TE Vfgh Beschluss 1988/11/28 V178/88, V179/88

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Veröffentlicht am 28.11.1988
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; geschäftsordnender Charakter eines Beschlusses des Kammervorstandes der Ärztekammer für Steiermark - keine Rechtsverordnung; Zurückweisung des Individualantrages wegen Nichtzuständigkeit des VfGH

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Mit einer zwar als Beschwerde bezeichneten, jedoch ausdrücklich auf Art139 B-VG gegründeten und den Umständen nach als Individualantrag zu wertenden Eingabe begehrt Dr. A K, der VfGH möge erkennen,

"a)

daß (er) ... durch den Beschluß des Kammervorstandes der Ärztekammer f. Stmk. vom 24.3.1988 und durch den Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer f. Stmk. vom 23.6.1988 in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, namentlich in den Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums, sowie durch die Anwendung verfassungswidriger Verordnungsbestimmungen verletzt wurde,

b)

daß beide Beschlüsse gesetzwidrig sind,

c)

die angefochtenen Beschlüsse zur Gänze aufheben,

..."

Die angefochtenen Beschlüsse seien als Verordnungen anzusehen, die unmittelbar in seine Rechte eingreifen.

1.2. Das Protokoll des Kammervorstandes vom 24. März 1988 laute:

"Im Kammervorstand am 24. März 1988 moniert Dr. P, daß sowohl Funktionäre, als auch Angestellte in Publikationen angegriffen werden. P beantragt daher, daß in Hinkunft seitens der Kammer alle Instrumente des Rechtsstaates eingesetzt werden, um die Ehre des Betreffenden wiederherzustellen.

Es wird nachfolgender Antrag gestellt:

Wenn sich in Publikationen, Medien, mündlichen Äußerungen gegenüber einer größeren Personenzahl oder in Strafanzeigen etc. Anzeichen für einen strafrechtlich zu ahndenden Tatbestand, begangen gegenüber Funktionären oder Mitarbeitern der Ärztekammer für Steiermark, finden, ist zunächst ein Anwalt mit der Prüfung des Sachverhaltes und der rechtlichen Möglichkeiten zu beauftragen. Sind konkrete Möglichkeiten gegeben, entscheidet der Vorstand unter Beachtung der Bestimmungen des Ärztegesetzes (Schlichtungsverfahren, Disziplinarverfahren) über die Einleitung allfälliger rechtlicher Schritte. Bei Terminverzug erfolgt die Entscheidung präsidialiter, mit nachträglicher Berichterstattung an den Vorstand.

Diesem Antrag tritt Dr. H bei.

Beschluß: Mit 1 Gegenstimme angenommen."

1.3. In der Vollversammlung vom 23. Juni 1988 sei beschlossen worden, diesen Beschluß des Kammervorstandes vom 24. März 1980 "so lange aufrecht zu erhalten, bis die Rechtswidrigkeit durch die nachprüfende Tätigkeit der Aufsichtsbehörde, ob dieser Beschluß des Organes Kammervorstand dem Ärztegesetz entspreche oder ein Verstoß gegen das Ärztegesetz darstelle, festgestellt sei".

1.4. Inhaltlich bedeute der Beschluß des Kammervorstandes vom 24. März 1988 die Gewährung einer Art Rechtsschutz für Kammerfunktionäre und Kammerbedienstete. Formell überschreite der Kammervorstand mit diesem Beschluß seine Kompetenzen; materiell bewirke der Beschluß einen Eingriff in die freie Entscheidung von Kammerfunktionären oder Kammerbediensteten, da diesen gegen ihren Willen eine Prüfung des Falles durch den Vorstand unter Zuziehung eines Rechtsanwaltes aufgezwungen werden könne. Weder der Beschluß des Kammervorstandes noch der Beschluß der Vollversammlung fänden im Ärztegesetz Deckung. Da die Kosten der beschlossenen Rechtsschutzgewährung von allen Kammerangehörigen in Form der Umlage zu tragen seien, liege eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vor. Außerdem sei das Gleichheitsgebot verletzt, da durch die Beschlüsse auf Kosten aller Kammerangehörigen Rechtsschutz nur zugunsten einer kleinen Anzahl von Kammerfunktionären und Kammerbediensteten gewährleistet werde.

2. Das Begehren ist nicht zulässig.

Bei den Beschlüssen des Kammervorstandes vom 24. März 1988 und der Vollversammlung vom 23. Juni 1988 handelt es sich weder um Bescheide noch um Verordnungen.

Der Beschluß des Kammervorstandes vom 24. März 1988 erschöpft sich in einer Meinungsbildung dieses Organs, wie bei grob gesprochen - ehrenrührigen Angriffen auf Kammerfunktionäre oder Kammerbedienstete vorgegangen werden soll. Dem Beschluß kommt ausschließlich im Innenverhältnis des in Rede stehenden Kammerorgans Bedeutung zu; er hat daher lediglich geschäftsordnenden Charakter. Da ihm allgemeine Anordnungen nicht zu entnehmen sind (vgl. VfSlg. 1283/1929), ist er nicht als Rechtsverordnung zu qualifizieren (vgl. VfSlg. 7941/1976, 9409/1982, 10024/1984). Ein Beschluß dieser Art kann nach Art139 B-VG nicht bekämpft werden.

Der Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark vom 23. Juni 1988 beschränkt sich inhaltlich darauf, den Beschluß des Kammervorstandes vom 24. März 1988 nicht zu annullieren. Eine darüber hinausgehende Aussage ist dem Beschluß der Vollversammlung der Ärztekammer für Steiermark nicht zu entnehmen. Auch dabei handelt es sich offenkundig um keine Rechtsverordnung. Ein Antrag nach Art139 B-VG ist somit auch insoferne unzulässig.

3. Zu bemerken bleibt, daß eine Umdeutung der Eingabe in eine Beschwerde nach Art144 B-VG schon im Hinblick auf die ausdrückliche Erklärung des Antragstellers, daß die in Rede stehenden Beschlüsse von ihm als Verordnungen gewertet und angefochten werden, nicht in Frage kommt. Abgesehen davon wäre eine im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Eingabe nach Art144 B-VG erhobene Beschwerde verspätet gewesen.

4. Die Eingabe war daher zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Verordnungsbegriff, VfGH / Prüfungsgegenstand, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1988:V178.1988

Dokumentnummer

JFT_10118872_88V00178_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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