Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1973 §356 Abs3;Beachte
Besprechung in: Ecolex 11/1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des Ing. Manfred S in L und 2) der Hermine S in G, beide vertreten durch Dr. K Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. November 1990, Zl. 311.826/30-III-3/90, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage und Zurückweisung von Berufungen (mitbeteiligte Partei: K-GmbH & Co KG in G, vertreten durch Dr.N Rechtsanwalt in B) zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid, der hinsichtlich der Entscheidung über die nicht von den Beschwerdeführern erhobenen Berufungen als unangefochten unberührt bleibt, wird, soweit damit die Berufung des Erstbeschwerdeführers zurückgewiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers wird abgewiesen.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 8. November 1990 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. Februar 1990 gemäß § 359 Abs. 4 in Verbindung mit § 356 Abs. 3 und § 75 Abs. 2 GewO 1973 als unzulässig zurück. Ein weiterer Abspruch dieses Bescheides ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Zur Begründung des den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildenden Ausspruches führte der Bundesminister im wesentlichen aus, auf Grund des Ansuchens der mitbeteiligten Partei habe die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als zuständige Gewerbebehörde erster Instanz am 20. Oktober 1988, am 14. März 1989 und am 13. April 1989 mündliche Augenscheinsverhandlungen durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlungen hätten unter anderem die Beschwerdeführer Einwendungen erhoben und geltend gemacht, sie befürchteten Belästigungen durch Lärm, Rauch, Staub, Licht und sonstige Immissionen des gegenständlichen Projektes. Der Erstbeschwerdeführer habe außerdem eingewendet, als Eigentümer einer Wohnanlage werde ihm deren Verkauf und Fertigstellung nicht nur erschwert, sondern unmöglich gemacht. Eine Gefährdung des Eigentums liege im Zusammenhang mit den Lärmimmissionen insofern vor, als es bisher nicht möglich gewesen sei, diese Wohnanlage zu vermieten oder zu verkaufen, was einer Substanzvernichtung gleichkomme. Mit Bescheid vom 27. April 1989 habe die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn die beantragte gewerbebehördliche Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage unter Vorschreibung von insgesamt 21 Auflagen erteilt. Über Berufung unter anderem der Beschwerdeführer habe der Landeshauptmann von Oberösterreich als Gewerbebehörde
2. Instanz nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens mit Bescheid vom 27. Februar 1990 den Spruch des Bescheides der Erstbehörde durch Bezeichnung der der Genehmigung zugrundeliegenden technischen Unterlagen und durch Änderung der Auflagen neu gefaßt. Gegen diesen Bescheid hätten wiederum auch die Beschwerdeführer Berufung erhoben. Die Beschwerdeführer seien je zur Hälfte Eigentümer der unbebauten Liegenschaft Nr. 774/3, KG G, der Erstbeschwerdeführer sei Alleineigentümer der Liegenschaft Nr. 747/4, KG G, worauf sich ein Mehrfamilienhaus befinde. Für das gesamte Bauobjekt bestehe keine Benützungsbewilligung. Der Erstbeschwerdeführer habe in einem Schreiben vom 4. Oktober 1990 selbst ausgeführt, er nütze dieses Vierfamilienwohnhaus seit 2 Jahren ohne Benützungsbewilligung. Diesen Ausführungen habe sich die Zweitbeschwerdeführerin in einem Schreiben gleichen Datums vollinhaltlich angeschlossen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestehe ein Anspruch auf Schutz nach der Gewerbeordnung insofern, als jene Objekte, aus denen die Nachbarstellung erfließe, im Einklang mit der Rechtsordnung benutzt würden. Gemäß § 57 Abs. 7 der Oberösterreichischen Bauordnung dürften bauliche Anlagen, für die eine Benützungsbewilligung erforderlich sei, vor rechtskräftiger Erteilung der Benützungsbewilligung nicht benützt werden, was gemäß Abs. 2 leg. cit. für Neu-, Zu- und Umbauten von Gebäuden gelte. Den Beschwerdeführern komme daher kein Anspruch auf Schutz vor Immissonen im vorliegenden Verfahren zu, zumal auch Sachverhaltsumstände betreffend eine Gefährdung oder unzumutbare Belästigung im Hinblick auf einen bloß vorübergehenden Aufenthalt im Verfahren der Behörde erster Instanz nicht geltend gemacht worden seien. Es verbleibe den Beschwerdeführern als zu schützendes Recht im vorliegenden Verfahren somit ausschließlich das Eigentumsrecht. Von einer Gefährdung des Eigentums der Nachbarn könne in der Regel nur dann gesprochen werden, wenn dieses in seiner Substanz bedroht sei. Eine Gefährdung des Eigentums sei auch dann anzunehmen, wenn der Betrieb der Anlage jedwede Nutzung des Eigentums unmöglich machen würde, weil in diesem Fall der Mangel der Verwertbarkeit einer Substanzvernichtung gleichgehalten werden könne. Nach § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1973 sei unter einer Gefährdung des Eigentums die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes nicht zu verstehen. Abgesehen davon, daß die behauptete Gefährdung des Eigentums der Beschwerdeführer ausschließlich im Zusammenhang mit Immissionen gesehen werde (hinsichtlich derer kein Schutzanspruch bestehe), werde die Eigentumsgefährdung ausschließlich in bezug auf einen Verkauf bzw. eine Vermietung des Objektes gesehen. Eine solche sei jedoch keinesfalls die einzig mögliche Nutzung des gegenständlichen Wohnobjektes, zumal sich die Beschwerdeführer in sämtlichen Verfahren immer heftig gegen eine Bezeichnung des Wohnhauses als Spekulationsobjekt gewehrt hätten. Auch bei Zutreffen der Behauptungen der Beschwerdeführer werde durch die gegenständliche Änderung nicht jedwede Nutzung des errichteten Wohnhauses unmöglich gemacht, sodaß keine Eigentumsgefährdung im Sinne des Gesetzes vorliege. Vielmehr wohne den Einwendungen der zivilrechtliche Charakter der Behauptung einer Wertminderung inne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf materielle Erledigung ihrer Berufungen verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes tragen sie (zusammengefaßt) unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor, die belangte Behörde verkenne den wahren Gehalt der von ihr zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Danach schließe nicht jede sich nicht mit der Rechtsordnung im Einklang befindliche Benützung eines nachbarlichen Objektes den Anspruch auf Schutz vor Immissionen aus. Das gegenständliche Vierfamilienwohnhaus werde seit etwa 2 Jahren ohne Benützungsbewilligung für Wohnzwecke genützt, doch habe das Gemeindeamt G die Anmeldung des Wohnsitzes im November 1988 ohne Einwände akzeptiert. Die vorzeitige Nutzung sei durchaus ortsüblich. Die Beschwerdeführer hätten am 21. Juli 1990 bei der Gemeinde G um die Teilkollaudierung für September 1990 angesucht, um damit die Grundlage für die Nutzung einer Wohnung für Bürozwecke und einer weiteren Wohnung für einen Beschäftigten des Betriebes der Beschwerdeführer zu schaffen. Aus Gründen der Amtswegigkeit wäre es deshalb an der belangten Behörde gelegen, zumindest die Beischaffung des Bauaktes sowie einschlägiger Sachverständigengutachten zu veranlassen. Erst dann wäre sie im Stande gewesen, zu überprüfen, ob durch die entgegen der Bestimmung des § 57 Abs. 7 der Oberösterreichischen Bauordnung nicht vorliegende Benützungsbewilligung aus baulicher Sicht nun tatsächlich höhere Lärm- und Geruchsbelästigungen die Folge seien. Auch die Ausführungen der belangten Behörde zur Eigentumsgefährdung seien unrichtig. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde erstrecke sich der Schutz des Eigentums nicht nur auf den Schutz der Substanz desselben vor Gefährdung durch den Betrieb der Anlage, sondern auch auf den Schutz der Nutzung des Eigentums, wie dies im gegenständlichen Sachverhalt der Fall sei. Der Betrieb der Anlage würde jedwede Nutzung des Eigentums einschließlich der Nutzung des unbebauten Gartens unmöglich machen und es käme der Mangel der Verwertbarkeit einer Substanzvernichtung gleich. Der Erstbeschwerdeführer habe am 31. Mai 1990 bei der Oberösterreichischen Landesregierung um die Erteilung der Konzession für das Baumeistergewerbe angesucht, wobei ausgeführt worden sei, am Standort der gegenständlichen, im Eigentum der Beschwerdeführer stehenden Liegenschaft würden nur Planungsarbeiten durchgeführt werden. Eine wirtschaftliche Nutzung der Wohnanlage der Beschwerdeführer zu reinen Wohnzwecken könne derzeit wegen der oftmalig im Verfahren und durch Sachverständigengutachten erwiesenen Gesundheitsgefährdung und Belästigung durch die Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei, insbesondere zur Nachtzeit, nicht erfolgen, wodurch zweifellos auch die eigentumsrechtlichen Interessen der Beschwerdeführer berührt würden. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften machen die Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe die Auswirkungen der in Rede stehenden Betriebsanlage auf die Liegenschaften der Beschwerdeführer nicht ausreichend geprüft.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die erste im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführte Augenscheinsverhandlung wurde im vorliegenden Fall mit Kundmachung vom 10. Oktober 1988 (für den 20. Oktober 1988) anberaumt. Es ist daher zufolge Art. VI Abs. 4 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399, die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführer nach der Rechtslage vor dieser Gewerberechtsnovelle zu beurteilen. Diese Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und sonstigen Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, Z. 1 das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, Z. 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise zu belästigen ...
Gemäß § 75 Abs. 1 GewO 1973 ist unter Gefährdung des Eigentums im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 die Möglichkeit einer bloßen Minderung des Verkehrswertes des Eigentums nicht zu verstehen. Nach Abs. 2 sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesen Zusammenhang bereits in seinem Erkenntnis vom 29. Oktober 1982, Slg. N.F. Nr. 10874/A, unter Bezugnahme auf das dort angeführte Vorerkenntnis dargelegt hat, haben die Eigentümer und sonstigen dinglich Berechtigten das im § 75 Abs. 2 zweiter Satz erster Satzteil GewO 1973 aufgestellte Erfordernis des nicht (bloß) vorübergehenden Aufenthaltes im Nahbereich der Betriebsanlage zwar nicht zu erfüllen; der Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte können aber den ihre Person betreffenden Nachbarschutz nur bei Zutreffen der in § 75 Abs. 2 erster Satz, erster Satzteil GewO 1973 enthaltenen Merkmale und daher jedenfalls nur unter Berufung auf Sachverhaltsumstände geltend machen, die den Eintritt einer - persönlichen - Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen lassen. Das von Personen, die nicht Eigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte im obigen Sinn sind, zu erfüllende Erfordernis des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn ihr Aufenthalt nicht durch die Rechtsordnung gedeckt ist.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Gemäß § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Diese Rechtslage gilt auch uneingeschränkt in einem gemäß § 81 GewO 1973 durchzuführenden Verfahren über die gewerbebehördliche Genehmigung einer Betriebsanlage.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11745/A, unter Bezugnahme auf seine dort weiters angeführte Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne der vordargestellten Gesetzeslage nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: der Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Die Erlangung einer Parteistellung durch Nachbarn im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 setzt das Vorliegen derart qualifizierter Einwendungen voraus.
Im vorliegenden Fall gaben die Beschwerdeführer in den mündlichen Augenscheinsverhandlungen erster Instanz (welche diesbezüglich als Einheit anzusehen sind: vgl. den hg. Beschluß vom 10. Juni 1978, Slg. N.F. Nr. 8307/A) folgende hier bedeutsame Erklärungen ab:
In der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 1988 erklärte der Erstbeschwerdeführer:
"Bei der gegenständlichen Erweiterung bin ich der nächstgelegene Nachbar, Eigentümer einer Wohnanlage, deren Verkauf und Fertigstellung mir durch die Baumaßnahme nicht nur erschwert, sondern unmöglich gemacht wird. Aus diesem Grunde spreche ich mich gegen die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die gegenständliche Erweiterung aus."
Die Zweitbeschwerdeführerin führte damals aus:
"Durch den Neubau der Gummimischanlage und einer Lagerhalle einschließlich der dazugehörigen sonstigen maschinellen Einrichtung verringert sich die örtliche Nähe zwischen dem Haus der Ehegatten S, wodurch sowohl die Geräuschbelästigung, die Lichtbelästigung (Beleuchtung auch nachtsüber) sowie die Rauchbelästigung sich vermehrt. Bei dieser Gelegenheit wird darauf hingewiesen, daß entgegen den Eintragungen in den Bauplänen heute in der Natur zwischem dem Werk K und dem Anwesen der Ehegatten S sich kein Wald mehr befindet, sondern dieser glaublich 1986 abgeholzt wurde. Dadurch ist eine weitere Schalldämmung weggefallen und ist insbesondere die zu erwartende Lärmbelästigung durch den geplanten Neubau sehr störend. Ein weiterer Umstand einer Beeinträchtigung liegt darin, daß durch das Näherrücken der Betriebsstätten des Werkes K die Liegenschaft der Ehegatten S weiter entwertet wird."
In der Verhandlung vom 14. März 1989 machten beide Beschwerdeführer durch ihren gemeinsamen Vertreter Lärm- und Staubbelästigungen sowie Gefährdung ihres Eigentums geltend und brachten in diesem Zusammenhang vor:
"Diese Lärmimmissionen führen auch zu einer Gefährdung des Eigentums gemäß § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO. Die Judikatur spricht dann von der Gefährdung des Eigentums, wenn anzunehmen ist, daß der Betrieb der Anlage jedwede Nutzung des Eigentums unmöglich machen würde, weil in diesen Fällen der Mangel der Verwertbarkeit einer Substanzvernichtung gleichgehalten werden muß. Die genannten Lärmimmissionen führen zu einem derartigen Mangel der Verwertbarkeit in Form einer Substanzvernichtung. Dies ergibt sich daraus, daß den Ehegatten S trotz intensiver Bemühungen bisher weder die Vermietung, noch der Verkauf des Hauses oder Teilen davon möglich war. Sollte der Mangel der Verwertbarkeit in Form der Substanzvernichtung bezweifelt werden, wird die Einholung eines Gutachtens aus dem Immobilienfach zum Beweis der Entwertung durch die gegenständlichen Lärmimmissionen von amtswegen beantragt und gefordert."
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht die Feststellung der belangten Behörde, daß für das gesamte auf der im Eigentum des Erstbeschwerdeführers stehenden Liegenschaft Nr. 747/4, KG G, errichtete Wohnobjekt keine baubehördliche Benützungsbewilligung besteht. Sie meinen allerdings, daß trotz der Bestimmung des § 57 Abs. 7 der Oberösterreichischen Bauordnung, wonach bauliche Anlagen, für die eine Benützungsbewilligung erforderlich ist, vor rechtskräftiger Erteilung der Benützungsbewilligung nicht benützt werden dürfen, eine vorzeitige Nutzung durchaus ortsüblich sei. Sie übersehen dabei allerdings, daß die behauptete "Ortsüblichkeit" an der Rechtswidrigkeit der Benützung dieses Wohnobjektes jedenfalls nichts zu ändern vermag. Soweit die Zweitbeschwerdeführerin in ihren Einwendungen daher auf ihren Aufenthalt in dem Wohnhaus Bezug nahm, machte sie daher keinen zur Erfüllung des für die Nachbareigenschaft bedeutsamen Erfordernisses des nicht bloß vorübergehenden Aufenthaltes auf der nicht in ihrem (Mit-)eigentum stehenden Liegenschaft Nr. 747/4, KG G, geeigneten Sachverhalt geltend. Da sie überdies hinsichtlich der in ihrem Miteigentum stehenden (unbebauten) Liegenschaft Nr. 747/3, KG G, auch keine Sachverhaltsumstände vorbrachte, die den Eintritt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung in Hinsicht auf einen, wenn auch nur vorübergehenden Aufenthalt überhaupt möglich erscheinen ließen, ist ihr diesbezügliches Vorbringen in den mündlichen Augenscheinsverhandlungen erster Instanz nicht geeignet, unter dem Gesichtspunkt einer persönlichen Gefährdung oder Belästigung ihre Nachbareigenschaft im Sinne des § 75 Abs. 2 GewO 1973 darzutun. Dieses Vorbringen kann daher auch nicht als zur Begründung der Parteistellung geeignete Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 qualifiziert werden.
Da überdies hinsichtlich der im Miteigentum der Zweitbeschwerdeführerin stehenden (unbebauten) Liegenschaft ein eine Substanzvernichtung im Sinne des § 75 Abs. 1 GewO 1973 behauptendes Vorbringen nicht erstattet wurde, erweist sich die Rechtsansicht der belangten Behörde, die Zweitbeschwerdeführerin habe keine zur Begründung der Parteistellung geeigneten Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 erhoben, als nicht rechtsirrig.
Hingegen vermag sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht der belangten Behörde, das Vorbringen der Beschwerdeführer betreffend den Wertverlust der fraglichen Liegenschaften stelle im Hinblick auf die Bestimmung des § 75 Abs. 1 GewO 1973 keine geeignete Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. dar, nicht anzuschließen.
§ 74 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 75 Abs. 1 GewO 1973 sieht im Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage zwar nur den Schutz des Eigentums eines Nachbarn vor der Vernichtung seiner Substanz und nicht vor einer bloßen Minderung des Verkehrswertes vor, doch ist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem (zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage nach der Gewerbeordnung 1859 ergangenen) Erkenntnis vom 20. Oktober 1976, Zl. 137/71, ausgesprochen hat, einer solchen Substanzvernichtung der Verlust der Verwertbarkeit der Substanz gleichzuhalten. Ein solcher Verlust der Verwertbarkeit ist nicht nur dann anzunehmen, wenn jedwede auch nur entfernt denkbare Nutzung des Eigentums unmöglich ist, sondern vielmehr bereits dann, wenn die nach der Verkehrsanschauung übliche bestimmungsgemäße (Sach-)Nutzung oder Verwertung ausgeschlossen ist.
Im Lichte dieser Rechtslage kann dem Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich des drohenden Verlustes der Möglichkeit, die im Eigentum des Erstbeschwerdeführers stehende Liegenschaft samt darauf befindlichem Mehrfamilienwohnhaus zu vermieten oder zu verkaufen, die Eignung nicht abgesprochen werden, die Parteistellung des Erstbeschwerdeführers im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 zu begründen. Wurde aber durch diese Einwendung die Parteistellung des Erstbeschwerdeführers in dem in Rede stehenden Genehmigungsverfahren begründet, so steht ihm zufolge § 359 Abs. 4 GewO 1973 auch das Recht der Berufung zu.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid, insoweit sie darin die Berufung des Erstbeschwerdeführers mangels Parteistellung als unzulässig zurückwies, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin erweist sich dagegen aus den dargelegten Gründen als nicht begründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Stempelgebührenersatz betreffende Mehrbegehren des Erstbeschwerdeführers war abzuweisen, weil die Vorlage einer zweiten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides nicht erforderlich war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991040004.X00Im RIS seit
20.02.2002