TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/1 89/10/0196

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Veröffentlicht am 01.07.1991
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Index

L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Burgenland;
L80001 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Burgenland;

Norm

Entwicklungsprogramm Unteres Pinkatal Stremtal 1977 §13 Abs6;
Entwicklungsprogramm Unteres Pinkatal Stremtal 1977 §5;
NatSchG Bgld 1961 §19 Abs2;
RPG Bgld 1969 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Puck, Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des Dr. Günter H in G, vertreten durch Dr. R Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 26. Juli 1989, Zl. IV-1580/4-1988, betreffend Versagung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers um die nachträgliche naturschutzbehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Zubaues zum bestehenden Weinkeller in der KG Heiligenbrunn, Grundstücksnummer n1, gemäß § 19 Abs. 2 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes (in der Folge: NSchG) und § 3 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 4. Juni 1969, mit der das "Kellerviertel" in der KG Heiligenbrunn zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wird, LGBl. 1969/28, in Verbindung mit § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes und § 13 Abs. 6 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 8. Juni 1977, mit der ein Entwicklungsprogramm für das "Untere Pinka- und Stremtal" erlassen wird, LGBl. 1977/22, in der Fassung der Verordnung LGBl. 1989/29, als dem Flächenwidmungsplan der Gemeinde Heiligenbrunn widersprechend ab.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 9. April 1986 um die nachträgliche naturschutzbehördliche Genehmigung für den im März 1986 auf dem im Spruch bezeichneten Grundstück errichteten Zubau zum bestehenden Weinkeller angesucht. Dabei handle es sich um einen Anbau aus Holz an der Längsseite des Kellers mit einer Grundfläche von 3 x 1,5 m. Das gegenständliche Grundstück liege im Landschaftsschutzgebiet "Kellerviertel Heiligenbrunn" und sei im Flächenwidmungsplan als "Grünfläche-Sonderzone" ausgewiesen. Gemäß § 19 Abs. 2 NSchG in Verbindung mit § 3 der Verordnung LBGl.1969/28 sei im bezeichneten Landschaftsschutzgebiet vom Bauwerber vor Einholung der Baubewilligung die Zustimmung der Landesregierung zu erwirken. Gemäß § 20 Abs. 1 des Raumplanungsgesetzes habe der genehmigte Flächenwidmungsplan die Folge, daß Bewilligungen von sich auf das Gemeindegebiet auswirkenden Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften (also auch naturschutzrechtlicher Vorschriften) nur zulässig seien, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprächen. In der "Grünflächen-Sonderzone" dürften Zu- und Umbauten der bestehenden Keller nur zum Zwecke des Buschenschankes oder für Sanitäranlagen und nur in der jeweiligen Art und im unbedingt notwendigen Ausmaß unter WAHRUNG DES CHARAKTERS der Zone vorgenommen werden (§ 13 Abs. 6 des Entwicklungsprogrammes für das "Untere Pinka- und Stremtal").

Über das Ansuchen des Beschwerdeführers sei am 11. Juni 1987 eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchgeführt worden, in der der Amtssachverständige für Landschaftsschutz folgende Stellung abgegeben habe:

"Der bereits errichtete Zubau befindet sich in einem Kellerviertel, in dem die alten Weinkeller ein wesentlicher Bestandteil der Landschaft sind und das Landschaftsbild in besonderem Maße prägen. Diese Keller erhalten ihre besondere Bedeutung dadurch, daß sie schon seit altersher der Bewirtschaftung von Weingartenflächen dienen, einheitliche klare Form, einheitliche Baumaterialien sowie eine harmonische Anordnung zueinander aufweisen. Gerade diese historische Bauform muß als Maßstab genommen werden, da diese reizvollen alten Keller das Bild der lieblichen Landschaft prägen. Die alten Weinkeller besitzen eine einfache rechteckige Grundrißform, die Wände bestehen aus Holz, sind mit Lehm beworfen und außen mit Kalk getüncht. Das Dach ist als steil geneigtes Satteldach ausgebildet, das in der ursprünglichen Form mit Stroh gedeckt war. Keller, die in späterer Zeit entstanden sind, wurden meist mit modernen Baumaterialien ausgeführt, jedoch wurde die äußere gestalterische Form der alten Keller beibehalten. So wurden die Dächer z.B. mit Tondachziegeln gedeckt und die Wände in Massivbauweise ausgeführt. Ein typisches Merkmal ist insbesondere sowohl bei den alten wie auch bei den in späterer Zeit entstandenen Kellern DAS FEHLEN VON ZUBAUTEN. Der gegenständliche Zubau verändert die oben beschriebene äußere Gestaltung des bestehenden Weinkellers ganz entscheidend und widerspricht dem Charakter des Kellerviertels mit seiner historischen, künstlerischen und kulturellen Qualität."

Aus den Ausführungen des Sachverständigen gehe unmißverständlich hervor, daß durch den bereits errichteten Zubau der Charakter der Zone nicht mehr gewahrt werde und somit eine wichtige Voraussetzung des § 13 Abs. 6 des Entwicklungsprogrammes nicht vorliege. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen vom 30. Juni 1987 seien "irrelevant". Da ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan der Gemeinde Heiligenbrunn gegeben sei, habe das Ansuchen abgewiesen werden müssen.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1.1. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß das Grundstück des Beschwerdeführers im "Kellerviertel" in der KG Heiligenbrunn liegt und im genehmigten Flächenwidmungsplan der Gemeinde die Widmung "Grünfläche-Sonderzone" aufweist. Auf Grund des Burgenländischen Naturschutzgesetzes, LGBl. 1961/23, wurde dieses Gebiet mit Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 4. Juni 1969, LGBl. 1969/28, zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. § 3 dieser Verordnung bestimmt:

"In dem in § 1 bezeichneten Gebiet ist bei sämtlichen Bauvorhaben vom Bauwerber vor Einholung der Baubewilligung die Zustimmung der Landesregierung zu erwirken. Die Landesregierung kann diese Zustimmung nur verweigern, wenn durch das Bauvorhaben das Landschaftsbild in einer dem Sinne dieser Verordnung abträglichen Weise beeinflußt wird."

2.1.2. Im Beschwerdefall sind ferner Bestimmungen des burgenländischen Raumplanungsrechtes relevant.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes, LGBl. 1969/18, hat die Landesregierung durch Verordnung Entwicklungsprogramme aufzustellen. Ein Entwicklungsprogramm hat nach § 7 Abs. 2 des Raumplanungsgesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. 1981/20 die den Gegebenheiten der Natur, den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernissen entsprechenden Zielsetzungen der planmäßigen und vorausschauenden Gesamtgestaltung des Landesgebietes oder einzelner Landesteile festzulegen und soll die zu ihrer Erreichung erforderlichen Maßnahmen aufzeigen. Es hat auch Grundsätze der örtlichen Raumplanung zu enthalten. Gemäß § 10 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes ist ein Entwicklungsprogramm für die örtliche Raumplanung der im Planungsraum liegenden Gemeinden rechtsverbindlich.

§ 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes in der Fassung der Novelle 1981/20 lautet:

"(1) Der genehmigte Flächenwidmungsplan hat neben der Wirkung auf den Bebauungsplan (Teilbebauungsplan) auch die Folge, daß Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nach der Bgld. Bauordnung sowie Bewilligungen von sonstigen sich auf das Gemeindegebiet auswirkenden Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen."

Auf Grund der §§ 7 und 10 des Raumplanungsgesetzes hat die Burgenländische Landesregierung mit Verordnung vom 8. Juni 1977, LGBl. 1977/22, ein Entwicklungsprogramm für das "Untere Pinka- und Stremtal" erlassen; in diesem Planungsraum liegt auch die Gemeinde Heiligenbrunn.

§ 13 Abs. 3 dieses Entwicklungsprogrammes bestimmt:

"(3) Als Sonderzone sind solche Flächen auszuweisen, auf denen Gruppen alter Keller von besonderer historischer, künstlerischer und kultureller Qualität bestehen und Neubauten landwirtschaftlicher Betriebsgebäude dieser Art das Erscheinungsbild derartiger Gruppen nicht beeinträchtigen dürfen."

§ 13 Abs. 6 des Entwicklungsprogrammes in der Fassung der Novelle LGBl. 1989/29 normiert:

"(6) Im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. d dürfen Zu- und Umbauten der in den Zonen gemäß Abs. 2 bis 4 bestehenden Keller zum Zwecke des Buschenschankes oder für Sanitäranlagen nur in der jeweiligen Art und im unbedingt notwendigem Ausmaß unter Wahrung des Charakters der Zone vorgenommen werden."

2.3. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die naturschutzbehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Zubaues zu einem bestehenden Keller innerhalb des Landschaftsschutzgebietes u.a. unter Berufung auf § 20 Abs. 1 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes in Verbindung mit § 13 Abs. 6 der Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 3. Mai 1989, mit der das Entwicklungsprogramm für das "Untere Pinka- und Stremtal" erlassen wird, LGBl. 1977/22, abgewiesen.

Dieser Entscheidung liegt zunächst die zutreffende Auffassung zugrunde, daß Bewilligungen von sonstigen sich auf das Gemeindegebiet auswirkenden Maßnahmen auf Grund landesgesetzlicher Vorschriften - somit auch auf Grund des Naturschutzgesetzes - nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. Der den entsprechenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde insofern determinierende Entwicklungsplan (vgl. dazu FEIL-ROTH-SCHREIBER, Burgenländisches Raumplanungsgesetz, Anmerkung zu § 7; ferner FRÖHLER-OBERNDORFER, Österreichisches Raumordnungsrecht, Seite 72 ff) beinhaltet in seinem durch die Novelle LGBl. 1989/29 eingeführten Abs. 6 des § 13 die Regelung, daß im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. d Zu- und Umbauten in der in den Zonen gemäß Abs. 2 bis 4 bestehenden Keller zum Zwecke des Buschenschankes oder für Sanitäranlagen nur in der jeweiligen Art und in unbedingt notwendigem Ausmaß unter Wahrung des Charakters der Zone vorgenommen werden dürfen. Die Anwendung dieser Bestimmung auf den dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Sachverhalt erweist sich jedoch aus folgenden Überlegungen als verfehlt:

Der mit "Landwirtschaft" überschriebene § 5 des Entwicklungsprogrammes enthält in seinem Abs. 1 die Bestimmung, daß entsprechend dem Grundsatz der Verringerung bestehender Einkommensungleichheiten im Planungsraum ein landwirtschaftliches Einkommen erzielt werden soll, das dem eines Industriefacharbeiters gleichkommt (Paritätseinkommen). Zur Erreichung dieses Paritätseinkommens sind gemäß § 5 Abs. 2 lit. d die Intensivierung des Weinbaues mit vorzugsweiser Direktvermarktung unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Fremdenverkehrs anzustreben. Durch den ausdrücklichen Hinweis auf diese Regelung im § 13 Abs. 6 des Entwicklungsprogrammes kommt klar zum Ausdruck, daß § 13 Abs. 6 des Entwicklungsprogrammes nur auf einen LANDWIRTSCHAFTLICHEN BETRIEB zur Anwendung kommen kann. Mit der Frage, ob im Beschwerdefall ein solcher Betrieb vorliegt, hat sich die belangte Behörde im gesamten Verwaltungsverfahren überhaupt nicht auseinandergesetzt. Diese Frage ist auch vor dem Hintergrund der Aktenlage nicht zu beantworten, weshalb der Sachverhalt in diesem Punkt ergänzungsbedürftig ist.

2.4. Der Vollständigkeit halber sei auch darauf verwiesen, daß die belangte Behörde in ihrem Bescheid der Auffassung des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz folgte, wonach der errichtete Zubau dem Charakter des Kellerviertels nicht entspreche. Diesen Ausführungen hat jedoch der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1987 mit dem Hinweis darauf widersprochen, daß sich in unmittelbarer Umgebung seines Kellers mehrere andere Keller befänden, welche sowohl Anbauten, Zubauten, überdachte Terrassen etc. aufwiesen, sodaß keineswegs von einem einheitlichen Bild gesprochen werden könne. Verschiedene Buschenschankbetriebe in näherer Entfernung zum gegenständlichen Objekt wiesen auch völlig andere als im Gutachten beschriebene äußere Gestaltungsmerkmale auf, sodaß auch von einem einheitlichen Landschaftsbild keine Rede sein könne. Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde lediglich als "irrelevant" bezeichnet.

Ein Bescheid, der die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen nicht klar und übersichtlich zusammenfaßt, bedarf nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einer Ergänzung und ist daher, sofern durch diesen Mangel die Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte beschränkt sind, mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Zl. 1579/73).

2.5. Aus diesen Erwägungen folgt, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 1991/104, die gemäß Art. III Abs. 2 zur Anwendung kam. Stempelgebührenersatz konnte nur für die erforderlichen zwei Beschwerdeausfertigungen, eine Vollmacht und eine Beilage zuerkannt werden. Neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand kommt ein Zuspruch von Umsatzsteuer nicht in Frage.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1989100196.X00

Im RIS seit

01.07.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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