Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §94 Abs1;Beachte
Besprechung in:ÖStZB 1992, 560;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 5. April 1990, Zl. 170/1-9/Nd-1990, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (in der Folge: FA I) vom 25. Jänner 1990, mit dem gegenüber der Beschwerdeführerin aus in der Folge anzuführenden Gründen Schenkungssteuer festgesetzt worden war, nicht Folge gegeben, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung:
Das Finanzamt Ried im Innkreis (in der Folge: FA II) habe anläßlich einer Betriebsprüfung bei einem Unternehmer, dem Ehegatten und Arbeitgeber der Beschwerdeführerin, 50 Prozent des ihr von ihm ausbezahlten Arbeitslohnes als Privataufwand ausgeschieden. Der darauf entfallende Lohnanteil sei dem Arbeitgeber nicht zurückgezahlt worden. Das FA II habe die anteilige Lohnsteuer im Sinn des § 240 Abs. 3 BAO der Beschwerdeführerin zurückgezahlt. Der Differenzbetrag zwischen dem vom Arbeitgeber verrechneten und auf Grund der Betriebsprüfung anerkannten Bruttolohnes betrage in den Jahren 1976 bis 1985 insgesamt S 539.315,--.
Diesen Betrag habe das FA I seinem Bescheid vom 25. Jänner 1990 als Bereicherung der Schenkungssteuerbemessung zugrundegelegt und nach Abzug des Freibetrages gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG (gegenüber der Beschwerdeführerin) Schenkungssteuer von einem steuerpflichtigen Erwerb in der Höhe von S 409.315,-- mit S 14.326,-- festgesetzt.
Gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid habe die Beschwerdeführerin rechtzeitig Berufung eingebracht und darin ausgeführt, ihr seien geldwerte Vorteile mit Schenkungssteuercharakter nicht zugeflossen. Es sei richtig, daß der Lohn teilweise als Betriebsausgabe gekürzt worden sei, außer dem Arbeitslohn habe sie jedoch keine Beträge zur Deckung der gemeinsamen Unterhaltskosten erhalten. Ihr Ehegatte habe die Kosten der gemeinsamen Lebensführung auch nicht selbst getragen, sodaß ihr Arbeitslohn zur Gänze für die Lebenshaltung habe verwendet werden müssen. Ersparnisse hätten daraus nicht gebildet werden können.
Unter Anführung der Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Z. 1 und 2 ErbStG habe die belangte Behörde über diese Berufung folgendes erwogen:
Für den hier in Rede stehenden Fall stehe fest, daß die Beschwerdeführerin im Betrieb ihres Ehegatten als nichtselbständig Erwerbstätige im maßgeblichen Zeitraum (1976 bis 1985) beschäftigt gewesen sei und in diesem Zeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhalten habe. Die Anerkennung eines derartigen Arbeitsverhältnisses mit steuerlicher Wirkung erfolge, soweit es zu fremdüblichen Bedingungen abgeschlossen worden sei. In diesem Zusammenhang sei auch festzustellen, daß Verträge zwischen nahen Angehörigen steuerliche Wirkung nur entfalten könnten, wenn sie einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt aufwiesen und nach außen hin ausreichend zum Ausdruck gebracht würden. Dasselbe gelte auch für einen Arbeitsvertrag zwischen Ehegatten.
Im konkreten Fall sei durch die Betriebsprüfung eindeutig festgestellt worden, daß durch den Ehegatten der Beschwerdeführerin nach fremdüblichen Gesichtspunkten überhöhte Arbeitslohnzahlungen geleistet worden seien, diese, soweit sie das fremdübliche Maß überstiegen, Bereicherung im Sinn des ErbStG ergäben und vom Betriebs- als Privataufwand auszuscheiden gewesen seien.
Vor diesem Hintergrund seien die Einwände der Beschwerdeführerin (kein Zufluß geldwerter Vorteile mit Schenkungscharakter, der Ehegatte habe auch nicht selbst die Kosten der gemeinsamen Lebensführung getragen und der Arbeitslohn der Beschwerdeführerin habe zur Gänze für die Lebenshaltung verwendet werden müssen) bloße, auch den vorhin angeführten Erfordernissen von Verträgen zwischen nahen Angehörigen in keiner Weise Rechnung tragende, Behauptungen.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes beantragt wird.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor. In dieser wird die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG durch die angefochtene Berufungsentscheidung in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Schenkungssteuer verletzt.
Als Beschwerdegründe (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG) bringt sie im wesentlichen vor:
Die belangte Behörde übersehe, daß Zuwendungen in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht freigebig im Sinn des § 3 Abs. 1 Z. 2 ErbStG seien (Hinweis auf das - in der Slg. Nr. 5183/F veröffentlichte - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1977, Zl. 1168/77). Auf Grund der seit 1. Jänner "1986" (richtig - siehe Art. V § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1975, BGBl. Nr. 412, über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe - 1976) geltenden Zivilrechtslage (§ 94 ABGB) habe der Ehegatte Anspruch auf Unterhalt, wobei dazu die Kosten der Wohnung, Ernährung, Bekleidung und sonstiger ähnlicher Bedürfnisse zählten. Laufende Zuwendungen zur Bezahlung des Unterhaltes und der gemeinsamen Haushaltsführung hätten niemals Schenkungscharakter.
Auch habe der OGH (Hinweis auf dessen Entscheidung vom 24. Februar 1982, AZ. 6 Ob 684/81, EvBl. 1982/127, S. 435) entschieden, bei wesentlich verschieden hohen Einkommen "zweier" berufstätiger Ehegatten müsse der mit dem höheren Einkommen dem mit dem niedrigeren die erforderlichen Mittel zuschießen, um auch diesem die Deckung der den Lebensverhältnissen beider angemessenen Bedürfnisse zu ermöglichen. Dies im vorliegenden Fall insbesondere deshalb, weil der Ehegatte der Beschwerdeführerin nicht selbst die Kosten der gemeinsamen Lebensführung getragen habe. Da der vom FA (I und II) anerkannte fremdübliche Lohn im Jahre 1985 (offensichtlich monatlich) brutto S 5.250,-- bzw. nach Abzug der Sozialversicherung netto S 4.412,-- betragen habe, habe mit diesem Nettolohn niemals der volle Unterhalt für eine aus drei Personen bestehenden Familie bestritten werden können. In den Vorjahren sei der entsprechende Nettolohn jeweils geringer gewesen, der Ehegatte habe jeweils zwischen S 260.000,-- und S 360.000,-- (vermutlich jährlich) verdient.
In Erfüllung einer gesetzlich geregelten Verpflichtung - nämlich der Unterhaltspflicht - bedürfe es keiner Verträge, sofern von der gesetzlichen Verpflichtung nicht abgewichen werde.
Der Ehegatte sei in Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Gewährung des Unterhaltes durch einen Dienstvertrag mit teilweisem Unterhaltscharakter nachgekommen, es fehle jedoch jeglicher im Sinn des § 3 ErbStG geforderter Bereicherungswille des Ehegatten (Hinweis auf Z. 2 des z.B. von Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren, Grunderwerbsteuer, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Band III, Enns-Neufassung 1983, Anmerkung 21 zu § 3 ErbStG, veröffentlichten Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 6. Juli 1982, Zl. 11 3111/2-IV/11/82).
Vorweg ist zu diesen Beschwerdegründen zu bemerken, daß der zitierte Erlaß des Bundesministers für Finanzen schon mangels Kundmachung im Bundesgesetzblatt keine für den Verwaltungsgerichtshof verbindliche Rechtsquelle darstellt.
Gemäß § 3 Abs. 1 ErbStG gilt als Schenkung im Sinne des Gesetzes
1.
jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes,
2.
jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird;
3. ... bis 8. ....
Nach § 15 Abs. 1 Z. 9 ErbStG bleiben außerdem (§ 14 ErbStG) steuerfrei Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhaltes oder zur Ausbildung des Bedachten.
Auf Grund der Systematik dieser Rechtsvorschriften weisen zwischen Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten VEREINBARTE Unterhaltszahlungen zwar freigebigen Charakter auf, sie sind bei Erfüllung des Begünstigungstatbestandes (siehe z. B. das in gleicher Weise wie die in der Folge zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Juli 1990, Zl. 89/16/0176, mit weiterem Hinweis) allerdings steuerbefreit (siehe z.B. das Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zl. 86/16/0187, ÖStZB 13/1988, S. 317, mit weiterem Hinweis).
Der seit seiner Schaffung durch das oben erwähnte Bundesgesetz (BGBl. Nr. 412/1975) unverändert gebliebene § 94 ABGB bestimmt zunächst in seinem Abs. 1, daß die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen haben.
Gemäß § 94 Abs. 2 erster Satz ABGB leistet der Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag im Sinn des Abs. 1; er hat an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind.
Nach § 94 Abs. 2 dritter Satz ABGB steht ein Unterhaltsanspruch einem Ehegatten auch zu, soweit er seinen Beitrag nach Abs. 1 nicht zu leisten vermag.
Die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgt grundsätzlich autonom durch die Ehegatten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach (siehe z.B. Pichler in Rummel, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Band2, Wien 1990, Rz 2 zu § 94).
Primär nach der Gestaltung in diesem Sinn bestimmen sich die den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse, und zwar nach Einkommen, Vermögen, Gesundheitszustand, sonstigen Sorgepflichten, und umfassen neben Nahrung, Kleidung und Wohnung auch die übrigen Bedürfnisse wie die nach Erholung, Freizeitgestaltung, medizinischer Versorgung (siehe z.B. das Erkenntnis vom 7. September 1989, Zl. 88/16/0022,
ÖStZB 15/16/1990, S. 244, und Pichler, a.a.O., Rz 3).
Wohl erfolgt die Unterhaltsbemessung unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, doch erfordert es nicht nur die "ausgleichende Gerechtigkeit", sondern auch die "Praktikabilität der Rechtsprechung", bei der Bemessung von generalisierenden Regeln auszugehen. In diesem Sinn kennt die Rechtsprechung u.a. die Regeln: Bei beiderseitigem Einkommen gebührt dem weniger verdienenden Ehegatten 40 Prozent des Nettofamilieneinkommens, abzüglich des eigenen Einkommens. Davon ist für jedes im Unterhaltsanspruch konkurrierende Kind 4 Prozent abzuziehen (siehe z.B. Pichler, a.a.O., Rz 3a).
Unterhalt ist bei aufrechter Ehe teils in natura (Nahrung, Beistellung der Wohnung u.a.) zu leisten, teils aber auch in Geld (für Bekleidung nach eigenem Geschmack, Bestreitung außerhäuslicher Bedürfnisse u.a.). "Wirtschaftsgeld" ist nicht gleich Unterhalt, sondern manchmal mehr - weil auch für andere Personen, z.B. Kinder, bestimmt -, manchmal weniger, weil Teile des Unterhaltes in natura geleistet werden (siehe z.B. Pichler, a. a.O., Rz 4).
Bereits diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde bei der Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidung die Rechtslage verkannte, zumal danach eine die Angemessenheit des Unterhaltes der Beschwerdeführerin nicht überschreitende Vereinbarung zwischen den Ehegatten möglich ist, auf Grund derer die Beschwerdeführerin zumindest im Ergebnis mit dem nur als Privataufwand anerkannten Teil des ihr vom Ehegatten ausgezahlten Arbeitslohnes ihre - angemessenen bzw. gesetzlichen (siehe z.B. das von der Beschwerdeführerin zutreffend zitierte Erkenntnis vom 8. November 1977) - Unterhaltsbedürfnisse befriedigen sollte. Soweit die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde, und zwar nach dem aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitenden Neuerungsverbot unzulässig, vom vollen Unterhalt für eine aus DREI Personen bestehenden Familie spricht, stellt sie eine in Richtung "Wirtschaftsgeld" gehende zusätzliche Behauptung auf. In der Berufung führte sie - wie bereits oben dargestellt - aber schon aus, sie habe außer dem Arbeitslohn keine Beträge zur Deckung der gemeinsamen Unterhaltskosten erhalten. Der Ehegatte habe auch nicht ...
An dieser Stelle ist zu bemerken, daß die Beschwerdeführerin nach Lage der vorgelegten Verwaltungsakten ihre Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht nur in ihrer Berufung erfüllen konnte (von der Möglichkeit der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung machte das FA I nicht Gebrauch).
Obwohl bei Begünstigungstatbeständen (hier im Sinn des zitierten Erkenntnisses vom 12. Juli 1990 der des § 15 Abs. 1 Z. 9 ErbStG) der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund tritt (aber keineswegs völlig aufgehoben wird), hätte die belangte Behörde auf Grund des oben angeführten Berufungsvorbringens die Beschwerdeführerin vor Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidung doch (zumindest einmal) auffordern müssen, die für die angestrebte Begünstigung sprechenden Umstände einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels darzulegen, und danach auf Grund des gegebenen Sachverhaltes zu prüfen gehabt, ob der dem erwähnten Fremdvergleich nicht standhaltende Anteil des Arbeitslohnes der Beschwerdeführerin zum Zweck ihres angemessenen Unterhaltes zufloß oder nicht bzw. ob ein Teil dieses Arbeitslohnanteiles zur (teilweisen) Befriedigung der Bedürfnisse des Ehegatten diente oder nicht.
Die angefochtene Berufungsentscheidung ist daher wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990160096.X00Im RIS seit
27.06.1991Zuletzt aktualisiert am
09.06.2011