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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §235 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der Verlassenschaft nach der am 18. Juni 1990 verstorbenen R gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Jänner 1990, Zl. 125-120.111-014, betreffend Kriegsopferversorgung (Verpflichtung zum Rückersatz gemäß § 54 KOVG 1957), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
Die am 9. August 1915 geborene R bezog nach ihrem im Zweiten Weltkrieg gefallenen Ehemann auf Grund der einschlägigen Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) eine Witwenrente mit Zusatzrente. Mit Notariatsakt vom 26. Juli 1989 übergab R ihr Haus in A, X-Gasse 11, an ihren Enkelsohn, wobei sie sich dafür das freie Wohnrecht mit Heizung und Beleuchtung ausbedungen hatte. Eine Abschrift dieses Notariatsaktes sandte R an das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA), wo sie am B. August 1989 einlangte.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid des LIA vom 30. August 1989 wurde deshalb die Zusatzrente der R ab dem 1. August 1989 neu bemessen und ein ab diesem Zeitpunkt von R bezogener Übergenuß im Gesamtausmaß von S 960,-- (in den Monaten August und September 1989 jeweils S 480,--) festgestellt, ohne daß vorerst darüber entschieden wurde, ob und in welcher Höhe der Übergenuß zu ersetzen sei.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 1989 sprach das LIA sodann aus, daß die auf Grund seines Bescheides vom 30. August 1989 ungebührliche Mehrzahlung im Betrage von S 960,-- dem Bunde zu ersetzen sei. Eine Abstandnahme von der Hereinbringung der Schuld wegen besonderer Härte erfolge nicht; der Ersatz werde durch Aufrechnung mit der R gebührenden Versorgungsleistung bewirkt. Bis zur Tilgung der Schuld werde von der Rente der R monatlich ein Betrag von S 300,-- und eine gegebenenfalls abweichende Restrate einbehalten werden; die erste Rate sei am 1. Dezember 1989 fällig.
Diesen Bescheid begründete das LIA unter Bezugnahme auf 54 KOVG 1957 damit, daß ein Verschulden gegeben sei, wenn die Anzeigepflicht schuldhaft verletzt worden sei; guter Glaube sei auszuschließen, wenn Zweifel an der Gebührlichkeit einer Leistung bestehen müßten. Mit Notariatsakt vom 26. Juli 1989 habe sich R. anläßlich der Übergabe des Hauses X-Gasse 11 in A das freie Wohnrecht inklusive Heizung und Beleuchtung ausbedungen. Daß diese Änderung Auswirkungen auf die Gebührlichkeit der Versorgungsleistung haben würde, hätte R schon allein auf Grund der im Zuerkennungsbescheid enthaltenen Informationen erkennen müssen. Es hätten R daher nach Meldung der maßgeblichen Änderung an der weiteren Gebührlichkeit der Leistung in ungekürzter Höhe zumindest Zweifel kommen müssen. Trotzdem habe R in der Zeit von August 1989 bis September 1989 die Rente in unveränderter Höhe angenommen. Die Mehrzahlung von S 960 -- sei somit nicht gutgläubig empfangen worden, weshalb auch die Verpflichtung zum Ersatz dieses Betrages auszusprechen gewesen sei.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete R. ein, sie habe den Notariatsakt am 7. August 1989 an das LIA eingesandt und damit die Übergabe des Hauses in A, X-Gasse 11, angezeigt, nachdem die Übergabe am 26. Juli 1989 erfolgt sei. Am Zustandekommen des Übergenusses im September 1989 treffe R kein Verschulden, weil sie die Übergabe am 7. August 1989 dem LIA angezeigt habe. Als 74jährige Kriegerwitwe sei sie jedoch keinesfalls in der Lage gewesen, die Berechnung ihrer Zusatzrente zu überprüfen, weil sie von den Anrechnungsbestimmungen hinsichtlich des Wohnrechtes überhaupt keine Kenntnis habe. Die Bescheidbegründung, daß guter Glaube auszuschließen sei, weil Zweifel an der Gebührlichkeit der Leistung hätten bestehen müssen, sei deshalb vollkommen realitätsfremd und nicht den Tatsachen entsprechend. Sie beantrage daher, der Berufung stattzugeben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und von der Hereinbringung der Mehrzahlung für den Monat September 1989 Abstand zu nehmen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Jänner 1990 gab die belangte Behörde der Berufung der R keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe, daß die Aufrechnungsrate gemäß § 54 KOVG 1957 auf monatlich S 100,-- herabgesetzt wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe die Berufungsangelegenheit überprüft und festgestellt, daß die Entscheidung des LIA hinsichtlich der Verpflichtung zum Ersatz den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse (monatlich ca. S 6.800,--) halte die belangte Behörde jedoch eine monatliche Rückzahlungsrate von S 100,-- für gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde (die ergänzte Beschwerde ist am 19. Juni 1990 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt). Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmungen des KOVG 1957" sowie "in ihrem Recht auf richtige Anwendung der Verwaltungsvorschriften" verletzt.
Wie sich aus der von der belangten Behörde über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegten Ablichtung der Sterbeurkunde des Standesamtes der Stadtgemeinde G vom 20. Juni 1990, Zl. 135/1990, ergibt, ist R am 18. Juni 1990 verstorben. Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes teilte das LIA mit Schreiben vom 29. Oktober 1990 mit, daß nach dem Ableben der R eine Restforderung in Höhe von S 560,-- bestanden habe. Mit Schreiben vom 19. Juli 1990 sei das Bezirksgericht G als Verlassenschaftsgericht ersucht worden, diese Forderung im Hauptinventar als Passivum einzustellen. Laut einer Mitteilung des Bezirksgerichtes G vom 25. Juli 1990 habe eine Vorlassenschaftsabhandlung laut Beschluß vom 3. Juli 1990, GZ A 313/90-2, mangels eines Nachlaßvermögens nicht stattgefunden. Seitens der Finanzprokuratur sei daher eine Abschreibung dieser Forderung wegen Uneinbringlichkeit empfohlen worden, welche seitens des LIA auch bereits durchgeführt worden sei.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes G vom 3. Dezember 1990 wurde Dr. T, Rechtsanwalt in G, zwecks Vertretung der Verlassenschaft im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Verlassenschaftskurator bestellt.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 1990 teilte Dr. T mit, daß das verwaltungsgerichtliche Verfahren fortgesetzt werden solle. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Einstellung des Verfahrens mit der Begründung beantragt, daß die aktive Beschwerdelegitimation mit der vom LIA verfügten Abschreibung der Forderung wegen Uneinbringlichkeit und der dem Verwaltungsgerichtshof übersendeten Tatsachenmitteilung am 6. November 1990, dem Datum der Zustellung des Schreibens des LIA vom 29. Oktober 1990, erloschen sei.
Die Gegenschrift wurde der beschwerdeführenden Partei zugestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. b VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es ist vorerst zur Klarstellung festzuhalten, daß R den erstinstanzlichen Bescheid nur hinsichtlich der Vorschreibung eines Rückersatzes für den Monat September 1989 mit Berufung bekämpft hat, sodaß der erstinstanzliche Bescheid hinsichtlich der Vorschreibung eines Rückersatzes für den Monat August 1989 in Rechtskraft erwachsen ist. Vor der belangten Behörde sowie nunmehr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist somit nur mehr die Frage strittig, ob R im Monat September 1989 die ihr angewiesene Zusatzrente gutgläubig empfangen hat, oder ob sie mangels guten Glaubens mit Recht zum Rückersatz des auf September 1989 (das sind S 480,--) entfallenden Überbezuges verpflichtet wurde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/09/0047).
Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung ist nun die aktive Beschwerdelegitimation (mangels "Beschwer") nicht schon mit der vom LIA verfügten Abschreibung der Forderung wegen Uneinbringlichkeit und der dem Verwaltungsgerichtshof übersendeten Tatsachenmitteilung am 6. November 1990, dem Datum der Zustellung des Schreibens des LIA vom 29. Oktober 1990, erloschen. Bei der Abschreibung einer Forderung wegen Uneinbringlichkeit handelt es sich nämlich nur um einen internen Buchungsvorgang, der als solcher - was den Bestand der Forderung betrifft - nach außen rechtlich keine Wirkungen entfaltet. In dem Schreiben des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. November 1990 an das Bezirksgericht G, in dem um die Bestellung eines Sachwalters für den ruhenden Nachlaß nach R ersucht wurde, wurde schon darauf hingewiesen, daß die im Zeitpunkt des Ablebens von R aushaftende Restforderung in Höhe von S 560,-- laut Mitteilung des LIA wegen Uneinbringlichkeit abgeschrieben worden sei. Auch in der Gegenschrift, die der beschwerdeführenden Partei zugestellt worden ist, wird unter anderem darauf hingewiesen, daß die Forderung wegen Uneinbringlichkeit abgeschrieben worden ist. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde auch mitgeteilt, daß "de iure et de facto kein rückforderbarer Übergenuß mehr (besteht), der auf welche Weise immer hereingebracht werden könnte". Mit dieser Mitteilung hat die belangte Behörde zu erkennen gegeben, daß sie auf die Geltendmachung der offenen Forderung (in Höhe von S 560,--) verzichte, und zwar auch für den Fall, daß die Verlassenschaft nachträglich zu Vermögenswerten kommen sollte.
Zu der in der Gegenschrift der belangten Behörde aufgestellten Behauptung, der vorliegenden Beschwerde mangle nach Abschreibung der Forderung wegen Uneinbringlichkeit die Beschwer, hat die beschwerdeführende Partei keine Äußerung erstattet. Jede Beschwerde setzt eine beschwerdeführende Partei und deren "Beschwer" begrifflich voraus. Das Rechtsschutzbedürfnis der beschwerdeführenden Partei besteht bei der Bescheidbeschwerde in ihrem OBJEKTIVEN INTERESSE an der Beseitigung des angefochtenen, sie beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses objektive Interesse an der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gründet in der - bereits erwähnten - Beschwer. Eine solche liegt vor, wenn das angefochtene Verwaltungshandeln vom Antrag der beschwerdeführenden Partei an die Verwaltungsbehörde zu deren Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder wenn mangels Antrages die Verwaltungsbehörde die beschwerdeführende Partei durch ihren Verwaltungsakt belastet (materielle Beschwer) - vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1988, Zl. 87/16/0119, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Durch die Abschreibung der Forderung wegen Uneinbringlichkeit wurde der angefochtene Bescheid nicht aufgehoben. Da aber für die beschwerdeführende Partei durch diese (ihr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachweislich zur Kenntnis gebrachten) Abschreibung in Verbindung mit der oben wiedergegebenen Erklärung die Beschwer wegfiel, ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 VwGG einzustellen (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Anmerkung 1 zu § 33VwGG). Die Kostenentscheidung gründet sich auf den § 58 VwGG. Wenn eine Beschwerde zwar gegenstandslos geworden ist, das Verfahren jedoch nicht wegen Klaglosstellung eingestellt wird, haben die Parteien ihre Kosten selbst zu tragen, sodaß ungeachtet der Einleitung des Vorverfahrens der beschwerdeführenden Partei Kosten nicht zugesprochen werden konnten (vgl. z.B. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1990, Zl. 88/04/0245). W i e n , am 26. Juni 1991
Schlagworte
Allgemein Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Sozialversicherung Fürsorge Kriegsopferversorgung und Opferfürsorge Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Abschreibung einer Forderung BeschwerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990090042.X00Im RIS seit
04.07.2001