TE Vwgh Erkenntnis 1991/7/3 91/03/0033

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Veröffentlicht am 03.07.1991
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
92 Luftverkehr;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
LuftfahrtG 1958 §146 Abs1;
LVR 1967 §3 Abs3;
LVR 1967 §75;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Weiss und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Johann G gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. Jänner 1991, Zl. IIb2-Sch-622/90-7, betreffend Übertretung nach dem Luftfahrtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu eretzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I des im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 146 Abs. 1 des Luftfahrtgesetzes in Verbindung mit §§ 75 und 3 Abs. 3 der Luftverkehrsregeln 1967 bestraft, weil er am 19. April 1989 um ca. 11.08 UTC ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Luftfahrzeug in einer Höhe von ca. 7000 Fuß QNH, in etwa über der Universitätsbrücke Innsbruck, somit im Nahbereich des Flugplatzes Innsbruck, in nordöstliche Richtung geführt habe, wobei er beim Betrieb des von ihm geführten Luftfahrzeuges eine im Anflug befindliche näher bezeichnete Linienmaschine, welche zum oben angeführten Zeitpunkt eine Flughöhe von ca. 6300 Fuß QNH eingehalten habe, gefährdet habe. Die Gefährdung sei darin gelegen, daß er im angegebenen Bereich "ungefähr dem Localizer OEJ" entlang geflogen und es - wenn die Linienmaschine nicht unmittelbar zuvor den Localizer verlassen hätte - mit einiger Wahrscheinlichkeit zu einem Zusammenstoß, jedenfalls aber zu einer gefährlichen Annäherung beider Luftfahrzeuge über dem Stadtgebiet von Innsbruck gekommen wäre.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren in Abrede gestellt, sich mit dem von ihm geführten Flugzeug zum Tatzeitpunkt am Tatort befunden zu haben. In der Berufung bestritt er insbesondere die Richtigkeit der Angabe in der "Meldung über Verstoß", daß von diesem Flugzeug um "ca. 1111" eine Positionsmeldung "etwas südlich IGLS" erfolgt sei, und stellte den Antrag, "das aufliegende Tonband zu verwerten", dies im Hinblick auf die Stellungnahme des Zeugen Peter R vom 16. Mai 1989, wonach sich das Flugzeug zum Zeitpunkt der Anfrage nach der Position "südlich von Matrei in ca. 13000 ft" befunden habe. Die belangte Behörde hat diesem Beweisantrag weder entsprochen noch in der Begründung ihres Bescheides dargelegt, aus welchen Gründen der Aufnahme dieses Beweises (Einsichtnahme in das Tonbandprotokoll der Flugverkehrsdienststelle Innsbruck über den Sprechfunkverkehr zur fraglichen Zeit) keine Bedeutung für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes zugekommen wäre. Diese Vorgangsweise stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel ist darin zu erblicken, daß sich die belangte Behörde mit dem im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 3. Oktober 1990 erstatteten ausführlichen, das Fehlen einer Gefährdung betreffenden Vorbringen nicht auseinandergesetzt hat. Die belangte Behörde übermittelte wohl die Akten dem Bundesamt für Zivilluftfahrt "mit der Bitte um gutachtliche Stellungnahme" zu diesem Vorbringen; das Bundesamt für Zivilluftfahrt regte jedoch mit Schreiben vom 22. November 1990 lediglich "zur Bekräftigung/Entkräftigung der Behauptungen des Beschuldigten", das Flugzeug habe in ca. elf Minuten einen Höhenunterschied von über 11000 ft absolviert, an, vom Amtssachverständigen die Steigrate des Luftfahrzeuges unter Berücksichtigung der Beladung mit drei Personen und Gepäck berechnen zu lassen. Nach Vorliegen des entsprechenden Gutachtens des Amtssachverständigen vom 11. Dezember 1990, wonach es aus technischer Sicht möglich sei, daß der Beschwerdeführer nach elf Minuten Flugzeit eine Höhe von 13000 ft erreicht habe, nahm die belangte Behörde, ohne dieses Beweisergebnis in irgendeiner Weise bei der Sachverhaltsfeststellung zu berücksichtigen, von der - ursprünglich offenbar für notwendig erachteten - weiteren fachlichen Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers im Schriftsatz vom 3. Oktober 1990 Abstand. Welche Erwägungen sie dazu veranlaßten, geht aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht hervor.

Schließlich ist die Begründung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Frage, ob der Pilot der Linienmaschine durch das vom Beschwerdeführer geführte Flugzeug zu einer Änderung der Flugbewegung veranlaßt wurde, in sich widersprüchlich. Einerseits wurde die der Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegte Aussage des Zeugen Beer dahin wiedergegeben, "daß er, nachdem er den Localizer nach links verlassen habe, ca. 300 bis 400 Fuß über ihm die Maschine des Beschuldigten gesehen und aus diesem Grund die Sinkflugrate zusätzlich erhöht habe, um einer möglichen Kollision zu entgehen" (Seite 5/6 der Bescheidausfertigung), andererseits wurde an anderer Stelle (Seite 8 der Bescheidausfertigung) folgende Sachverhaltsfeststellung getroffen:

"Nachdem der Pilot dieser Maschine 'Groundcontact' hatte, erhöhte er die Sinkrate vor dem Ausholen auf die linke Talseite, um den Landeanflug fortzusetzen. Nach Einleitung der Rechtskurve im Anflugverfahren wurde der Pilot nun auf die Maschine des Berufungswerbers aufmerksam."

Zufolge der aufgezeigten Mängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Stempelgebührenaufwand für die vorgelegte zweite Ausfertigung des angefochtenen Bescheides, deren es gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nicht bedurft hätte.

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Behandlung von Parteieinwendungen Ablehnung von Beweisanträgen Abstandnahme von BeweisenBeweiswürdigung antizipative vorweggenommeneAblehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991030033.X00

Im RIS seit

05.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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