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22 Zivilprozeß, außerstreitiges VerfahrenNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
ZPO §63 Abs1 (VerfGG §35 Abs1); Art140 Abs1 B-VG; Abweisung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit; Unzulässigkeit des beabsichtigten Individualantrages auf Aufhebung des §39 StGB - kein aktueller Eingriff in die Rechtssphäre des ASt.Spruch
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit einer nicht durch einen Rechtsanwalt eingebrachten Eingabe ersucht der Einschreiter, der sich in Strafhaft befindet, um Bewilligung der Verfahrenshilfe, "um einen Antrag (gemäß Art139 B-VG (gemeint wohl: Art140 B-VG)) auf Aufhebung des §39 StGB wegen Verfassungswidrigkeit zu stellen". Er sei im Dezember 1974 wegen der Delikte des Raubes nach §§190, 192, 195 StGB, der Erpressung nach §98b StGB und wegen Vergehens gegen §36 Abs1 WaffenG zu 20 Jahren verschärften Kerkers letztinstanzlich durch den OGH verurteilt worden, nachdem das Ersturteil auf lebenslange Haft gelautet hatte. Das urteilsmäßige Strafende sei der 10. August 1993. Am 1. Jänner 1975 sei das nunmehr gültige StGB in Kraft getreten, welches, im Gegensatz zu früher, für die von ihm gesetzten Taten 15 Jahre Freiheitsentzug vorsehe; diese Zeit sei bereits am 10. August 1988 abgelaufen. Dennoch sei ihm vom Kreisgericht Krems und dem Oberlandesgericht Wien bisher eine bedingte Entlassung mit der Begründung verweigert worden, daß über ihn als Rückfallstäter in Anwendung des §39 StGB eine 20-jährige Freiheitsstrafe zu verhängen gewesen wäre. §39 StGB verstoße gegen das Gleichheitsgebot; da ein Vorbestrafter auf Grund einer Tat bereits bestraft worden sei, ermögliche §39 StGB eine gleichheitswidrige "sogenannte Doppelbestrafung".
2. Aus dem vom Oberlandesgericht Wien am 9. September 1988 ergangenen Beschluß geht hervor, daß der Beschwerde des Einschreiters gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Krems, mit dem der Antrag auf Bewilligung der bedingten Entlassung abgewiesen wurde, nicht Folge gegeben wurde, weil vom Sachverständigen eine ungünstige Prognose erstellt worden sei. Zusätzlich wird darauf verwiesen, daß nach dem zweiten Strafsatz des §143 StGB eine 10 bis 20-jährige Freiheitsstrafe unter Voraussetzungen angedroht ist, die "nun vergleichsweise nach der Aktenlage für das Raubfaktum der seinerzeitigen Verurteilung" des Einschreiters zutreffen könnte. Des weiteren heißt es, daß der Antragsteller nach der geltenden Gesetzeslage als Rückfallstäter im Sinne des §39 StGB zu behandeln wäre, wonach die nach dem ersten Strafsatz des §143 StGB angedrohte Strafe ebenfalls auf 20 Jahre erhöht werden könnte. So gesehen gingen "alle hypothetischen Annahmen und Überlegungen in der Beschwerde von unrichtigen Voraussetzungen aus".
3. Voraussetzung der Antragslegitimation nach Art140 B-VG ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Darüberhinaus ist erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).
Entgegen der Meinung des Einschreiters greift §39 StGB, der eine Strafverschärfung für Rückfallstäter zum Gegenstand hat, in seine Rechtssphäre nicht aktuell ein; daran ändert nichts, daß die Begründung des Beschlusses, mit dem seine bedingte Entlassung abgelehnt wird, illustrativ auf die in Rede stehende Bestimmung Bezug nimmt, sodaß ein Individualantrag nach Art140 B-VG schon aus diesem Grunde unzulässig ist. Aber auch wenn man davon ausginge, daß §39 StGB vom Strafvollzugsgericht - bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung eines nach der früheren Rechtslage verurteilten Täters - nun anzuwenden wäre, würde dies nicht zur Zulässigkeit eines Individualantrages nach Art140 B-VG führen, da diesfalls der von der genannten Verfassungsbestimmung vorausgesetzte unmittelbare Eingriff in die Rechtssphäre nicht vorläge.
4. Da ein Individualantrag nach Art140 B-VG somit als offenbar aussichtslos erscheint, war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.
Dieser Beschluß wurde gemäß §72 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.
Schlagworte
VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1988:G222.1988Dokumentnummer
JFT_10118872_88G00222_00