Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Johann N gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Dezember 1990, Zl. 31.120/12-III/A/1/90, betreffend Abweisung eines Ansuchens um Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 des Zolltarifgesetzes 1988 in Verbindung mit der Zollbegünstigungsliste, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Dezember 1990 wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 des Zolltarifgesetzes 1988 in Verbindung mit der Zollbegünstigungsliste in bezug auf 18 Rinder, welche sich nicht im Zuchtbetrieb des Beschwerdeführers befinden, auf Grund der dem Beschwerdeführer "im Verwaltungsverfahren bekanntgegebenen Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft", welche vom Beschwerdeführer "im übrigen unbeeinsprucht geblieben" seien, mit nachstehender Begründung abgewiesen: Das vom Beschwerdeführer an Herrn "X, Steiermark", weiterverkaufte männliche Tier habe zum Zeitpunkt des Importes das Alter von einem Jahr noch nicht erreicht, was schon auf Grund einschlägiger landesgesetzlicher Vorschriften eine Grundbedingung für die Verwendung zur Zucht wäre; überdies sei im Zeitpunkt des Importes der Zuchtbetrieb X nicht Mitglied eines Fleischrinderzuchtverbandes gewesen. Es sei somit für dieses Tier eine Erfüllung von Verpflichtungen bei Zollbegünstigungen gemäß § 41 des Zollgesetzes 1988 nicht erfüllt. Die neun weiblichen Zuchtrinder, die vom Beschwerdeführer an den Zuchtbetrieb Hans A weiterverkauft worden seien, seien zum Zeitpunkt ihrer Einfuhr auf Grund des geringen Lebensalters weder trächtig noch mit einem Saugkalb bei Fuß gewesen. Dies widerspreche gleichfalls den obzitierten Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, und im übrigen werde somit gleichfalls die Voraussetzung des § 41 des Zollgesetzes 1988 nicht erfüllt. Die vom Beschwerdeführer an Zuchtbetriebe in Oberösterreich weiterverkauften weiblichen Galloway-Rinder (2 Stück an Alois B; 6 Stück an den Zuchtbetrieb Reinhard D) seien im Zeitpunkt der Einfuhr wegen des geringen Lebensalters nicht trächtig gewesen bzw. hätten kein Kalb bei Fuß gehabt. Damit würden diese Tiere ebenfalls nicht die Richtlinien des Bundesministeriums erfüllen; in weiterer Folge seien die Bedingungen des § 41 des Zollgesetzes 1988 ebenso nicht erfüllt. Der Einwand des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom 7. Dezember 1990, der Zuchtbetrieb von Frau Anna E hätte Tiere der in Rede stehenden Rasse selbständig importiert und für dieselben sehr wohl eine Zollbestätigung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft erhalten, sei im Ministerium mit dem Ergebnis geprüft worden, daß anhand der kanzleimäßigen Aufzeichnungen, beginnend mit 1987 bis dato, kein einschlägiger Zollbestätigungsantrag vom vorerwähnten Zuchtbetrieb habe festgestellt werden können. Das Bundesministerium habe bei der Feststellung, wie viele der beantragten reinrassigen Zuchttiere im Zuchtbetrieb des Beschwerdeführers zur Zucht verwendet werden, im Zweifel dessen Angaben herangezogen, obwohl die zur Ermittlung ersuchten Landwirtschaftskammern der bezüglichen Bundesländer zu anderen Ergebnissen gelangt seien.
Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß der Zollbegünstigungsliste im Sinne des § 4 des Zolltarifgesetzes 1988 (Seite 1274 ff des Bundesgesetzblattes des Jahres 1987) ist die Einfuhr reinrassiger Zuchttiere sowie anderer Zuchttiere zollfrei, wenn eine Bestätigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Notwendigkeit der Einfuhr zur Förderung der inländischen Viehzucht erteilt wird. Zum Begriff "reinrassiges Zuchttier" im Sinne des Zolltarifgesetzes 1988 ist zu bemerken, daß der Zolltarif unter Nr. 0102 den Begriff "Rinder, lebend" und unter der Untergruppe 10 den Begriff "reinrassige Zuchttiere" enthält, wobei laut Fußnote 2 zur letztgenannten Bestimmung hiebei eine Bestätigung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vorzulegen ist, daß sie für andere Zwecke als zum Schlachten bestimmt sind. Die Anmerkung 1 zum Abschnitt I des Zolltarifes bestimmt, daß in diesem Abschnitt durch die Anführung einer bestimmten Tiergattung oder Tierart, vorbehaltlich gegenteiliger Bestimmungen, auch die betreffenden Jungtiere erfaßt werden.
Wie schon im hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1990, Zl. 89/18/0170, ausgeführt worden ist, fallen mangels einer gegenteiligen Bestimmung unter den Begriff "Rinder, lebend, reinrassige Zuchttiere" auch die betreffenden Jungtiere, wie z. B. Kälber und Kälber bei Fuß. Ferner hat der Gerichtshof in diesem Erkenntnis die Auffassung vertreten, es könnte der Förderung der inländischen Viehzucht dienen, Jungtiere begünstigt einzuführen, die zur späteren Zucht geeignet sind. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffene Feststellung, ein bestimmtes männliches Tier habe im Zeitpunkt des Importes das Alter von einem Jahr noch nicht erreicht, und die neun weiblichen Zuchtrinder seien im Zeitpunkt ihrer Einfuhr auf Grund des geringen Lebensalters weder trächtig noch mit einem Saugkalb bei Fuß gewesen, vermögen daher die Abweisung des Ansuchens des Beschwerdeführers nicht zu stützen, wobei in Erwiderung auf die in diesem Zusammenhang erwähnten "Richtlinien des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft" daran zu erinnern ist, daß der Gerichtshof bereits in dem erwähnten Erkenntnis unter Berufung auf Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 6. Aufl., Rz. 594, darauf hingewiesen hat, daß derartige "Richtlinien" keine die Rechtsunterworfenen bindenden Normen, sondern bloß Weisungen innerhalb der Behördenorganisation darstellen. Der Gerichtshof hat daher die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf der Grundlage dieser mit der Gegenschrift vorgelegten "Richtlinien bzw. Bedingungen" des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft "für die Zollfreistellung von Zuchtrindern gemäß Anmerkung 2 zu Kapitel 1 des Zolltarifgesetzes 1958, BGBl. Nr. 74" zu prüfen, weshalb die darin vertretene Auffassung, daß "die eingeführten weiblichen Zuchtrinder zum Zeitpunkt des Importes trächtig sein oder ein Kalb bei Fuß haben müssen", im vorliegenden Zusammenhang schon aus diesem Grund nicht entscheidend sein kann.
Im übrigen kann die belangte Behörde auch mit ihrem Hinweis auf die Nichterfüllung der sich aus § 41 des Zollgesetzes 1988 ergebenden Verpflichtungen für ihren Standpunkt nichts gewinnen, weil eine bestimmungsgemäße Verwendung der Tiere im Sinne des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, im vorliegenden Fall also deren Verwendung für Zuchtzwecke, entsprechend dem Vorgesagten nicht notwendig voraussetzt, daß die Tiere bereits im Zeitpunkt der Einfuhr zur Zucht verwendet werden können.
In dieser Hinsicht läßt die Begründung des angefochtenen Bescheides keine abschließende Beurteilung zu, weshalb davon auszugehen ist, daß die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt hat, bei deren Vermeidung sie zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, wobei noch, so wie schon in dem dieselbe belangte Behörde betreffenden erwähnten hg. Erkenntnis, darauf hinzuweisen ist, daß auch eine umfangreiche Gegenschrift die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu ersetzen vermag.
Aus prozeßökonomischen Gründen soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß sich für die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Auffassung, es liege im Beschwerdefall eine Ermessensentscheidung vor, in den hier maßgeblichen Rechtsvorschriften keine Anhaltspunkte finden lassen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz (im beantragten Ausmaß) gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991180045.X00Im RIS seit
11.07.2001