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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §33 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Karl S in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Oktober 1990, Zl. III-4033/90, betreffend Übertretung des Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 2 EGVG 1950 für schuldig erkannt, weil er sich am 11. Dezember 1988 gegen 02.50 Uhr in Hard auf der Landstraße in Höhe des Birkengrabens ungeachtet vorausgegangener Abmahnung durch ein Organ der öffentlichen Aufsicht, das sich in rechtmäßiger Ausübung seines Dienstes befand, ungestüm benommen habe, indem er die Gendarmeriebeamten als "Arschlöcher, Schweine u.ä." bezeichnet und gedroht habe, sie zusammenzuschlagen. Die Behörde verhängte deshalb über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und bestimmte den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens mit S 200,--. Die im Schuldspruch umschriebene Tat hielt die belangte Behörde aus den bereits von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz angeführten Gründen für erwiesen: Das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers sei von zwei geschulten Organen der Straßenaufsicht unmittelbar wahrgenommen worden. Sie hätten die diesbezüglichen Angaben in der Anzeige bei ihrer Vernehmung als Zeugen vor der Erstbehörde vollinhaltlich bestätigt. Ihre Aussagen seien widerspruchsfrei und glaubwürdig. Der vom Beschwerdeführer geführte Entlastungszeuge habe über den Tathergang keine konkreten Angaben machen können. Die Behörde sehe keine Veranlassung, an den Angaben der als Zeugen vernommenen Gendarmeriebeamten zu zweifeln.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid zunächst deshalb für rechtswidrig, weil dieser erst am 9. Oktober 1990 und damit nach Meinung des Beschwerdeführers nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 51 Abs. 5 VStG 1950 (in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 358/1990) erlassen worden sei. Die Einbringung einer Berufung sei mit der Postaufgabe gleichzusetzen. Da im vorliegenden Fall die Berufung bereits am 6. Oktober 1989 zur Post gegeben worden sei, habe die Jahresfrist nach § 51 Abs. 5 VStG 1950 am 6. Oktober 1990 geendet. Eventualiter bringt der Beschwerdeführer vor, der Berufungsschriftsatz sei laut vorgelegter Postbestätigung am 7. Oktober 1989 "bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (in deren Postfach) eingelangt", weshalb die besagte Frist allenfalls mit diesem Tag begonnen habe. Daß die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Brief erst zwei Tage später behoben habe, ändere daran nichts.
Gemäß § 51 Abs. 5 VStG 1950 in der besagten Fassung gilt der (mit Berufung) angefochtene Bescheid als aufgehoben und ist das Verfahren einzustellen, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb eines Jahres ab Einbringung der Berufung erlassen wird. Diese Frist läuft ab dem Einlangen der Berufung bei der Behörde erster Instanz und nicht ab dem Tag der Postaufgabe der Berufung (siehe etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1985, Slg. 11790/A, und vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0194). Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Auffassung ungeachtet des Vorbringens des Beschwerdeführers fest, sie widerspreche dem klaren Begriff der "Einbringung", denn - so die Beschwerde weiter - wenn ihm der Gesetzgeber die besagte Bedeutung hätte geben wollen, hätte er das Wort "Empfang" und nicht den - eindeutig auf den Absender bezogenen - Begriff "Einbringung" verwendet. Abgesehen davon, daß dieser Begriff nicht die ihm vom Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang beigemessene Eindeutigkeit besitzt, darf nicht übersehen werden, daß der Begriff "Einbringung" in § 51 Abs. 5 VStG 1950 nicht losgelöst von dem (gemäß § 24 VStG 1950 anzuwendenden) § 63 Abs. 5 AVG 1950 (in der hier maßgebenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/90) gesehen werden darf. Nach dieser Bestimmung ist die Berufung "bei der Behörde", die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, einzubringen. Diese Ausdrucksweise zeigt, daß das Gesetz im gegebenen Zusammenhang nicht auf die Übergabe der Berufung an die Post, sondern auf das Einlangen der Berufung bei der Behörde abstellt, weshalb es der Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 3 AVG 1950 bedarf, um die Übergabe der Sendung an die Post, was die Wahrung der Rechtsmittelfrist anlangt, dem Einbringen des Rechtsmittels bei der Behörde gleichzuhalten. Im übrigen ist auch deshalb auf das Einlangen des Rechtsmittels bei der Behörde und nicht auf die Übergabe der Sendung an die Post (die insoweit nur als verlängerter Arm der Partei anzusehen ist) abzustellen, weil es hier um eine von der Behörde zu wahrende Frist geht und es daher auf den Zeitpunkt des Zukommens und der erst dadurch gegebenen Dispositionsmöglichkeit der Behörde über das Rechtsmittel ankommt. Nicht verständlich ist das Argument des Beschwerdeführers, "es sollen eben alle Risiken des Transportes der öffentlichen Hand aufgebürdet werden, die ja auch aufgrund der öffentlich-rechtlichen Organisation des Postwesens dafür ohne weiteres die Verantwortung übernehmen kann": Von einem "Risiko" kann nämlich im Zusammenhang mit der Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG 1950 nur auf seiten der Strafbehörde, nicht jedoch auf seiten der Partei die Rede sein. Dem Vorbringen schließlich, das Einlegen der Sendung in das Postfach der Behörde beim Zustellpostamt sei dem Einlangen bei der Behörde selbst gleichzuhalten, kann im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gefolgt werden, weil dieser Umstand auf einen Samstag, den 7. Oktober 1989, fiel, und es der Erstbehörde daher erst am folgenden Montag, dem 9. Oktober 1989, möglich war, die Sendung abzuholen. Bei dem damit im Zusammenhang stehenden Einwand, auch ein Beschuldigter sei nicht "exculpiert, wenn er ein Schriftstück zwei Tage nach der Hinterlegung bei der Post behebt und dann von dort ab die Berufungsfrist berechnet", läßt der Beschwerdeführer außer acht, daß dies eben die Konsequenz der Regelungen des Zustellgesetzes über die Zustellung durch Hinterlegung ist, im vorliegenden Fall aber, in dem es um eine Zustellung von der Partei an die Behörde geht, dieses Gesetz nicht anzuwenden ist (vgl. seinen § 1 Abs. 1).
Da die Berufung des Beschwerdeführers bei der Erstbehörde laut Eingangsstempel am 9. Oktober 1989 einlangte, begann die Jahresfrist nach § 51 Abs. 5 VStG 1950 mit diesem Tag zu laufen. Sie endete daher gemäß § 32 Abs. 2 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) mit 9. Oktober 1990. An diesem Tag wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers der angefochtene Bescheid zugestellt, er wurde daher noch vor Ablauf der Frist gemäß § 51 Abs. 5 VStG 1950 erlassen.
Soweit der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Gegenüberstellung mit den Belastungszeugen (und damit ein Fragerecht) geltend macht und in diesem Zusammenhang die Geltung des österreichischen Vorbehaltes zu Art. 5 (zu ergänzen: und 6) MRK in Frage stellt, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach ein abstraktes Recht auf Gegenüberstellung im Verwaltungsstrafverfahren nicht besteht und der Vorbehalt auch den Art. 6 MRK umfaßt (vgl. zu beidem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 8. Mai 1987, Slg. 12466/A). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch aus der Sicht des vorliegenden Falles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Davon abgesehen läßt das Beschwerdevorbringen, es ergebe sich "aus der Strafanzeige insgesamt eine deutliche Zweifelhaftigkeit der Gesamttendenz der Strafanzeige" und es komme "für die strafrechtliche Bewertung eines selbst allenfalls vorliegenden Tatbestandes noch auf Einzelheiten an, die im vorliegenden Akt mit seiner dürftigen Sachverhaltsfeststellung keineswegs im einzelnen dargestellt sind", mangels näherer Konkretisierung nicht erkennen, daß und weshalb in dem gerügten Unterbleiben der Gegenüberstellung mit den zwei Gendarmeriebeamten ein relevanter Verfahrensmangel gelegen sein soll.
Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, ist sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, die gemäß ihrem Art. III Abs. 2 hier anzuwenden ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1991:1990100204.X00Im RIS seit
01.07.1991