeitig die höchstzulässige Gebäudehöhe nicht überschritten worden sei. Bezüglich des Dachvorsprungs von 25 cm an der Ostseite des Objekts werde festgestellt, daß dieser gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 der NÖ BauO nicht für den Bauwich berücksichtigt werde.
Die Beschwerdeführer lehnten die Sachverständigen und die Behörde wegen Befangenheit ab, da die bekannten Bauanzeigen jahrelang verzögert worden seien, und drohten Amtshaftungsansprüche an. Nach der gemeinsam vorgenommenen Ermittlung der Gebäudehöhe auf Grund des Lage- und Höhenplanes des F sei jedenfalls eine verglichene Gebäudehöhe von 6,26 m gegeben, sodaß der Seitenwich mindestens 3,13 m betragen müsse. Nach dem vorgelegten Plan betrage der Seitenwich bei der Straßenfront lediglich 2,89 m und gartenseitig 2,90 m, sodaß eine Überschreitung von mindestens 23 cm gegeben sei. Dies ohne Berücksichtigung der im Bereich des Schlafraumes auf Grund der rechtskräftigen Vorstellungsentscheidung hinzuzurechnenden Auskragung von 25 cm, an deren rechtliche Beurteilung die Baubehörde gebunden sei. Vorsichtshalber werde auch beantragt, eine Messung der Verputzstärke vorzunehmen, was im gartenseitigen Bereich wegen der dort vorhandenen Risse des Verputzes leicht möglich sei. Allfällige Ungenauigkeiten infolge Fehlens von Unterlagen dürften keinesfalls die subjektiv-öffentlichen Rechte des Anrainers beeinträchtigen, vielmehr wäre es Aufgabe des Bauwerbers gewesen, die exakten Grenzen vor Baubeginn festzustellen.
Der Erstmitbeteiligte verwies dagegen darauf, daß die Putzstärke bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden sei. Bei der Auskragung sei zu berücksichtigen, daß sich dahinter kein Wohnraum befinde. Hinsichtlich der Gebäudehöhe verweise er auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1985.
Mit Bescheid des Gemeinderates vom 23. Oktober 1986 wurde den Berufungen der Parteien insoweit Folge gegeben, als die Beschwerdeführer mit ihren Einwendungen, die Feststellung von Baumängeln betreffend, als unbegründet abgewiesen würden und der erstinstanzliche Bescheid "dahingehend abzuändern" sei. Die Berufungsbehörde schloß sich den Ausführungen des Bausachverständigen an, daß entsprechend dem rechtskräftigen Bewilligungsbescheid von einer Höhe von 5,875 m auszugehen sei und die gegenüber dem Einreichplan abweichenden Bauausführungen hinsichtlich der Niveauveränderung einer nachträglichen baubehördlichen Bewilligung zugänglich seien. Weiters stellte die Baubehörde fest, daß das Gebäude des Erstmitbeteiligten, gemessen vom gewachsenen Gelände laut ursprünglichem Einreichplan völlig ident mit der Bestandaufnahme laut dem letzten Geometerplan sei. Durch die Niveauveränderung sei überdies erreicht worden, daß die Schauseite zu den Beschwerdeführern subjektiv eine geringere Höhe aufweise. Die Gebäudehöhe sei nicht mit 6,26 m, sondern gemäß § 22 der NÖ BauO 1976 unter Bezugnahme des Niveaus der angrenzenden Verkehrsfläche festzusetzen. Davon ausgehend sei der Seitenwich zu bemessen, ohne daß es dabei auf die Ausführung des Daches ankomme. Eine Berücksichtigung des Niveaus des Nachbargrundstücks sei gesetzlich nicht zulässig. Es genüge daher der gesetzlich normierte Seitenwich von 3,00 m. Schließlich sei der Dachvorsprung von 25 cm an der zu den Beschwerdeführern gerichteten Seite gemäß § 23 der NÖ BauO bei der Berechnung des Seitenwichs nicht maßgebend. Aus dem bei der Verhandlung vorliegenden Lage- und Höheplan samt technischen Erläuterungen des Ingenieurkonsulenten Dipl. Ing. Fitz ergäbe sich, daß der Plan anhand alter Planunterlagen als Naturaufnahme verfaßt worden sei, wobei der zwischen den Häusern Y-Straße 7 und 8 befindliche Zaunsockel bei der Gehsteigkante als Fixpunkt angenommen und gleichzeitig unter Annahme des geradlinigen Verlaufs dieses Zaunsockels folgendes Ergebnis erzielt worden sei: Von der zur Straße gerichteten Hauskante der Ostschauseite des Gebäudes des Erstmitbeteiligten betrage der Seitenwich bis zum Zaunsockel 291 cm, bei Annahme eines geradlinigen Grenzverlaufs 296 cm. Diese Abstände verringerten sich im Bereich bis zur Haushinterkante an der Ostschauseite auf 290 cm bzw. bei Annahme eines geraden Grenzverlaufes auf 292 cm. Da der vom Beschwerdeführer errichtete Zaunsockel krumm verlaufe, könnten nur die Meßergebnisse, wie sie einem nach der Feldskizze Nr. 5 der Neuvermessung und laut Anmeldungsbogen 30/34 festgelegten geradlinigen Verlauf entsprächen, herangezogen werden, also an der Hausvorderkante 296 cm und an der ostseitigen Haushinterkante 292 cm. Diese Seitenabstände ergäben sich inklusive der Putzstärke an der Ostfassade. Gemäß § 23 Abs. 3 der NÖ BauO 1976 sei jedoch ein Überschreiten der Baufluchtlinie durch einen vollflächigen Verputz bis zu 8 cm zulässig. Darüber hinaus müsse davon ausgegangen werden, daß alle Messungen über die Seitenabstände, abgesehen von einer unumgänglichen Meßungenauigkeit von +/- 1 cm, nur mit einer Genauigkeit von +/- 7 cm möglich seien, da die für die Feststellung des Grenzverlaufes zwischen den beiden Grundstücken maßgebende Grenzvermarkung verloren gegangen sei. Abgesehen von diesen grundsätzlichen Meßungenauigkeiten habe die Behörde keine Unterschreitung des Bauwichs bei Anwendung der Bestimmungen der §§ 22 und 23 der NÖ BauO feststellen können. Darüber hinaus seien wegen der Niveauveränderungen keine die subjektiv-öffentlichen Rechte des Anrainers verletzenden Abweichungen in der Bauausführung festgestellt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den neuerlichen Berufungsbescheid ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Sachverhalts aus, daß das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Republik Österreich sei durch das Vorgehen der Gemeinde um mehrere 100.000 S geschädigt worden, weil die Gemeinde ursprünglich behauptet habe, das gegenständliche Grundstück sei kaum bebaubar, in keinem Fall geeignet sei, die Verletzung subjektiv-öffentlicher Anrainerrechte der Beschwerdeführer darzutun. Das weitere Vorbringen, das Gebäude sei ohne konzessionierten Bauführer errichtet worden, sei allenfalls geeignet, ein Verwaltungsstrafverfahren nach sich zu ziehen, doch sei mangels Beeinträchtigung der Beschwerdeführer darin keine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte gegeben. Zur Frage der nicht genehmigten Niveauveränderung sei die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung im Falle der Vorlage geeigneter Unterlagen nicht ausgeschlossen. Überdies böten die §§ 112 ff der NÖ BauO keine geeignete Handhabe für ein Einschreiten, da sie lediglich auf Baulichkeiten anzuwenden seien.
Niveauveränderungen fielen jedoch nicht darunter. Zur behaupteten Unterschreitung des seitlichen Bauwichs sei festzuhalten, daß der Gemeinderat in sehr ausführlicher Weise festgestellt habe, daß diese Unterschreitung nicht nur durch den Erstmitbeteiligten - dieser habe im übrigen sein Gebäude hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung plangemäß errichtet - sondern auch unter Umständen durch die Beschwerdeführer hervorgerufen worden sein könnte. Entgegen den einwandfreien Planunterlagen weise nämlich der Zaun des Beschwerdeführers keine Gerade auf, sondern verlaufe kurvenförmig. Bei dieser Sachlage sei die Rechtsmeinung des Gemeinderates, daß eine Grenzverletzung durch den Bau des Erstmitbeteiligten nicht eintrete, nicht von der Hand zu weisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ BauO LGBl. 8200-2 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. In den Verfahren nach §§ 11, 108 und 110 kommt Anrainern jedoch keine Parteistellung zu. Nach § 118 Abs. 9 leg. cit. werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung (Z. 4 - die Z. 1 bis 3 kommen von vornherein nicht in Betracht).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Anrainer zur Durchsetzung dieser Rechte (aber nur dieser) auch Parteistellung in einem Verfahren zur Baueinstellung oder -beseitigung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. November 1979, Zl. 1101/79, Slg. N.F. Nr. 9969/A). Gemäß § 109 Abs. 3 BO hat die Baubehörde die Fortsetzung der Arbeiten zu untersagen, wenn ein Vorhaben, das einer Bewilligung bedarf, ohne Bewilligung ausgeführt wird. Kann eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt werden, hat die Baubehörde die Herstellung des ursprünglichen Zustandes zu verfügen. Ebenso hat gemäß § 113 Abs. 2 BO die Baubehörde den Abbruch einer Baulichkeit anzuordnen, wenn für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung vorliegt und eine solche auch im Falle der nachträglichen Antragstellung nicht erteilt werden könnte (Z. 3).
Soweit sich also die Beschwerdeführer auf die Veränderung des Niveaus an der Seite des Neubaues berufen und daraus überdies noch Folgerungen für die Gebäudehöhe ableiten wollen, übersehen sie, daß in einem Verfahren über die Baueinstellung bzw. Entfernung zunächst nur zu prüfen ist, ob der hergestellte Bau der erteilten Baubewilligung entspricht. Die Höhe wurde, was auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Februar 1985, Zl. 85/05/0015, ausdrücklich als richtig erkannt wurde, vom Straßenniveau ausgerechnet; es ist daher nicht nachvollziehbar, inwiefern durch Anschüttungen u.dgl. eine Veränderung der Höhe, soweit sie rechtlich von Bedeutung sein sollte, eintreten könnte. Hinsichtlich der Anschüttung selbst ist nicht erkennbar, inwiefern dadurch subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer verletzt sein könnten.
Die Beschwerdeführer stützen ihre Ansprüche in diesen beiden Punkten jedoch auch auf die Rechtskraft des aufhebenden Vorstellungsbescheides vom 23. Oktober 1984. Den Beschwerdeführern ist zuzustimmen, daß auch ein rechtswidriger, aber mangels Bekämpfung unanfechtbar gewordener gemeindeaufsichtsbehördlicher Bescheid eine Bindungswirkung hervorruft, allerdings, wie auch die Beschwerdeführer in ihren Ausführungen erkennen, nur hinsichtlich der die Aufhebung tragenden Rechtsansicht. In diesem Zusammenhang vermengen jedoch die Beschwerdeführer die Tatsachenfeststellungen und Äußerungen der Gemeindeaufsichtsbehörde im Bescheid vom 23. Oktober 1984 mit der überbundenen Rechtsansicht, die die Aufhebung trägt. So führte nämlich die Gemeindeaufsichtsbehörde in dem genannten Bescheid ausdrücklich als (Tatsachen-)Feststellung auf Grund einer Besichtigung an Ort und Stelle an, daß die Pläne mit der tatsächlichen Ausführung zwar nicht übereinstimmen, jedoch aus anderen Gründen als in der Vorstellung angeführt; in diesem Zusammenhang werden Niveauveränderungen genannt und daß im Zusammenhang damit auch hinsichtlich der Gebäudehöhe der tatsächlichen Ausführung entsprechende Pläne erforderlich sind, die auch Niveaukoten zu enthalten hätten. Weiters ist davon die Rede, daß im Dachbodenbereich, aber auch im Bereich des Schlafraumes im Dachgeschoß eine Auskragung im Ausmaß von ca. 0,25 m vorhanden sei, die gemäß § 2 Z. 9 der NÖ BauO der bebauten Fläche hinzuzurechnen sei, sodaß der Seitenabstand um das Ausmaß der Auskragung geringer sei. Alle diese Ausführungen sind lediglich beschreibender Natur, zumal die Behörde dann fortsetzt, daß "aus diesem Sachverhalt" "folgende rechtlichen Schlüsse abzuleiten" seien. Erst danach wird die Aufhebung des gemeindebehördlichen Berufungsbescheides begründet und zwar damit, daß die Verweisung auf den Zivilrechtsweg zu Unrecht erfolgt sei, weil der Gemeinderat die Grenzfeststellung als Vorfragenentscheidung zur Beurteilung der gesetzlichen Abstände selbst hätte treffen müssen. Dieses Verständnis des aufsichtsbehördlichen Bescheides entspricht auch der Rechtslage. Denn die Auskragung ist zwar gemäß § 2 Z. 9 der NÖ BauO der bebauten Fläche zuzurechnen, gemäß § 23 Abs. 2 Z. 1 BO können jedoch Erker über die seitlichen Baufluchtlinien auf den halben Bauwich, jedoch höchstens bis 2 m errichtet werden; die vorhandene Auskragung ist wesentlich geringer und daher jedenfalls bewilligungsfähig, was einem Beseitigungsauftrag gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 BO entgegensteht. Die Frage der Höhe wurde aber in der rechtskräftigen Baubewilligung, über die der Gerichtshof bereits in dem genannten Erkenntnis abgesprochen hat, abschließend festgelegt, sodaß eine neuerliche Ausmessung nach anderen Gesichtspunkten nicht in Betracht kommt. Schließlich darf der Gemeindeaufsichtsbehörde im Zweifel nicht unterstellt werden, auf Grund der Vorstellung von Nachbarn, entgegen ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, andere Mängel zum Gegenstand der Aufhebung des Berufungsbescheides zu machen.
Auf die von dem Beschwerdeführer relevierte Frage der Benützungsbewilligung muß schon deshalb nicht eingegangen werden, weil kraft ausdrücklicher Regelung des § 118 Abs. 8 BO in einem Verfahren über die Benützungsbewilligung (§ 110 BO) dem Nachbarn keine Parteistellung zukommt.
Damit bleibt die Frage der Bemessung des Bauwichs von 3 m offen. Der Gerichtshof hat keine Bedenken dagegen, daß im Beschwerdefall der Berechnung des Bauwichs nur die Rohbaumaße zugrundegelegt wurden, dies selbst vor der Geltung des § 23 Abs. 3 letzter Satz BO in der Fassung LGBl. 8200-2.
Der Gerichtshof hat jedoch auch keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung der Berufungsbehörde der mitbeteiligten Gemeinde, wonach der krumme Verlauf des von den Beschwerdeführern hergestellten Zaunes dafür spreche, daß dessen Sockel nicht unbedingt die richtige Grundgrenze darstelle, sondern vielmehr die von den Sachverständigen von den vermutlichen Meßpunkten an der Vorderfront weg gemessenen Geraden. Für die Lösung der Vorfrage reichen die durchgeführten Ermittlungen und Überlegungen jedenfalls aus; es wäre ja den Beschwerdeführern im Laufe des langjährigen Verfahrens freigestanden, beim zuständigen Bezirksgericht den Antrag auf gerichtliche Erneuerung oder Berichtigung der Grenze gemäß § 850 ABGB zu stellen. Nur in einem solchen Verfahren könnte nämlich mit einer endgültigen Rechtskraftwirkung über den als richtig anzunehmenden Verlauf der Grenze abgesprochen werden.
Da durch den angefochtenen Bescheid Rechte der Beschwerdeführer nicht verletzt wurden, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen, da die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Verhältnis Gericht VerwaltungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1987050179.X00Im RIS seit
03.05.2001