TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/2 87/08/0235

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Veröffentlicht am 02.07.1991
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

BSVG §1;
BSVG §2;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der Aloisia N. gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 16. Jänner 1986, Zl. IV b-69-23/1985, betreffend Beitragsvorschreibung in der Unfallversicherung der Bauern (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Die Sozialversicherungsanstalt der Bauern stellte mit Bescheid vom 1. August 1985, fest, daß die Beschwerdeführerin

a) in der Zeit vom 1. Juli 1979 bis 20. März 1985 in der Unfallversicherung der Bauern gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 BSVG, BGBl. 559/1978, pflichtversichert gewesen sei und

b) hiefür für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1979 einen Monatsbetrag von 45 S, für das Jahr 1980 einen Monatsbeitrag von 47 S, für das Jahr 1981 einen Monatsbeitrag von 50 S, für das Jahr 1982 einen Monatsbeitrag von 52 S, für das Jahr 1983 einen Monatsbeitrag von 55 S, für das Jahr 1984 einen Monatsbeitrag von 57 S sowie für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. März 1985 einen Monatsbeitrag von 59 S zu entrichten habe.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch.

1.2. Mit Bescheid vom 16. Jänner 1986 gab der Landeshauptmann von Vorarlberg diesem Einspruch keine Folge. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der land(forst)wirtschaftliche Betrieb der Beschwerdeführerin mit einer forstwirtschaftlich genutzten Fläche von 0,3830 ha auf Grund eines Einheitswertbescheides vom 18. März 1981 mit einem Einheitswert von S 2.000,-- bewertet worden. Laut Artfortschreibungsbescheid des Finanzamtes X vom 5. Juni 1985 sei diese forstwirtschaftliche Fläche mit S 0,-- bewertet worden. Gemäß § 3 Abs. 2 letzter Satz BSVG sei diese Änderung erst ab dem 1. Juli 1985 zu berücksichtigen gewesen. Eine forstwirtschaftliche Betriebsführung sei auch dann anzunehmen, wenn sie zeitweise kaum in Erscheinung trete, weil naturgemäß der Zeitpunkt zwischen Aufforstung und Schlägerung ein längerer sei und sich daher die Tätigkeit zwischenzeitig im wesentlichen auf eine Betreuung des Wuchses und die Einhaltung der forstwirtschaftlichen Maßnahmen beschränken müsse. Es handle sich um 0,38 ha Jungwald, der vor ca. 10 Jahren aufgeforstet worden sei. Laut Angaben der Beschwerdeführerin würden auch Ausholzungs- bzw. Auslichtungsarbeiten durchgeführt, sofern dies notwendig erscheine. Wenn auch derzeit weder Brennholz noch Nutzholz anfalle, so ließen die Aufforstungshandlungen und die damit verbundenen späteren Arbeiten durchaus die Prognose zu, daß aus den Erträgnissen dieses Waldes künftig wirtschaftlicher Nutzen gezogen werden könne. Daß eine derartige Nutzungsmöglichkeit derzeit noch nicht bestehe, sei bei der Frage der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung der Bauern unbeachtlich.

1.3. Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes, und zwar soweit er die Frage der Beitragsverpflichtung (siehe Punkt 1.1. lit. b) betrifft, erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Unter anderem aus Anlaß dieses Beschwerdefalles leitete der Verfassungsgerichtshof ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des - die Frage des Wirksamkeitsbeginns einer Einheitswertänderung regelnden - zweiten Satzes im § 23 Abs. 5 BSVG ein.

Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1986, G 90, 128/86, Slg. Nr. 11201 = ZfVB 1987/4/1879, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

Mit Erkenntnis vom 12. Juni 1987, B 123/86, Slg. Nr. 11330 = ZfVB 1988/2/678, 693, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde ab. Antragsgemäß wurde sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

1.4. In ihrer Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie wendet sich gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 16. Jänner 1986, soweit dieser die Beitragshöhe betrifft.

1.5 Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Soweit sich die vor dem Verwaltungsgerichtshof erstattete Beschwerdeergänzung "einfachheitshalber" auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin vor dem Verfassungsgerichtshof bezieht, kann sich der Verwaltungsgerichtshof auf die Bemerkung beschränken, daß bei ihm keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des gemäß § 30 Abs. 1 anzuwendenden § 23 Abs. 5 zweiter Satz BSVG, insbesondere keine, die nicht bereits Gegenstand des aus Anlaß der Verfassungsgerichtshof-Beschwerde der Beschwerdeführerin eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahrens zu G 90, 128/86 (VfSlg. 11201/1986) gewesen wären, entstanden sind. Zur Prüfung, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (darunter im Recht auf die Verfahrensgarantien des Art. 6 Abs. 1 MRK) verletzt worden ist, ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG nicht berufen. Eine Erörterung dieser Fragen erfolgte im bereits zitierten (abweisenden) Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1987. 2.2. In der Beschwerde wird weiters, was die Versicherungspflicht betrifft, auf den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 27. Juni 1986 verwiesen. Darin sei in Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin die Versicherungspflicht bestätigt worden, allerdings mit der Ergänzung, daß die Versicherungspflicht bereits am 20. März 1985 geendet habe und nicht erst zum 31. März 1985, wie dies im angefochtenen Bescheid festgestellt werde. Im Hinblick auf die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgenommene Kürzung der Dauer der Versicherungspflicht hafte jedenfalls dem angefochtenen Bescheid eine inhaltliche Rechtswidrigkeit an.

Entgegen dieser Rechtsauffassung vermag der Umstand, daß der Bundesminister mit Bescheid vom 27. Juni 1986 das Ende der Versicherungspflicht mit 20. März 1985 feststellte, der vorliegenden Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Gemäß § 32 Abs. 1 BSVG sind nämlich die Beiträge für die Dauer der Versicherung zu leisten; für den Kalendermonat, in dem die Pflichtversicherung bis einschließlich 15. dieses Monates beginnt oder nach dem 15. endet, ist der volle Beitrag zu leisten. Gemäß § 23 Abs. 10 BSVG gilt als Beitragsmonat jeweils der Kalendermonat, für den Beiträge zu entrichten sind. Im übrigen trifft aber schon die Prämisse der Beschwerdeführerin, der Bundesminister habe eine "Kürzung" der Dauer der Versicherungspflicht (bis 20. März 1985) gegenüber dem Bescheid des Landeshauptmannes (Dauer bis 31. März 1985) vorgenommen, nicht zu, da auch nach dem Spruch des Bescheides des Landeshauptmannes im Zusammenhalt mit - dem Bescheid der mitbeteiligten Sozialversicherungsanstalt das Ende der Versicherungspflicht mit 20. März 1985 normativ festgestellt wurde und nur im nicht - normativen Vorspruch

- unrichtigerweise - vom 31. März 1985 die Rede ist.

2.3. In der Beschwerde wird weiters geltend gemacht, "aus einfach gesetzlicher Sicht" stelle sich der Sachverhalt so dar, daß der Vorschreibung der Versicherungsprämien auf der anderen Seite kein Versicherungsrisiko gegenüber stehe. Dies scheine "sittenwidrig und ein Verstoß gegen Rechtsgrundsätze zu sein".

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß der Gesetzgeber die sozialversicherungsrechtliche Risikogemeinschaft der in der Unfallversicherung der Bauern versicherten Personen unsachlich abgegrenzt hätte. Die bloß geringe Wahrscheinlichkeit, eine Leistung von der Versicherungsgemeinschaft zu erhalten, macht die Einbeziehung in die Riskengemeinschaft nicht verfassungswidrig, sofern es mögliche Leistungsfälle gibt. Daß aber selbst bei der hier in Rede stehenden Betriebsgröße ein grundsätzliches Unfallrisiko besteht, ist nicht zweifelhaft. Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin stellt sich die von ihr angeschnittene Frage für die Gesetzesanwendung nicht. Die Pflichtversicherung tritt nämlich kraft Gesetzes mit der Erfüllung eines bestimmten Tatbestandes ein und begründet die Anwartschaft auf Versicherungsleistungen. Ob und in welchem Umfang tatsächlich Ansprüche auf Versicherungsleistungen entstehen, hängt vom Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalles und allfälligen weiteren Leistungsvoraussetzungen ab.

2.4. Angesichts der im Instanzenzug durch den Bescheid des Bundesministers vom 27. Juni 1986 - auf den die Beschwerdeführerin selbst verweist - bejahten Versicherungspflicht ist kein Begründungsmangel des die Beitragshöhe betreffenden Spruchteiles des angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes darin zu erblicken, daß die belangte Behörde eine Erwerbsbewirtschaftung "ohne nähere Begründung" annehme. Im übrigen beschäftigt sich der angefochtene Bescheid jedoch einläßlich mit dem Begriff des versicherungspflichtigen land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (vor 10 Jahren aufgeforsteter Jungwald; Ausholzungsarbeiten). Die Relevanz der darüber hinaus nur pauschal behaupteten Begründungsmängel wird in der Beschwerde nicht dargetan.

2.5. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1987080235.X00

Im RIS seit

02.07.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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