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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StGB §46 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Präsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, DDr. Jakusch und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Friedrich N gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 20. November 1990, Zl. 412.577/19-57/90, betreffend Überstellung in den Entlassungsvollzug, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Berufungsbescheid vom 20. November 1990 gab der Bundesminister für Justiz der Berufung des Beschwerdeführers gegen die Entscheidung des Leiters der Strafvollzugsanstalt Stein vom 29. Mai 1990, dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht am 1. Juni 1990, mit dem die Überstellung des Beschwerdeführers in den Entlassungsvollzug mit Wirkung vom 8. Juni 1990 abgelehnt worden war, keine Folge. In der Begründung hiezu führte der Bescheid (unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 und 3 StGB und § 145 Abs. 2 StVG) im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer seit seinem 19. Lebensjahr regelmäßig strafbare Handlungen, insbesondere Eigentumsdelikte und Urkundenfälschungen, begehe und zu befürchten sei, daß er auch nach der Haftentlassung wieder strafbare Handlungen begehen werde, zumal er wiederholt einschlägig rückfällig geworden sei; daher sei mit einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers gemäß § 46 Abs. 2 StGB zum frühest möglichen Zeitpunkt nicht zu rechnen; daran vermöge auch die bisher gute Führung und Arbeitsleistung des Beschwerdeführers während seines Strafvollzuges nichts zu ändern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts erhobene Beschwerde. Darin erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, in den Entlassungsvollzug aufgenommen zu werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 46 Abs. 2 StGB ist einem Rechtsbrecher, wenn er zwei Drittel der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe, mindestens aber drei Monate verbüßt hat, der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, es sei denn, daß besondere Gründe befürchten lassen, der Rechtsbrecher werde in Freiheit weitere strafbare Handlungen begehen.
Nach § 46 Abs. 3 StGB sind bei jeder Entscheidung über eine bedingte Entlassung die Person des Rechtsbrechers, sein Vorleben, seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen und seine Aufführung während der Vollstreckung sowie der Umstand zu berücksichtigen, ob es aus besonderen Gründen der Vollstreckung des Strafrestes bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Gegebenenfalls ist die bedingte Entlassung nur in Verbindung mit anderen Maßnahmen auszusprechen.
Nach § 144 Abs. 1 StVG sind die Strafgefangenen vor der Entlassung zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit im vermehrten Ausmaß erzieherisch (§ 56) und fürsorgerisch zu betreuen. Nach Abs. 2 sind Strafgefangenen, von denen zu erwarten ist, daß sie die Lockerungen nicht mißbrauchen werden, soweit dies nach den Einrichtungen der Anstalt möglich ist, im Entlassungsvollzug eine oder mehrere (im Gesetz näher bezeichnete) Lockerungen zu gewähren.
Nach § 145 Abs. 1 StVG beginnt der Entlassungsvollzug je nach Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe drei bis zwölf Monate vor der voraussichtlichen Entlassung. Ist der Anstaltsleiter der Auffassung, daß der Strafgefangene voraussichtlich bedingt entlassen wird, so ist nach Abs. 2 leg. cit. im Sinne des Abs. 1 (des § 145 StVG) der Zeitpunkt der voraussichtlichen bedingten Entlassung maßgeblich.
Die Reform der bedingten Entlassung und damit verbunden auch die des sogenannten Entlassungsvollzuges bildete einen Schwerpunkt des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. Nr. 605. Die materiellrechtlichen Bestimmungen für die bedingte Entlassung finden sich in § 46 StGB, die notwendigen Verfahrensbestimmungen enthalten die §§ 152 und 152 a StVG. Die Entscheidung über die bedingte Entlassung obliegt dem Vollzugsgericht. Der sogenannte "Entlassungsvollzug" (als "Vorbereitung der Entlassung", vgl. Überschrift über den vierten Unterabschnitt des dritten Abschnittes des dritten Teiles des StVG) ist in den §§ 144 und 145 StVG geregelt und wird durch Organe der Justizverwaltung besorgt.
Nach § 145 StVG verfügt der Anstaltsleiter die Überstellung des Strafgefangenen in den Entlassungsvollzug; dieser hat eine "voraussichtliche" bedingte Entlassung in seine Überlegungen einzubeziehen. Soweit daher die Beschwerde ausführt, daß "dem Leiter der Strafvollzugsanstalt Stein und in weiterer Folge dem Bundesministerium für Justiz als belangte Behörde ... kein Vorprüfungsrecht hinsichtlich meiner bedingten Entlassung zusteht", übersieht sie den klaren Gesetzeswortlaut des § 145 Abs. 2 Satz 1 StVG, der ausdrücklich den Anstaltsleiter verpflichtet, eine voraussichtliche bedingte Entlassung als ein Kriterium der Anordnung des Entlassungsvollzuges zu berücksichtigen.
Nach Ausweis der Akten hat der Anstaltsleiter mit Entscheidung vom 29. Mai 1990 gemäß § 145 Abs. 2 StVG in der Fassung des obzitierten Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 in Verbindung mit § 46 Abs. 1 und 2 StGB ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer mit Wirkung vom 8. Juni 1990 (das ist jener Tag, an dem der Beschwerdeführer zwei Drittel der im Urteil verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat) nicht in den Entlassungsvollzug überstellt wird. Diese Entscheidung stützte sich einerseits auf das Nichtvorliegen "der gemäß § 46 Abs. 3 StGB geforderten Voraussetzungen", andererseits auf die "bereits vorliegenden ablehnenden Beschlüsse der Vollzugsgerichte I. und II. Instanz"; ausdrücklich wird jedoch auf die sehr gute Führung und Arbeitsleistung des Beschwerdeführers hingewiesen.
Der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde setzt sich ausführlich mit den nach § 145 StVG maßgeblichen Kriterien auseinander. Danach sei auf Grund des Vorlebens des Beschwerdeführers, insbesondere wiederholter einschlägiger Verurteilungen (gewerbsmäßige Tatbegehung), mit einer bedingten Entlassung durch das Vollzugsgericht nicht zu rechnen; auch sei der Beschwerdeführer immer wieder einschlägig rückfällig geworden und daher damit zu rechnen, daß er auch nach der Haftentlassung wieder strafbare Handlungen begehen werde.
Die belangte Behörde ist nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie angesichts der von ihr getroffenen, unbekämpft gebliebenen Feststellungen über das Vorleben des Beschwerdeführers zu einer für ihn ungünstigen Prognose im Sinne des § 46 Abs. 3 StVG gekommen ist.
Die Beschwerde war sohin als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1991180017.X00Im RIS seit
28.06.1991